Soziales Wohnprojekt:Zuflucht für benachteiligte Jugendliche

Lesezeit: 3 min

Lodenfrey-Geschäftsführer Klaus Faust lässt die Maisinger Mühle umbauen und richtet darin therapeutische Wohngruppen für benachteiligte Jugendliche ein. (Foto: Georgine Treybal)

Lodenfrey-Geschäftsführer Klaus Faust lässt die historische Maisinger Mühle umbauen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Eigentlich sollten schon im April die ersten Bewohner einer therapeutischen Wohngruppe für benachteiligte Jugendliche in die Maisinger Mühle einziehen. Doch die Sanierungsarbeiten haben sich durch einen Brand verzögert. Jetzt steht noch der Kran und die Bauarbeiter werkeln auf dem Dach. Eigentümer Klaus Faust ist dennoch zufrieden. "Wir hatten Glück im Unglück, der Schaden ist nicht allzu hoch." Es habe lediglich im Treppenhaus gebrannt. Die zwei Wohnungen, die Faust an den Verein hpkj (heilpädagogische-psychotherapeutische Jugendhilfe München) vermietet hat, seien spätestens im Mai fertig. Im Anbau des Gebäudes könnte später noch eine Senioren-WG einziehen.

Der geschäftsführende Gesellschafter der Münchener Modefirma Lodenfrey hat das geschichtsträchtige Maisinger Anwesen im Herbst 2018 gekauft, um Kindern und Jugendlichen, die in ihren Ursprungsfamilien nicht leben konnten, ein sicheres Zuhause zu bieten. In der Maisinger Mühle sollen sie wieder mit ihren Eltern zusammengebracht werden. Für die Angehörigen sind Appartements unter dem Dach vorgesehen.

Die Umsetzung der Pläne war alles andere als leicht, denn nach mehreren Eigentümerwechseln sollte die Mühle, die laut dem Pöckinger Dorfchronisten Leonhard Poelt erstmals 1182 urkundlich erwähnt wurde, abgerissen werden. Das wollte Faust verhindern. "Ich wollte die alte Substanz erhalten und ein Aktivitätszentrum für Jung und Alt schaffen" betont er. Es soll ein Gemeinnütziges Projekt werden, mit dem er keinen Gewinn erzielen will. Es soll lediglich kostendeckend sein.

Faust verbindet mit dem Anwesen Jugenderinnerungen

Faust nennt es einen Zufall, wie er im Leben manchmal passiert, als er im Sommer 2018 während einer Radtour von einem Maisinger Bauern erfahren hat, dass die Mühle zum Verkauf stehe. Weil ihn viele Kindheits- und Jugenderinnerungen mit dem Anwesen verbinden, hat er sich spontan zum Kauf entschlossen. Das großzügige, etwa 8000 Quadratmeter große Areal, das teilweise im Landschaftsschutzgebiet liegt, hatte früher einmal seinem Stief-Großvater gehört. Faust kann sich noch gut an die Familienfeste auf dem Anwesen erinnern. "Ich habe auf dem Grundstück das Autofahren gelernt", erzählt er.

Da ein Vorbesitzer jedoch einen Abriss geplant hatte, war vor etwa 20 Jahren der Bebauungsplan geändert worden. Es sollten zwei Doppelhäuser entstehen. In einem langwierigen Verfahren musste nun der Bebauungsplan erneut geändert und die ursprüngliche Nutzung als Mehrfamilienhaus mit sieben Wohnungen auf einer Wohn/Nutzfläche von etwa 1000 Quadratmetern wieder hergestellt werden. Neben den therapeutischen Wohngruppen in den oberen Stockwerken gibt es einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss sowie Büros und Familienappartements im Dachgeschoss. Im Nebengebäude sollen Senioren einziehen, die nicht alleine leben wollen. Sie könnten beispielsweise einen Garten anlegen und selbst Gemüse anbauen. "Unser Ziel ist es Alt und Jung zu mischen", so Faust. Aber auch der Ausbau mit regenerativer Energie, wie Photovoltaik, Thermosolar und Pelletheizung sowie Ladestationen für E-Autos ist dem Unternehmer wichtig.

Auch die österreichische Kaiserin Elisabeth soll dort einst eingekehrt sein

Für seine Pläne hat Faust von den Maisingern unisono ein sehr positives Feedback bekommen. Sie seien froh, dass kein Bauträger komme, sondern die "Untere Mühl", die zu den ältesten Anwesen im Dorf gehört, erhalten bleibe. Wie in dem Buch über Pöcking "Milli und Sterz" nachzulesen ist, war 1403 ein Jakob Mullner als Eigentümer eingetragen. Damals gehörte zu der Mühle eine Landwirtschaft mit Ställen, Schuppen und einem Badehaus, später kam ein Sägewerk hinzu. 1880 hat der Müller Sebastian Bartl eine Konzession für eine Bierwirtschaft beantragt, in der die Bauern warten konnten, bis ihr Brotgetreide fertig gemahlen war. Sogar die österreichische Kaiserin Elisabeth soll dort während ihrer langen Ausritte eingekehrt sein, wenn sie im Feldafinger Hotel Strauch zu Gast war. Bis 1886 soll die sehr einfach eingerichtete Wirtschaft angeblich das Lieblingscafé von Kaiserin Sisi gewesen sein, die auf Schloss Possenhofen aufgewachsen ist und dort regelmäßig ihre Familie besuchte. So zumindest erzählt man es sich in Maising. Die Wirtschaft wurde 1935 geschlossen, die Mühle 1953. Dann wechselte das Anwesen immer wieder die Besitzer und verfiel so stark, dass es nicht mehr zu retten war. Davon sei zumindest der Makler überzeugt gewesen, der es an ihn verkauft habe. Wie Faust festgestellt hat, müsste ein Teil des Gebäudes Jahrhunderte alt sein. Denn die Wände bestehen nicht aus Ziegeln, sondern aus Feldsteinen. Für sein Sozialprojet hat Faust nun einen Verein gegründet, den "Maiki e.V." (Maisinger Kinderverein), um Spenden sammeln zu können, beispielsweise für Spielgeräte. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg könnte der Unternehmer sich aber auch eine Zwischenlösung vorstellen. Einen Teil des Gebäudes könnte er für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. "Nach dem Zweiten Weltkrieg waren hier mindestens 50 Flüchtlinge einquartiert. So könnte sich der geschichtliche Kreis schließen", betont der Unternehmer.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: