Justiz:Immer mehr Bürger klagen

Lesezeit: 2 Min.

Am Starnberger Amtsgericht bietet der Münchener Anwaltverein seit vergangenen Oktober eine Rechtsberatungsstelle für bedürftige Bürger an. Hier bei der Einweihung (v.l.): Isabella Ertl, Matthias Bell, Martina Abdul-Rahman, Bernt Münzenberg (Präsident des Landgerichts München II), Direktorin Monika Andreß und Michael Dudek, Geschäftsführer und Vizevorsitzender des Münchener Anwaltvereins. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Starnberger Amtsgericht hat viel zu tun, weil auch die Zahl der Strafprozesse gestiegen ist. In Zivilsachen soll die Digitalisierung Abläufe vereinfachen und beschleunigen.

Von Christian Deussing, Starnberg

Der Arbeitsdruck am Starnberger Amtsgericht nimmt zu. Im vergangenen Jahr wurden 1074 neue Zivilklagen eingereicht, 65 mehr als 2022. Die meisten Streitigkeiten betrafen Kaufverträge (278), knapp gefolgt von Mietsachen (271) und Verkehrsunfällen (139). Im Schnitt wurde ein Zivilverfahren nach etwas mehr als vier Monaten abgeschlossen. 937 Verfahren konnten erledigt werden, davon 167 durch einen Vergleich. Diese Jahresbilanz für 2023 zieht die Direktorin des Amtsgerichts, Monika Andreß.

Angestiegen ist auch die Zahl der Strafverfahren: So sind im vergangenen Jahr 794 Anklagen erhoben worden, hundert mehr als in den zwölf Monaten zuvor. Die meisten Verfahren machten Verkehrsstraftaten (146) aus, gefolgt von Verfahren wegen Diebstahls und Unterschlagung (101), vorsätzlicher Körperverletzung (90) sowie wegen Drogendelikten in 74 Fällen. In der Familienabteilung gingen die Anträge auf Scheidung und ihre "Folgesachen" marginal zurück. Behandelt wurden 770 neue Anträge, wobei ein familienrechtlicher Streit vor dem Amtsgericht durchschnittlich gut drei Monaten dauerte. Dabei geht es oft um viel Geld.

Das gilt vor allem aber für die Nachlassabteilung. In einem der reichsten Landkreise Deutschlands wurde nach Angaben des Gerichts Vermögen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro vererbt. In der Abteilung wurden insgesamt 3125 neue Verfahren angelegt - zum Beispiel, um einen Erbschein zu erteilen oder um eine gesetzliche Erbfolge festzustellen.

Direktorin Andreß verweist aber auch auf die vielen Menschen im Landkreis mit finanziellen Problemen. So ist die Zahl der Zwangsvollstreckungen stark gestiegen: Im Jahr 2022 waren es 4807, im darauffolgenden Jahr mussten die Gerichtsvollzieherinnen 6217 Mal in diesen Sachen tätig werden. Dabei seien knapp drei Millionen Euro von den Schuldnern beigetrieben worden. Das Grundbuchamt bearbeitete fast 9000 Anträge, wofür Gebühren von mehr als 20 Millionen Euro eingenommen wurden.

Am Starnberger Amtsgericht sind derzeit 77 Mitarbeiter beschäftigt. Die Anforderungen sind für sie gewachsen. (Foto: Arlet Ulfers)

Als hilfreich hat sich erwiesen, dass seit dem 10. Oktober 2023 der Münchener Anwaltverein für eine geringe Gebühr am Amtsgericht wöchentlich eine Rechtsberatung für bedürftige Bürger quasi als "Erste Hilfe" anbietet, wenn sie im Landkreis Starnberg wohnen. Das Angebot werde gut angenommen, sagt Andreß. Auch die Einführung der elektronischen Akte in Zivilsachen im selben Monat sei herausfordernd gewesen. Die Umstellung habe aber reibungslos geklappt. Es zeige sich bereits, dass die elektronische Akte für das Gericht die Bearbeitung vereinfachen und beschleunigen werde, erläutert Andreß.

Besonders bedeutend sei die Wahl der neuen Schöffen in Strafsachen für Erwachsene und Jugendliche gewesen, die nur alle fünf Jahre erfolgt. Von den Gemeinden im Landkreis wurden 361 Vorschläge für das Ehrenamt eingereicht, gewählt wurden je 24 Schöffen für das Amtsgericht und das Landgericht München II - nachdem die Kandidaten zuvor auf die gesetzlichen Anforderungen hin geprüft worden sind. Dass sich so viele Personen an der Schöffenwahl beteiligten, freut die Direktorin. Überdies hätten sich 62 Studenten und 25 Schüler in teilweise mehrwöchigen Praktika am Starnberger Amtsgericht über die Arbeit der Justiz informiert.

Insgesamt 77 Menschen arbeiten am Starnberger Amtsgericht - darunter Wachtmeister, Justizfachwirte, Rechtspfleger und Richter. Zudem gibt es im Landkreis Starnberg sechs Gerichtsvollzieherinnen. Andreß betont, dass es das Ziel des Amtsgerichts sei, "so schnell, so gut und so bürgerfreundlich wie nur irgend möglich zu arbeiten".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusCannabis-Legalisierung
:"Wir brauchen eine Regelung mit Augenmaß"

Der Bundesrat berät am Freitag über die Freigabe der Droge. Ein Richter, ein Polizist, ein Therapeut und ein Händler von medizinischem Cannabis erzählen, wie das ihre Arbeit verändern würde.

Von Linus Freymark

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: