Starnberg:Von der Stele zum Schuber

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Christoph Aschermann und Christian Fries präsentieren den neuen Schuber für zehn Bände der Starnberger Stadtbücher. (Foto: Georgine Treybal)

Aus dem Starnberger Kunstwerk "Phönix" entstehen individuelle Schutzbehältnisse für eine zehnbändige Sammlung mit Stadtbüchern.

Von Sabine Bader, Starnberg

Aus Alt mach Neu - Upcycling nennt man das. Die Rede ist in diesem Fall vom Kunstwerk "Phönix". Viele Starnberger erinnern sich noch an die Stele, die zehn Jahre lang im See vor dem Starnberger Seespitz stand. Die Stadt hatte sie anlässlich der Bundesgartenschau 2005 von der inzwischen verstorbenen Berger Künstlerin Hannelore Jüterbock kreieren lassen. "Die vierseitige, sechs Meter hohe, bemalte Stele wächst aus dem Starnberger See empor und begrüßt die Bewohner Starnbergs", hieß es seinerzeit freudig in der Gartenschau-Broschüre der Stadt.

Der Phönix sollte ein Wahrzeichen für die Kreisstadt werden. Aber die Bürger liebten ihn nicht besonders. Sie sahen das Kunstwerk kritisch. "Doch das gehört zur Kunst dazu, dass sie nicht jedem gefallen kann", sagt Stadtarchivar Christian Fries. Nach zehn Jahren im Seewasser war die Stele längst keine Zierde mehr. Sie leuchtete nachts nicht mehr, weil die Solaranlage kaputt war. Und die Farben der Plexiglasscheiben hatten an Strahlkraft verloren.

2015 wurde sie dann wegen hoher Reparaturkosten abgebaut. Darüber hinaus war die Baugenehmigung für das Kunstwerk abgelaufen und auch die Aufstellungserlaubnis der Schlösser- und Seenverwaltung, die zeitlich auf zehn Jahre befristetet gewesen war. Das ungeliebte Kunstwerk wurde damit rein rechtlich zum Schwarzbau.

Der "Phönix" der Künstlerin Hannelore Jüterbock im Starnberger Seespitz wurde 2015 abgebaut . (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Stadt entschloss sich trotz des Protestes der Berger Künstlerin dazu, die Stele abzubauen. Zuvor hatte sich Jüterbock noch hilfesuchend an den ehemaligen Landrat Karl Roth, an Markus Söder in seiner damaligen Eigenschaft als Finanzminister, Ludwig Spaenle, damals Kultusminister, und den ehemaligen Vizechef der CSU aus Berg, Peter Gauweiler, gewandt. Nichts half. Die Stele wurde entfernt und eingelagert - zuerst im Bauhof und später im städtischen Magazin, das im Bunker unter der Schule in Söcking untergebracht ist. Dort nahm das Werk einige Jahre vornehmlich Platz weg, ohne dass in Aussicht stand, dass es je wieder ausgestellt würde.

Doch dann kamen Stadtarchivar Fries und sein Kollege Christoph Aschermann auf eine kreative Idee: Sie hatten schon immer damit geliebäugelt, einen Schuber für die ersten zehn Bände der Starnberger Stadtgeschichte anfertigen zu lassen. Warum ihn also nicht aus der Stele fertigen? Fries sprach mit den Verantwortlichen der Stadt darüber und den Mitarbeitern des städtischen Bauhofs. Sie alle fanden die Idee gut. Also tüftelten die Schreiner los. Sie fertigten aus den bemalten Plexiglasteilen der Stele hochmoderne Schuber an, sehr exklusiv und individuell. "Es sind die gleichen, aber nicht die selben", sagt Aschermann. Schließlich sehe jedes der Behältnisse von der Farbgestaltung her anders aus. Fries: "Was ich an der Idee so schön fand, ist, dass man den Schubern ansieht, dass sie gelebt haben." Quasi: Die Starnberger Stadtgeschichte in einem Teil der Geschichte der Stadt.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Schutzkartons sind die Schuber aus Plexiglas

Seit 2007 entwickelt sich die Buchreihe kontinuierlich fort. Sie reicht unter anderem über Themen wie das Schulwesen, die Künstler, die Baugeschichte bis hin zu den politischen Verhältnissen in der Kreisstadt. Die Stadthistorie war ursprünglich auf zehn Bände angelegt. Dass es jetzt mehr werden, hat sich laut Fries auch aufgrund von Bürgervorschlägen so ergeben. Der elfte Band über Starnbergers Ursprungskirche St. Benedikt ist 2020 erschienen, Band zwölf über die Städtepartnerschaft mit der französischen Hafenstadt Dinard soll im Juni veröffentlicht werden.

Die meisten herkömmlichen Schuber sind aus Pappe. Verglichen damit sei das Stelen-Material ideal geeignet zum Schutz einer Buchreihe und wesentlich individueller, findet Fries. Wegen der Urheberrechte hatte sich Fries zuvor an die Tochter Jüterbocks, Sabine Sciubba, gewandt und von dieser die Erlaubnis eingeholt, aus dem renovierungsbedürftigen Kunstwerk ihrer Mutter 41 individuelle Behältnisse anzufertigen. Damit sei die Stele komplett verwertet, heißt es von Seiten der Archivare.

Die zehnbändige Zusammenstellung im Schuber wiegt übrigens 19 Kilogramm und wird 149,90 Euro kosten. Denn von 30. Mai an wird die Buchpreisbindung für neun der zehn Bände aufgehoben, und die Buchhändler dürfen die Werke von da an zum halben Preis veräußern. Ohne Schutzbehältnis gibt es die Sammeledition für 99,90 Euro.

Ein Exemplar der zweibändigen politischen Stadtgeschichte des Historikers Paul Hoser hat die Kommune übrigens an einen Interessenten mit Starnberger Wurzeln in den USA verkauft, der Nachforschungen zu seiner Familiengeschichte anstellte.

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