3D-Schau in Raisting:Mondspaziergang im Radom

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Virtuelle Reisen durch Raum und Zeit im Radom: Im Sandkasten lassen sich die Mondlandemissionen nachspielen, mit der VR-Brille kann man sich auf den Erdtrabanten versetzen (Foto: Franz Xaver Fuchs/Franz Xaver Fuchs)

Virtuelle Welten, plastische Einblicke in die Raumfahrt, Architektur und Technikgeschichte: Das einzigartige Industriedenkmal soll 2024 viele Besucher anlocken.

Von Armin Greune, Raisting

Möchte jemand mal Mäuschen im Schlafzimmer von Ludwig II. spielen? Oder vielleicht mit dem Traum-Luftschiff des Märchenkönigs über Schloss Neuschwanstein schweben? Womöglich ist es auch eher reizvoll, Neil Armstrong auf dem ersten Mondspaziergang der Menschheit zu begleiten. Auf einen Raumanzug könnte man dabei zwar verzichten, warme Kleidung ist derzeit dennoch anzuraten. Denn im Raistinger Radom, wo Medienvertretern und Politikern diese Woche ein Vorgeschmack auf die künftige Ausstellung "Virtuelle Welten" serviert wurde, herrschen mit neun Grad aktuell kühle Verhältnisse. Was die geladenen Gäste nicht davon abhielt, erste Happen der in Planung befindlichen Show zu goutieren - und sich etwa mittels VR-Brille in eine dreidimensionale Mondlandschaft mit Kratern und geschwungenen Hügeln zu versetzen, um dann mit einem virtuellen Golf-Driver die Schlagweite unter einem Sechstel der irdischen Schwerkraft auszutesten.

Von Mai an sind Besuche eingeladen, unter der Tragluftkuppel des weltweit einmaligen Industriedenkmals Reisen durch Raum und Zeit anzutreten. Für die "Virtuellen Welten" werden 13 interaktive Whiteboards mit einer Bildschirmdiagonale von mehr als zwei Metern aufgestellt. Hier können Informationen, Animationen und dreidimensionale Darstellungen zu zehn Themenbereichen abgerufen werden. Schwerpunkte sind dabei "Entwicklung der Technik und Architektur in Bayern", "Industrialisierung" und natürlich - passend zur Kulisse rund um die Antenne 1 der Erdfunkstelle - das Thema "Raumfahrt".

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In zwei der Stationen sollen VR-Brillen zum Einsatz kommen. Angedacht ist dabei eine virtuelle Spritztour mit dem "Moonrover" der Apollo-Missionen. Oder man kann das Innenleben der roten Antenne im Radom erkunden, deren leibhaftiges Betreten verboten ist. Prädestiniert für eine Besichtigung durch das dreidimensionale Visier wäre auch der geplante Rundgang durch ein Pechkohle-Bergwerk, wie es einst im Landkreis Weilheim-Schongau in Penzberg und Peißenberg existierte. Dabei wird im Radom ein digitaler Klon des Gips-Bergwerks erscheinen, das vor den laufenden Sanierungen zu den Publikumsmagneten im Deutschen Museum München gehörte.

Das Zentrum digitale Welten hatte Professor Gerd Hirzinger ursprünglich für das Deutsche Museum in München vorgesehen (Foto: Franz Xaver Fuchs/Franz Xaver Fuchs)

Schlüsselperson und wesentlicher Ideengeber zur Raistinger 3D-Show ist Professor Gerd Hirzinger, ehemals Leiter des Instituts für Robotik und Mechatronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Der Seefelder gehört auch dem Kuratoriumsvorstand des Deutschen Museums an. Dort wurden unter anderem 80 bayerische Schlösser und Klöster für 3D-Visualisierungen erfasst, um sie im Forum der Zukunft zu präsentieren. Das Virtual Reality-Labor an der Ludwigsbrücke war 2022 allerdings nur wenige Monate lang zugänglich.

Will Technik und Geschichte für junge Leute greifbar und erlebbar machen: Professor Gerd Hirzinger. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zur Projektvorstellung im Radom hielt Hirzinger den Hauptvortrag. Er berichtete etwa, wie sein Institut 1993 weltweit erstmalig einen von der Erde aus gesteuerten Roboter ins All schickte. Mit dem für das Deutsche Museum entwickelten Konzept der Arbeitsgemeinschaft ARGE 3D für ein "Zentrum Digitale Welten" will der 78-jährige Wissenschaftler nun im Radom Technik und Geschichte für junge Leute greifbar und erlebbar machen. So lassen sich die Residenzen von Ludwig II. virtuell begehen, gar dessen Visionen bewundern - wie etwa ein lenkbares Luftschiff, für dessen Entwicklung der Herrscher heimlich Gustav Kochs Forschungen finanzierte. Aber auch reale Meilensteine des technischen Fortschritts gehören als 3D-Modelle zur Schau, wie etwa das erste dampfgetriebene Elektrizitätswerk in Schloss Linderhof, eine Dampflok oder der Zeppelin "Hindenburg".

Wahrzeichen von Raisting: Im Radom können Besucher vom Mai nächsten Jahres an in virtuelle Welten abtauchen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Das Innenleben der roten Antenne im Radom ist tabu für Besucher, kann aber virtuell erkundet werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für René Jakob, Geschäftsführer der Radom Raisting GmbH ist die Zusammenarbeit mit Hirzinger ein Glücksfall. Vor allem, weil sich die Ausstellung ohne finanziellen Beitrag des Landkreises Weilheim-Schongau realisieren lässt. Der ist zwar Eigentümer des denkmalgeschützten Bauwerks, dennoch sind nicht alle Kreisräte stets bereit, dafür Mittel freizugeben. Schließlich liegt Raisting am äußersten Nordrand des Landkreises und ist von den meisten übrigen Kommunen weit entfernt.

Freuen sich auf die neuen Attraktionen (v.li.): René Jakob, Geschäftsführer der Radom Raisting GmbH, Landrätin Andrea Jochner-Weiß und Professor Gerd Hirzinger. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Kreistag stellte Jakob erst kürzlich die Kalkulation vor: Von rund 210 000 Euro für den ersten Abschnitt übernimmt die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern 150 000 Euro, der Rest wird aus Rücklagen der Radom GmbH bestritten. Dennoch wären die virtuellen Welten ohne Sponsoring aus der IT-Industrie nicht zu realisieren. So stellt eine Münchener Firma etwa die Digitalbildschirme mit 4k-Auflösung als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Die Eröffnung der Schau im Raistinger Radom ist für den 24. Mai 2024 geplant.

Den Winter über finden nun Aus- und Weiterbildungen für die Vermittler im Radom statt. Für den 24. Mai ist die Eröffnung der Schau geplant; zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen sind noch keine Entscheidungen gefallen. Der Landkreis will mit einem Museumskonzept von 2026 an bis zu 35 000 Besucher ins Radom locken, ein regelmäßiger Betrieb an 200 Tagen im Jahr wird angestrebt. Heuer haben 11 000 Personen das einzigartige Technik-Denkmal besucht, fast die Hälfte davon kam allerdings zu Veranstaltungen im Außenbereich wie dem "Space Cinema". Bislang steigen die Besucherzahlen nur langsam, mit den "Virtuellen Welten" könnte sich das 2024 erheblich beschleunigen: "Sie werden wiederkommen", rief Jakob den Gästen der Projektvorstellung zu, "das kann ich Ihnen versprechen".

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