Literatur:Die heimlichen Reisen des Kaisers

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Für ihr Buch "Der Kaiser reist inkognito - Joseph II. und das Europa der Aufklärung" wird Monika Czernin ausgezeichnet. (Foto: Nila Thiel)

Zuerst schrieb Monika Czernin Erziehungsratgeber. Jetzt erhält die Urenkelin von Oskar von Miller den renommierten "Friedrich-Schiedel-Literaturpreis" für ihre historische Biografie über den Habsburger Joseph II.

Von Sabine Bader, Tutzing

Die Nachricht kommt profan - per E-Mail. Doch Monika Czernin ist gleich klar, dass sie sich zurecht glücklich schätzen kann: Den ihr zuerkannten Preis haben vor ihr sehr namhafte Schriftsteller und Persönlichkeiten - von Golo Mann über Helmut Schmidt bis hin zu Arno Geiger - erhalten: den "Friedrich-Schiedel-Literaturpreis". Er ehrt Autoren für ihre Werke, wenn diese jene seltene Kombination von literarischer Qualität und historischer Akkuratesse aufweisen. "Es hat mich so wahnsinnig gefreut, als ich erfahren habe, dass ich diesen Preis kriegen werde. Ich war hin und weg und unglaublich gerührt darüber, dass mir exakt für diese Formel ein Preis verliehen wird, die ich jetzt seit vielen Jahren in meinen Büchern versuche zu verwirklichen."

Die Auszeichnung 2023 erhält Czernin für ihr Werk "Der Kaiser reist inkognito - Joseph II. und das Europa der Aufklärung". Darin zeichnet die Autorin die Reisen Josephs II. (1741 - 1790) nach, der inspiriert von der Aufklärung ohne großes Gefolge möglichst "unerkannt" von den Nöten der Bevölkerung erfahren und neue Erkenntnisse für den Aufbau eines modernen Staatswesens gewinnen will. Im Fokus ihrer Ausführungen stand dabei, was die Erlebnisse mit Joseph II. gemacht haben. Monika Czernin gelingt es, diesen außergewöhnlichen Herrscher, der seiner Zeit weit voraus war, für den Leser heran zu zoomen und erlebbar zu machen. Der Literaturpreis wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit 10 000 Euro dotiert. Im September wird er in Bad Wurzach offiziell verliehen.

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Monika Czernin ist 58 Jahre alt, kommt aus dem gesellschaftspolitischen Journalismus, hat im Korrespondentenstudio für das Fernsehen des Österreichischen Rundfunks (ORF) in Berlin gearbeitet, erlebte dort den Fall der Mauer und interviewte auch Václav Havel. "Nie hat man Geschichte besser miterleben können als in diesen Momenten." Obwohl sie geschichtliche Themen schon damals sehr interessiert haben - die französische und die russische Revolution vor allem -, hat sie noch eine ganze Weile nicht über historische Stoffe geschrieben.

"Angefangen hat das Schreiben über historische Themen mit dem Buch über meine Ururgroßtante Nora Gräfin Kinsky." Der Titel: "Ich habe zu kurz gelebt." Die Gräfin kontrollierte im Ersten Weltkrieg in russischen Kriegsgefangenenlagern die Einhaltung der Haager Landkriegsordnung - für eine Frau in der damaligen Zeit eine höchst ungewöhnliche Mission. Das Ganze beruhte auf einer übernationalen Initiative der Zarin Mutter gemeinsam mit Max von Baden, der für das Deutsche Rote Kreuz zuständig war, und dem Dänischen Roten Kreuz. Gräfin Kinsky war jung, unerschrocken und sprach acht Sprachen. Sie war also genau die Richtige für diese Mission. Das Tagebuch der Gräfin diente Czernin als Grundlage für das Buch. Ihr Vater hatte es ihr gegeben. "Das Biografische und das historische Panorama haben mich an diesem Thema fasziniert."

Neben Nora Gräfin Kinsky gehört zu Czernins Verwandtschaft eine ganze Reihe adliger Häupter. Darunter sind auch Czernins Urgroßeltern: Oskar von Miller, der Gründer des Deutschen Museums, und dessen Frau Marie. Die Familie von Miller war erst unter Ferdinand von Miller, dem berühmten Erzgießer und Erbauer der Münchner Bavaria, in den Adelsstand erhoben worden. Über ihre Urgroßmutter Marie von Miller, hat Monika Czernin ebenfalls ein Buch verfasst. Denn sie war eine besonders talentierte Malerin, die zur damaligen Zeit als Frau nicht an der Akademie studieren durfte, sich stattdessen ihrem Mann Oskar unterordnete und ihm einen großbürgerlichen Haushalt führte, obwohl sie um ihr herausragendes Talent wusste. "Dieses Buch habe ich vor allem für die ganzen Mädchen und jungen Frauen in unserer Familie geschrieben", sagt Czernin, "denn ich wollte, dass sie wissen, welch' langen Weg wir Frauen gegangen sind". Heute stehen die jungen Frauen zum großen Teil voll im Berufsleben, gründen Startups, sind couragiert und selbstbewusst.

Die historische Villa der Familie von Miller in Niederpöcking befindet sich weiter in Familienbesitz und wird gerade umfassend nach denkmalschützerischen Vorgaben renoviert. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Czernin ist nicht ausschließlich Schriftstellerin. Sie ist auch Filmemacherin und legt großen Wert darauf, beides gleichsam mit Nachdruck zu verfolgen. Ganz nach dem Motto: Es lebe die Abwechslung. Sie hat Filme gemacht über Atatürk und Maria Theresia, über Theodor Herzl, den Vordenker der Staatsgründung Israels, ebenso wie über Viktor Frankl, den Erfinder der Logotherapie und Existenzanalyse.

Monika Czernin stammt aus Österreich, ist in Klagenfurt geboren. Sie studierte in Wien Pädagogik, Politikwissenschaften, Philosophie und Publizistik. Zu ihrer Vita gehört auch eine bayerische Mutter - eine Enkelin Oskar von Millers -, die in Niederpöcking im Familiensitz der Millers aufwuchs. Als Czernins eigene Tochter sechs Jahre alt ist, zieht auch sie mit ihr in die Miller'sche Villa ein. Das denkmalgeschützte Haus ist auch heute noch im Besitz der Familie. Zwei Cousins von ihr haben es übernommen und renovieren es derzeit nach allen Regeln der denkmalpflegerischen Kunst. Monika Czernin lebt jetzt in Tutzing. Ihre Tante, die ebenfalls mit ihr in der Villa wohnte, lebt weiter in Niederpöcking.

Und da ist noch eine Seite in Monika Czernins Werdegang: Sie hat auch Erziehungsratgeber geschrieben. Ihr erstes Buch war eine Art Brieftagebuch über die ersten beiden Jahre ihrer Tochter Helena. Sein Titel "Jeder Augenblick ein Staunen". Darin beschreibt sie die Entwicklung ihres Kindes. Heute sagt sie darüber: "Ich bin mir die meiste Zeit so vorgekommen wie die Assistentin einer Forscherin, die die Forschungsanordnungen hin- und wieder wegräumen muss." Es folgten die Werke "Glückliche Scheidungskinder" und "Jugendjahre", zwei Bücher, die sie gemeinsam mit dem Schweizer Kinderarzt, Autor und Entwicklungsmediator Remo H. Largo geschrieben hat. Eine Zusammenarbeit, aus der auch eine Freundschaft in schöpferischer Hinsicht erwuchs.

Ihre kleine Tochter rief bei Remo H. Largo an

Übrigens war es ihre damals noch sehr kleine Tochter, die Largo mutig anrief und ihn fragte, ob er nicht ein Vorwort zum ersten Buch ihrer Mutter schreiben wolle. Er wollte. Das Buch "Glückliche Scheidungskinder" hat auch einen persönlichen Hintergrund. Als die gemeinsame Tochter vier Jahre alt war, trennten sich Czernin und ihr damaliger Mann. Das Buch ist für Eltern gedacht, die vor einer Trennung stehen und alles versuchen, dass ihre Kinder diese schwierige Zeit möglichst unbeschadet überstehen.

Heute ist ihre Tochter 26 Jahre alt, eine couragierte junge Frau und selbst Gründerin eines Startups. Remo H. Largo ist vor zwei Jahren gestorben. Derzeit schreibt Czernin eine Biografie über ihn, die im November erscheinen soll. Largo war ein Mentor für sie: Er habe stets an sie geglaubt und sie persönlich sowie als Autorin weitergebracht.

Monika Czernin hat das Fünfseenland und den Starnberger See lieben gelernt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Und zum Starnberger See sagt Czernin: "Ich hab' mir nie gedacht, dass ich nach Bayern kommen würde. Aber in all den Jahren ist mir das Fünfseenland so wahnsinnig ans Herz gewachsen, dass ich mich jetzt hier auch wirklich zuhause fühle."

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