Lichtspaziergänge am Ammersee:Die vierte Dimension

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Lichtspiele am Ammersee: In Utting-Holzhausen illuminiert Vanessa Hafenbrädl das Künstlerhaus Gasteiger für einen Lichtspaziergang. (Foto: Georgine Treybal)

Einst galt die Künstlerkolonie Scholle in Holzhausen als idyllischer Treffpunkt der Bohème, nun hat eine imposante Multimedia-Schau die Kulturtage im Landkreis Landsberg bereichert.

Von Armin Greune, Utting

Das Haus von Anna-Sophie und Mathias Gasteiger im Uttinger Ortsteil Holzhausen gilt als Keimzelle der Künstlerkolonie Scholle am Ammersee-Westufer. Von 1907 an entstand im Park am See ein Häuschen mit Atelier, das zum Treffpunkt der Münchener Boheme wurde. Nun hat die Dießener Videokünstlerin Vanessa Hafenbrädl für diese Kulisse eigens eine Licht- und Klanginstallation konzipiert, die sich mit der Historie des Anwesens auseinandersetzt. Am Donnerstag- und Freitagabend lud der Landkreis Landsberg im Rahmen der Kreiskulturtage dort zu zwei "Lichtspaziergängen" ein.

Mit nur vier Projektoren und der Unterstützung von Tonspuren mit der Münchner Künstlerin Anna McCarthy gelang es Hafenbrädl, das vertraute Künstlerhaus in einer vierten, magisch-mystischen Dimension erscheinen zu lassen. Auf dem Forellenteich und übers Schilf tasten sich radiale Lichtfinger zur Hauswand und auf eine Leinwand am gegenüberliegenden Ufer. Dort leuchten im ständigen Wechsel tanzende Schemen oder verfremdete Frauengesichter, für die Scholle-Gemälde verarbeitet wurden. Auf der dem See zugewandten Seite des Hauses kommen und gehen hippieske Farbmuster, die Hafenbrädl aus den Blumenstillleben Anna-Sophie Gasteigers komponiert hat. Im Atelierzimmer rotiert ein unebener Glasquader durch den Strahl eines Diaprojektors, dabei huschen vergängliche Lichtwesen über die Wände. Und im Salon ist eine raffinierte Projektion zu bestaunen, die mit Hilfe des mundgeblasenen Spiegels und unter Einbeziehung des Kronleuchters Gasteigers Blumenporträts zu kaleidoskopischen Vexierbildern bricht. Dazu trägt McCarthy in ihrer Toncollage nachempfundene Alltagsszenen aus dem Künstlerhaus vor. "Oh wie schön..." lässt sie Anna-Sophie immer wieder naiv aufseufzen, wenn sie vom eigenen Park, Blumen und Farben oder dem Heiligen Berg schwärmt. Wie zerbrechlich dieses Kaffeekränzchen-Idyll ist, wird auch im Klatsch deutlich, wenn vom Nachbarn Eduard Thöny die Rede ist, der seinem Künstlerkollegen Thomas Theodor Heine Nazischläger ins Haus geschickt hat. Oder wenn plötzlich im Sirenen aufheulen, weil Krieg ist.

Und auch im Freien stellt McCarthys Instrumental-Soundtrack das Idyll, den so farbenfroh illuminierten Garten Eden in Frage. Mit den düsteren Klängen der Glasharfe erzeugt sie eine unheilschwangere Atmosphäre, die einem bewusst macht, wie gerade auch unser weitgehend unbeschwertes Dasein bedroht ist.

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