Alexis Katechakis gehört für die kommenden drei Jahre dem deutschen Vorstand der von der UN ausgerufenen Ozeandekade (ODK) an. In Seefeld und München bietet der promovierte Meeresbiologe mit seiner Firma Fors-Earth Nachhaltigkeitsberatung für Organisationen, Vereine und Konzerne an. Die SZ sprach mit ihm über die Ziele seiner ehrenamtlichen und geschäftlichen Tätigkeiten.
SZ: Sie sind Geschäftsführer einer Firma mit rund 30 Mitarbeitern und nun auch noch ehrenamtlich gefordert. Wie groß schätzen Sie den zusätzlichen Arbeitsaufwand für die UN-Ozeandekade ein?
Alexis Katechakis: Dafür werde ich wohl im Durchschnitt einen halben Tag pro Woche benötigen. Außerdem werde ich drei bis vier Mal im Jahr zu Sitzungen nach Kiel oder Hamburg reisen.
Hat sich die UN konkrete politische Maßgaben für die Dekade bis 2030 vorgenommen?
Ja, es gibt diverse Ansätze. Einige Beispiele: Vergangenes Jahr wurde nach vielen Jahren Verhandlung endlich ein Abkommen zum Schutz der Hohen See ratifiziert - ein bislang mehr oder weniger rechtsfreier Raum. Bereits ein Jahr zuvor vereinbarten die UN-Vertragsstaaten, bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Meeresfläche unter Schutz zu stellen. Dieses Ziel wird auf EU-Ebene in das sogenannte EU-Renaturierungsgesetz übersetzt. Weitere Maßgaben betreffen die Nutzung oder Nichtnutzung der Tiefsee oder der Arktis.
Was sind denn nun genau die Aufgaben des neuen Vorstands?
In den ersten drei Jahren hat das ODK Bildungsprojekte und Nachwuchsförderung begleitet und ein Netz aus mittlerweile etwa 80 Partner-Institutionen aufgebaut sowie eine bessere Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft angeregt. Jetzt sollen konkrete Projekte mit Finanzierungskonzepten entwickelt werden.
Bei der Aktivierung von Unternehmen können die Verbindungen nützlich sein, die ihre Firma Fors-Earth zur Wirtschaft hat. Worin sehen Sie noch ihre persönlichen Kernkompetenzen?
Mit meiner Erfahrung aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kommunikation möchte ich vor allem zu den Zielen "sauberer, produktiver und inspirierender Ozean" der UN-Dekade beitragen. Die Ziele sauberer und produktiver Ozean sind eng mit dem Kerngeschäft vieler Unternehmen verknüpft. Zur Inspiration zählt, ein Bewusstsein für die Schönheit der Meere zu fördern und einen sinnlichen Zugang zum Thema zu schaffen - etwa über die Künste. 2023 hat Fors-Earth deshalb eine Ausstellung der Künstlerin Vicky Lardschneider veranstaltet und dazu die bekannte Ozeanografin und Klimaforscherin Karin Lochte zum Gespräch eingeladen.
Ihre Firma berät so unterschiedliche Kunden wie den FC Augsburg, die Hamburger Wasserversorgung und bayerische Umweltbehörden, aber auch Finanzdienstleister, Chemie-, Auto- und Einzelhandelskonzerne. Besteht da nicht die Gefahr, von börsenorientierten Unternehmen als reines Marketinginstrument missbraucht zu werden?
Unser Claim ist: "Wir arbeiten für die, die es ernst meinen." Da gibt es zwei Ansätze: Einerseits, den ökologischen und sozialen Footprint zu verringern, und zum Zweiten zu fragen, welchen Nutzen eine Firma für die Nachhaltigkeit erbringen kann. Daher arbeiten wir gerne mit großen Unternehmen zusammen, denn wenn die sich verändern hat das "Wumms", also messbare Auswirkungen auf den Markt weltweit. Ich verfolge gerne den subversiven Ansatz, Unternehmer oder Vorstände "umzupolen" und für den Weg der Nachhaltigkeit zu begeistern.
Im Portfolio von Fors-Earth finden sich Autohersteller, die in ihrer Imagewerbung mit Zukunftssicherung und Klimaschutz prahlen. Ihre Gewinne aber fahren sie mit möglichst teuren, großen und schweren Fahrzeugen ein, die tiefe ökologische Fußabdrücke hinterlassen. Ist es nicht naiv zu glauben, dass die Aktionäre auf einen Teil des Verdienstes zugunsten von Nachhaltigkeit verzichten?
Natürlich fällt es einem börsennotierten Konzern schwer, einen positiven Gesellschaftsbeitrag über die Profitmaximierung zu stellen. Immer häufiger aber handelt es sich nicht um einen "Verzicht zugunsten von Nachhaltigkeit", sondern um "Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor für die Geschäftsentwicklung". Wenn es nur darum geht, einzelne Projekte zu machen, um eine gute Story für das Marketing oder die PR zu generieren, steigen wir aus.
Aber Fors-Earth wirbt auch mit Kommunikationstrainings für MAN-Marketingleute. Deren Ziel war, den Fahrzeugkonzern "als Erfolgsbeispiel im Bereich Dekarbonisierungskommunikation zu positionieren". Klingt wie Beihilfe zum Greenwashing.
Bei MAN ging es darum, Begriffe wie "klimaneutral" zu hinterfragen und zu vermeiden, weil sie für das Unternehmen nicht richtig sind. Es geht also genau um das Gegenteil von Greenwashing, das auch ungewollt entstehen kann, wenn komplexe Themen wie der Klimawandel nicht verstanden worden sind.
Aber steht der Wunsch der mächtigen Automobilkonzerne auf ungehemmtes Wachstum des Individualverkehrs nicht grundsätzlich im Widerspruch zum nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen?
Mobilität ist ein gesellschaftliches und individuelles Grundbedürfnis. Ziel einer strategischen Geschäftsentwicklung zur Nachhaltigkeit sollte auch sein, andere Mobilitätskonzepte anzubieten: Die Konzerne könnten etwa anstelle von Autos Personenkilometer verkaufen. Die Fahrzeuge blieben im Eigentum des Herstellers, der sie wartet, betankt oder auflädt - und so besonderes Interesse an Langlebigkeit, Wartungsfreundlichkeit und geringem Verbrauch hat. Und die Nutzer würden vor jedem Einsatz abwägen, ob sie auf das Auto zugreifen.
Gibt es auch gesetzliche Steuerungsinstrumente, die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit anhalten sollen?
Ja, viele. Neue Berichterstattungspflichten auf EU- und Landesebene fordern etwa, dass Unternehmen Stellung beziehen müssen, wie sie unsere natürlichen Lebensgrundlagen nutzen und wie sie zum Erhalt von Biodiversität und Ökosystemen beitragen können. Hierzu gehören auch Wasserverbrauch und Meeresressourcen.
Ist Ihr eigener Betrieb auch in einem Meeresschutzprojekt engagiert?
Ja, wir unterstützen unter anderem "Aegean Rebreath". Die griechische NGO arbeitet als demokratische Initiative mit örtlichen Fischern, Kommunen, Schulen und Firmen zusammen, um Meeresgrund und Strände von Müll zu reinigen. Sie widmet sich dem Abfallproblem auch ganzheitlich, indem sie Forschung und Erziehung zur Kreislaufwirtschaft fördert.