Erderwärmung:"Es ist unsere Aufgabe, das Klima zu retten"

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Marina und Elias bekommen beim Pflanzen von Bäumen Unterstützung von Felix Finkbeiner (Mitte), dem Gründer von Plant for the Planet. (Foto: Arlet Ulfers)

Einmal pro Jahr treffen sich die jugendlichen Botschafter für Klimagerechtigkeit der Stiftung "Plant for the Planet" am Starnberger See. Dort mischen sich Wut, Trauer und Hoffnung.

Von Leopold Beer, Pöcking

Miriam und Linus sind wütend. Und traurig. Zumindest wenn sie in die Zukunft blicken: Die Folgen des Klimawandels werden auch in Deutschland zunehmend in Form von Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen spürbar sein. Keine schönen Aussichten. Wütend sind Miriam und Linus, weil die Politik nach ihrer Wahrnehmung den Klimawandel nicht entschlossen genug bekämpft. Um diese Lücke zu füllen, engagieren sich die 14-Jährige und der Elfjährige gemeinsam mit mehr als 100 000 anderen Kindern und Jugendlichen in 76 Ländern als Botschafter für Klimagerechtigkeit bei "Plant for the Planet".

Gegründet wurde Plant for the Planet im Jahr 2007 von Felix Finkbeiner. Im Alter von neun Jahren begann er, Bäume auf der ganzen Welt zu pflanzen. Ziel der Stiftung ist die Wiederherstellung von einer Billion Bäumen auf der ganzen Welt. Der aktuelle Stand: knapp 90 Millionen Setzlinge. Finkbeiner erklärt: "Wir sind stolz auf das, was wir geschafft haben. Aber im Vergleich zu dem, was global notwendig ist, ist das viel zu wenig." Der Schlüssel, um eine Billion Bäume wiederherzustellen, seien Kinder und Jugendliche. Diese möchten Finkbeiner und seine Organisation "empowern", sie also mit Wissen ausstatten. Damit können junge Menschen ihre Zukunft anschließend selbst in die Hand nehmen.

So wie Linus. Er möchte Politikern verdeutlichen, dass der Klimawandel viel schlimmer ist als vielfach angenommen. "Mit dem Klima ist es wie mit einer Vase, die immer weiter an den Tischrand rollt", erklärt er. "Erst einmal passiert nichts, aber irgendwann kracht sie runter. Dann ist sie kaputt und wenn es blöd läuft, kann man sie auch nicht mehr reparieren." Im Vergleich zu Wissenschaftlern, die die Politik schon seit Längerem vor den Folgen des Klimawandels warnen, habe er einen kleinen Vorteil: "Wissenschaftler machen radikale Aussagen, die natürlich stimmen. Aber Kinder sind einfach süßer", sagt er und lacht.

Wie Linus setzt sich auch Miriam für das Klima ein. Die 14-Jährige ist seit sechs Jahren Botschafterin bei Plant for the Planet. Geboren ist sie in Australien, wo sie die Folgen des Klimawandels schon in jungem Alter spürte. Für sie ist das der maßgebliche Grund, sich für den Klimaschutz zu engagieren: "Ich möchte helfen, dass mein Heimatland bewohnbar bleibt."

Linus zeigt, wie gelebter Klimaschutz aussieht: Im Garten der Familie leben Hühner. (Foto: Arlet Ulfers)

Gemeinsam mit 52 anderen Kindern und Jugendlichen im Alter von neun bis 16 Jahren haben sich Miriam und Linus am vergangenen Wochenende zur Kinderkonferenz 2024 in einer Jugendherberge in Possenhofen am Starnberger See getroffen. Dort diskutieren die Botschafter aktuelle Projekte von Plant for the Planet und lernen mehr über den Klimawandel. Bei der Wissensvermittlung verfolgt der Verein einen Peer-to-Peer Ansatz. Felix Finkbeiner erklärt: "Die Teilnehmer sollen nicht von Erwachsenen, sondern von anderen Kindern lernen."

Eine kleine Ausnahme vom Peer-to-Peer Ansatz gibt es dennoch: Am ersten Abend der Kinderkonferenz steht der 26-jährige Finkbeiner den Kindern für alle Fragen zur Verfügung, die den jungen Klimaschützern auf dem Herzen liegen. Etwa ob der Baum einen Namen habe, den Finkbeiner als Ersten gepflanzt hat. "Nein, das sollte er aber. Da können wir uns später einen überlegen", antwortet Finkbeiner.

Es fällt auf, wie viel Neunjährige schon über Photosynthese, Biodiversität und Wiederaufforstung wissen. Da kommt auch Finkbeiner ins Schwitzen. Auf die Frage, wie genau Bäume Samen produzieren, hat er keine Antwort. Gleichwohl zeigt sich im Interview im Anschluss an die Fragerunde deutlich, dass er für viele der Anwesenden ein Vorbild ist. Ob Finkbeiner auf seinem T-Shirt unterschreiben könne, fragt einer der jungen Teilnehmer. Es versteht sich von selbst, dass der Junge sein Autogramm bekommt.

