Gesundheit:Die Psyche heilen in Kloster-Atmosphäre

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Der Umbau des Klosters in eine Reha-Klinik kommt voran. Davon überzeugen sich die Geschäftsführer der Klinik, Michael Kneis (li.) und Clemens Guth. (Foto: Nila Thiel)

Das Dießener Stift wird zur psychosomatischen Klinik umgebaut. Die neuen Chefärzte haben bereits mit ihrer Arbeit begonnen. Im Frühjahr 2018 sollen die ersten Patienten kommen.

Von Armin Greune, Dießen

Als die Artemed-Gruppe 2014 das Augustiner-Chorherrenstift Dießen von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul in Erbpacht übernahm, waren die Geschäftsführer recht optimistisch: Sie hofften, 2016 die ersten Patienten in ihrer Klinik für psychosomatische Erkrankungen aufnehmen zu können. Inzwischen musste der Zeitplan mehrmals revidiert werden, doch im kommenden Frühjahr soll die Eröffnung stattfinden. Die medizinische Leitung des Hauses nimmt schon zum Jahreswechsel die Arbeit auf: Chefarzt Bert te Wildt und Sabine Dornhofer als Leitende Oberärztin müssen vorab Arbeitsabläufe festlegen, Therapieprogramme ausarbeiten, Kontakte mit niedergelassenen Ärzten und Krankenkassen knüpfen.

Für den Chefarzt-Posten waren mehr als 30 qualifizierte Bewerbungen eingegangen, sagt Artemed-Direktor Clemens Guth, der als einer der beiden Geschäftsführer in Dießen fungiert: "Es gab eine irre Resonanz auf die Ausschreibung." Die Position in Dießen ist in mehrfacher Hinsicht attraktiv: Der Aufbau eines Klinikbetriebs ist zwar eine Herausforderung, bietet aber mehr Gestaltungsmöglichkeiten als in bestehenden Einrichtungen. Dazu kommt der einzigartige Charme des denkmalgeschützten Gebäudes am Marienmünster, das mit Liebe zum Detail und Respekt vor der Historie saniert wird. Das Fünfseenland als attraktives Lebensumfeld hat wohl auch zur großen Zahl der Bewerber beigetragen.

Für Sabine Dornhofer ist das nicht neu: Sie lebt bereits in Dießen und hat bislang als Oberärztin der Schön-Kliniken Starnberger See und München gearbeitet. Dornhofer ist Spezialistin für Essstörungen. Bert te Wildt leitete fünf Jahre lang die Ambulanz der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Bochum. Er gilt als Deutschlands führender Experte für Internetabhängigkeit und hat unter anderem das Buch "Internet Junkies" verfasst. In Dießen soll er seine Forschung über Mediensucht fortsetzen.

In der Klinik werden in vierwöchigen Aufenthalten vor allem Depressionen, Burn-Out-Syndrome, Panikattacken und posttraumatische Störungen behandelt. Bereits vor der Eröffnung des Hauses soll in Dießen eine psychosomatische Ambulanz bereit stehen. Zur offiziellen Einweihung ist ein Fachsymposium mit Experten und Medizinern aus der Umgebung geplant. Danach wird der reguläre Betrieb mit einer der drei Bettenstationen, die je ein Obergeschoss einnehmen, aufgenommen und sukzessive erweitert.

Bis dahin müssen noch viele Arbeiten abgeschlossen werden. Derzeit sind etwa 60 Handwerker vor allem im Innenausbau beschäftigt. Einrichtung, Gartenanlagen und der Aufbau des Wintergartens fehlen noch komplett. Die Arbeiten an Gemäuer, Fassade und Fenstern sind inzwischen abgeschlossen, sagt Michael Kneis, der zweite Dießener Geschäftsführer. Wo immer es möglich war, wurde versucht, die Klostersubstanz zu erhalten: "Die 350 Fenster kennen wir alle namentlich", sagt Kneis lachend, der die Baustelle "als Hobby" für sich entdeckt haben will. Etwa die Hälfte der Fenster wurde saniert, die anderen stilecht in einer Dießener Schreinerei nachgebaut. Auch im für den Denkmalschutz irrelevanten Innenausbau wurden etwa Türstöcke und -blätter weitgehendst übernommen.

Dahinter wurden jeweils drei Klosterzellen zu zwei mit einem Bad verbundene Patientenzimmer umgebaut. 90 sind es insgesamt, maximal 98 Betten können untergebracht werden. Weite Gänge und viel Licht aus dem Innenhof prägen den Eindruck. Anstatt die maximale Belegungsdichte anzustreben, "wollten wir ganz bewusst die Atmosphäre eines Klosters beibehalten", sagt Guth. Schon immer sei die Anlage ein Ort der Kontemplation gewesen und biete so ein Ambiente, dass sich für erholungsbedürftige Patienten vielleicht besser eigne, als ein hochmoderner und funktionaler Neubau. Ein Glücksfall sei auch gewesen, dass Artemed Hans Neuer als Architekten zur Hand hat, der nicht nur über Erfahrungen im Klinikbau, sondern auch bei Kirchensanierungen verfügt.

Im Erdgeschoss werden zwölf Einzel- und drei Gruppentherapieräume sowie Arzt- und Behandlungszimmer untergebracht. Das helle und geräumige Bügel- und Nähzimmer der Klosterschwestern wird zum Raum für Körpertherapie umgebaut, außerdem entsteht eine großzügige Bibliothek mit abgeteiltem Kaminzimmer als Aufenthaltsraum für die Patienten. Ins Souterrain, wo einst eine der größten Hostienbäckereien Deutschlands war, kommen Küche und Speisesaal, der mit einem Wintergarten erweitert wird.

Im Keller wartete die einzige positive Überraschungen auf die Bauherren, denn über verschachtelten Technikräumen kam ein schönes altes Gewölbe zum Vorschein. Ansonsten verbargen sich im alten Gemäuer viele Widrigkeiten, die den Umbau auf zweieinhalb Jahre in die Länge zogen. So wurden etwa im Untergeschoss neue Fundamente gegossen und für die Statik zahlreiche Stahlträger eingezogen. "Es muss im Kloster auch mal gebrannt haben", sagt Kneis, denn man habe viele verkohlte Balken vorgefunden, die auszubessern und abzustützen waren.

Bis auf einen großen Parkplatz sollen Innenhof und Außenanlagen als Park mit Brunnen und Orangerie für die Patienten gestaltet werden. Derzeit müssen jedoch alle Freiflächen noch als Baustellenzufahrt und Materiallager dienen. Im vormaligen "Haus der Begegnung" der Klosterschwestern werden 20 Ein- und sechs Zweizimmerwohnungen für Mitarbeiter eingerichtet. Eine glücklicher Fügung angesichts des Mangels an preiswertem Wohnraum im Fünfseenland, findet Kneis. Für die etwa 100 Stellen seien 247 Bewerbungen eingegangen, alle leitenden Positionen sind schon vergeben. Nur der Chefkoch muss noch gefunden werden, gerade findet dazu ein Probekochen statt.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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