Eichenallee-Fest in Seefeld:Blätterrauschen an Deutschlands schönster Straße

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Durch die Eichenallee zwischen Delling und Seefeld fahren normalerweise 14 000 Autos am Tag. Zum 250-jährigen Bestehen bleibt sie für ein großes Fest gesperrt. Der Landrat ist so begeistert, dass er eine mehrwöchige verkehrsfreie Zeit fordert.

Von Patrizia Steipe, Seefeld

Nicht jeder weiß, dass sich hinter dem Begriff "St 2068" für "Staatsstraße" die wohl schönste Eichenallee Deutschlands verbirgt. 1771 wurde sie von Graf Anton von Toerring-Seefeld gepflanzt und zwar mit einer solchen Weitsicht, dass die uralten Baumriesen heute immer noch genügend Platz haben, um ein domartiges Dach über der Straße zu bilden. "Ich hörte heute das Blätterrauschen", staunte Landrat Stefan Frey (CSU). So begeistert war er von diesem seltenen Naturerlebnis, dass er unter viel Applaus ein jährliches Eichenallee-Fest und dazu eine mehrwöchige autofreie Periode auf der Strecke zwischen Delling und Seefeld forderte.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die uralten Baumriesen wurden 1771 geplanzt und bilden noch heute ein domartiges Dach über der Straße.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Tausende Menschen wandern unter den 700 Eichen und besuchen die 40 Stände...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

... begleitet von politischer Prominenz (von links) wie Bürgermeister Klaus Kögel, Landrat Stefan Frey und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer. Begründer-Nachfahre Hans-Caspar Graf zu Toerring-Jettenbach schaut zu.

Anlässlich des 250. Geburtstags der Eichenallee war die Straße, durch die täglich durchschnittlich 14 000 Kraftfahrzeuge fahren, für den Autoverkehr gesperrt. Entlang der 2,8 Kilometer langen Route, die von etwa 700 Stieleichen gesäumt ist, gab es etwa 40 Aktions- und Essensstände. Tausende Besucher waren zu Fuß, mit dem Rad oder Roller gekommen und genossen es, sich mitten auf der Fahrbahn zu bewegen. Hans-Caspar Graf zu Toerring-Jettenbach hatte für den Festakt auf Gut Delling pikante Informationen aus dem Privatarchiv der Familie mitgebracht. Sein Vorfahr, der die Allee gepflanzt hatte, sei wegen einer unbotmäßigen Liebelei vom Hof verbannt und auf Schloss Seefeld quasi ins Exil geschickt worden. Fraglich sei, ob es sonst die Eichenallee gegeben hätte, überlegte der Graf.

Heute ist sie laut Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) "eine der schönsten Strecken Deutschlands". "Eine herrliche Allee" stimmte Seefelds Bürgermeister Klaus Kögel (CSU) zu und berichtete, dass die Bäume jährlich etwa 850 000 Tonnen CO₂ bänden. Viel Aufwand müsse allerdings betrieben werden, damit die Allee am Leben bleibe, erklärte Marika Hoyer vom Staatlichen Bauamt Weilheim. Die Behörde ist für die Pflege und den Erhalt der Allee zuständig, die übrigens als Baudenkmal gilt. "In ihrer Einzigartigkeit hat sie bundesweite Bedeutung", erklärte Hoyer. Deswegen sei es das Hauptziel, die etwa 45 Prozent Bäume der ersten Pflanzung "so lange wie möglich zu erhalten". Während früher die Schadstellen ausgebohrt, verfüllt und die Hohlräume mit Stangen zusammen gehalten wurden, hat man sich heute von diesem Verfahren verabschiedet. Heute werden Baumkletterer beauftragt, die sich strikt an einen Pflegeleitfaden halten. Die Eichen werden mit Wirkstoffen vitalisiert, die teure Behandlung sponsern Baumpaten, die auch neue Bäume subventionieren.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Viele Kinder warteten geduldig bis sie an der Reihe waren, an Seilen gesichert in den Baum zu klettern.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seine ganz große Pfanne brachte Bernd Neumann mit, um auf einen Schlag rund 70 Portionen Krautschupfnudeln kochen zu können.

Der Künstler Andreas Kloker aus Schondorf hatte für das Fest aus der alten Eiche, die vor ein paar Jahren durch einen Tornado gefällt wurde, 85 Hocker gefertigt. Zufällig habe er damals von dem umgestürzten Baum erfahren und sich mit Einverständnis der Straßenbehörde den Stamm geholt. "Das Holz ließ sich gut spalten", erklärte der Künstler. Der Baum mit der Nummer 316 stammte laut Gutachten aus dem Jahr 1740. Einige Eichen waren wohl schon vor der Pflanzung da. Das erfuhren die Gäste, die sich die vom Räsonanz-Verein herausgegebene Broschüre geholt hatten. Mit Fakten, Dokumenten und Bildern hat der Heimatforscher Robert Volkmann das Heft abgerundet. Darin erfährt man beispielsweise, dass die Ausbuchtungen der Eichenblätter der Sage nach die Spuren der Teufelskrallen seien. Diese habe dieser hinterlassen, als er eine arme Seele greifen wollte, die sich in eine Eiche geflüchtet hatte.

Die vielen Kinder, die geduldig anstanden, um an Seilen gesichert selbst in den Baum zu klettern, war diese Volkssage sicherlich nicht bekannt, sonst hätte ihnen wohl der Mut gefehlt. Sie nutzten die Bastelangebote, die Naturbeobachtungen mit Günter Schorn vom Bund Naturschutz und sie bestaunten die Modelle von Hirschkäfern, den die Naturschützer gerne an der Eichenallee ansiedeln würden. Die Gemeinde verkaufte T-Shirts mit Eichenallee-Aufschrift und Festzeichen, doch viele Gäste hatten echte Zweiglein mit Blättern gesammelt und angesteckt.

© SZ vom 04.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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