Starnberg:Die Illusion eines Cello-Konzerts

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Im alten Wartesaal des Bahnhofs am See beginnt ein außergewöhnliches Kulturprojekt zur Weihnachtszeit. Musik und Lesungen sind dort per Video-Projektion und QR-Code zu verfolgen. Ein Event mit Corona-Abstand

Von Blanche Mamer, Starnberg

Eines der großen Bogenfenster zum König-Ludwig-Salon im historischen Bahnhofsgebäude in Starnberg steht weit offen und gibt den Blick frei auf eine Cello-Spielerin. Die Frau sitzt hinten im Raum vor einem roten Vorhang, dessen Falten in die Struktur der Holztäfelung übergehen. Cellistin Kristin von der Goltz ist aber nicht selbst anwesend, auch wenn es so aussieht, sondern Teil einer optischen Täuschung.

Etwas später nimmt der Schauspieler und Sprecher Peter Weiß auf einem Sessel Platz und liest Wintergedichte. Die beiden sind die Hauptakteure der "musikalisch-lyrischen Rauminstallation durch fünf Fenster", die an diesem Samstag im Starnberger Kulturbahnhof Premiere feiert.

Ein besonderes Event zu Weihnachten unter den speziellen Bedingungen der Corona-Pandemie, das wollten die Kulturmanagerin Petra Brüderl und die Kulturräume-Organisatorin Elisabeth Carr den Starnbergern in diesem Jahr bieten. Resultat ihrer Überlegungen ist ein Projekt mit dem Titel: der "Winterliche Wunder Warte Saal", für den der Besucher keine 2- oder 3-G-Regel zu beachten braucht, denn die Video-Projektionen von der Medienkünstlerin Manuela Hartel können nur von außen betrachtet werden, eben durch die fünf großen Fenster. Offen stand das Fenster tatsächlich nur für die Pressevorstellung und das Fotoshooting mit den Protagonisten.

Beim Blick durchs Fenster sind Lesungen und Konzerte im Wartesaal zu sehen. (Foto: Nila Thiel)

"Es freut mich sehr, dass wir nach so langer Zeit den wunderschönen Raum wieder bespielen können und eine so großartige Illusion schaffen konnten", sagte Elisabeth Carr bei der Vorstellung. In dem dunkel getäfelten Warte- und Empfangssaal für allerhöchste Gäste hätten König Ludwig II., Kaiserin Sisi oder Richard Wagner auf ihren Zug gewartet. Dann meint sie noch, das Projekt sei eine echte Herausforderung gewesen, "zumal wir nur eineinhalb Wochen für die Vorbereitung hatten".

Mit Kristin von der Goltz und ihrem Barockcello sei vor genau zehn Jahren der königliche Wartesaal als Ort der Kultur eingeweiht worden. Und nun sei es eine besondere Freude, dass die weltweit renommierte Cellistin für das Weihnachtskunstwerk gewonnen werden konnte. Mit ihr dabei ist Andreas Küppers, der ein Lautencembalo spielt. Auf dem Programm der Musiker stehen Werke von Johann Ernst Galliard: das Adagio aus der Sonata V in D-Moll, die Sarabanda, Sonate I in D-Dur und Siciliana aus Sonate V in D-Moll. Lauschen kann man der Musik, indem man einen an der Tür angegebenen QR-Code mit dem Smartphone scannt.

Beteiligt sind an diesem Kunstprojekt in Starnberg (von links) die Medienkünstlerin Manuela Hartel, der Schauspieler und Sprecher Peter Weiß, Kulturmanagerin Petra Brüderl und die Kulturräume-Organisatorin Elisabeth Carr. (Foto: Nila Thiel)

Auch die Lyrik, die Peter Weiß vorträgt, kann man mit Hilfe des Codes anhören. Er liest von Philipp Runge "Es blüht eine blaue Blume", "Der erste Schnee" von Mascha Kaléko, "Nebelland" von Ingeborg Bachmann, "Wann fängt Weihnachten an" von Rolf Krenzer, "Nebelabend" von Erich Fried und "Neujahrslied" von Johann Peter Hebel.

Elisabeth Carr und Petra Brüderl sind sichtlich zufrieden mit dem Weihnachtsevent. Besonders gut gelungen sei die Verbindung zwischen dem Raum, der Video-Installation und den Künstlern, schwärmt Carr. Egal ob Schneebilder über die Wände rieseln oder Bänder vor dem fiktiven Thronsessel wehen, die Illusion ist perfekt.

Vier Stunden täglich lädt der winterliche Wartesaal vom kommenden Samstag an zum Bestaunen ein, dann jeweils von Donnerstag bis Sonntag, und das bis zum Ende der Schulferien am Sonntag, 9. Januar.

© SZ vom 17.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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