Im Rahmen der Kinderkonferenz der Botschafter von Plant-for-the-Planet erfahren die jungen Menschen mehr über Klimaschutz und Wiederaufforstung. (Foto: Arlet Ulfers)

Im Mittelpunkt der Arbeit von Plant for the Planet steht das Wiederaufforsten von Bäumen. Denn pro Jahr werden weltweit circa zehn Milliarden Bäume abgeholzt. Daher ist Teil der Kinderkonferenz eine gemeinsame Baumpflanzaktion. Die Kinder und Jugendlichen pflanzen 75 Bergahorn-, Buchen- und Birkensetzlinge. Die Lokalität: Eine ehemalige Kiesgrube in Privatbesitz in einem Waldgebiet nahe Tutzing. Unterstützt werden die Umweltschützer dabei von Christian Gick, Diplom-Forstwirt der Waldbesitzervereinigung Starnberg. Mit dem Ergebnis der Pflanzaktion ist Gick sehr zufrieden: "Die Bäume sind gerade gepflanzt, es schauen keine Wurzeln raus und sie sind fest verankert."

Dass Kindern und Jugendlichen mit solchen Aktionen die Aufgabe des Klimaschutzes zufällt, kritisiert Linus. "Ich finde frech, dass wir Kinder uns anstelle der Erwachsenen fürs Klima einsetzen müssen. Aber wenn's sein muss, dann mache ich's halt." Miriam sieht das anders: "Unsere Generation muss mit den Folgen des Klimawandels leben, nicht die Erwachsenen. Natürlich ist ihre Unterstützung wichtig. Trotzdem ist es unsere Aufgabe, das Klima zu retten."

Insgesamt rund 75 Ahorn-, Buchen- und Birkensetzlinge pflanzen die Kinder und Jugendlichen. Damit sind sie dem Ziel von einer Billion wiederhergestellten Bäumen ein Stück näher gekommen. (Foto: Arlet Ulfers)

Dabei könne jeder etwas für den Klimaschutz tun. Denn Umweltschutz beginne immer im Kleinen. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt Linus. Während des Interviews mit dem Elfjährigen hüpfen draußen die Hühner in einem selbst gebauten Unterschlupf herum. "Ich muss zwar regelmäßig den Stall ausmisten, aber dafür haben wir jeden Morgen frische Eier", erzählt er. Zucker, Erbsen, Gurken, Kürbisse und Radieschen baut Linus im familieneigenen Garten nahe dem Pilsensee an. Im Nachbargarten hat er Weiden gepflanzt und ein Bewässerungssystem für die Bäume angelegt. Auch Miriam hat ein paar Tipps für mehr Klimaschutz: "Weniger heizen, weniger Fleisch essen, mehr Fahrrad fahren und immer das Licht ausschalten. Das geht unabhängig vom eigenen Wohlstand."

Manche der Mitschüler von Linus und Miriam sind nicht so umweltbewusst wie die beiden. "Die sollten sich mal klarmachen, welche Folgen der Klimawandel für sie hat", fordert der Sechstklässler Linus. Miriam ergänzt: "Achtet nicht darauf, was andere denken. Sich für die Umwelt zu engagieren ist nicht langweilig. Später profitieren wir davon alle."

Miriam engagiert sich seit sechs Jahren bei Plant-for-the-Planet als Botschafterin und hält Vorträge zum Klimawandel. (Foto: Arlet Ulfers)

Diese Botschaft möchten die jungen Klimaschützer vermitteln. Sie wollen eine hoffnungsvolle Geschichte erzählen. "Wir wollen nicht nur über die Probleme sprechen, sondern Lösungen aufzeigen. Wir wollen Hoffnung schaffen", erläutert Felix Finkbeiner. Hoffnung gebe etwa, dass die zentralen Technologien zur Verhinderung der Klimakrise viel günstiger geworden sind. Solarpanels beispielsweise seien in den Kosten pro Kilowattstunde in den vergangenen zwanzig Jahren um 95 Prozent günstiger geworden. "Heutzutage die Klimakrise zu verhindern, ist viel günstiger als wir uns das noch vor 20 Jahren hätten erträumen können", resümiert Finkbeiner.

Die Hoffnung ist bei Veranstaltungen wie der Kinderkonferenz in Possenhofen greifbar. "Mit den vielen Leuten hier können wir den Umschwung im Klimaschutz hinbekommen", freut sich Botschafterin Miriam. In den wenigen Tagen der gemeinsamen Ideensammlung für eine umweltfreundlichere Zukunft sind Wut und Trauer der Hoffnung und Zuversicht gewichen.

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