Metzgerei in Krailling:10 000 Euro Schmerzensgeld wegen umgekippter Stier-Skulptur

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Ein Tierfigur, die zum Kraxeln quasi einlädt: So sieht das Oberlandesgericht den Stier, der vor einem Metzgerladen umgekippt und auf die Hand eines Jungen gefallen ist.

Von Christian Deussing, Krailling/München

Für Kinder ist es verlockend, auf der Stier-Skulptur zu spielen. Einem sechsjährigen Buben aber wurde das 200 Kilo schwere Bronzevieh, das als Werbeobjekt vor einer Metzgerei in Krailling steht, im Mai 2016 zum Verhängnis. Das 80 Zentimer hohe Kunstrind kippte um und quetschte die linke Hand des Kindes ein. Ein Mittelfinger des Sechsjährigen musste teilweise amputiert werden. In der Berufungsinstanz wurde am Donnerstag der 38-jährige Metzger vom Oberlandesgericht München (OLG) verurteilt, 10 000 Euro Schmerzensgeld an den Schüler zu zahlen. Denn die Skulptur sei "nicht standsicher aufgestellt gewesen", befand der Vorsitzende Richter Thomas Steiner. Eine Revision ist nicht zugelassen, das OLG-Urteil damit rechtskräftig.

Der heute zehnjährige Junge und sein Vater, die auch in Krailling wohnen, hatten in erster Instanz vor dem Landgericht München Schadenersatz und Schmerzensgeld von knapp 9000 Euro gefordert. Doch die Klage wurde vor acht Monaten abgewiesen. Denn es habe vieles dafür gesprochen, dass das Kind auf dem Stier gespielt habe und die Skulptur somit erst zu Fall gebracht worden sei, so das Landgericht.

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Das bewertet das Oberlandesgericht nun anders: Der Beklagte habe damit rechnen müssen, dass "Kinder mit und auf der Tierfigur spielen, versuchen, sich an den Hörnern hochzuziehen, den Stier besteigen und auch auf der Skulptur herumturnen" - und ihr gesamtes Körpergewicht so auf die Bronzefigur verlagern, dass diese nach vorn kippen könnte, heißt es in der Begründung des 1. Zivilsenats. Zudem hätte der Geschäftsinhaber dafür sorgen müssen, dass die Skulptur "unter keinen Umständen, ganz egal, wie Kinder mit diesem Stier spielen, nach vorn kippen kann". Denn eine 200 Kilogramm schwere, umgefallene Figur könne bei Kindern erhebliche Verletzungen verursachen, mahnt das Oberlandesgericht.

Es weist auch die Argumente der Anwältin des Metzgers beziehungsweise seiner Versicherung zurück, dass seinerzeit die Großmutter des verunglückten Buben die Aufsichtspflicht verletzt habe - und ihr Mandant nicht verpflichtet sei, an jede mögliche Eventualität vor seinem Geschäft zu denken. Laut OLG hätte die Großmutter darauf vertrauen dürfen, dass die Bronzefigur im öffentlichen Raum vor dem Ladengeschäft standsicher sei.

Dem Vater des Kindes ist auch dieser Aspekt des Urteils wichtig. Und er betont: "Uns geht es nicht um das Geld, sondern um unser Rechtsempfinden. Denn der Unfall war nicht vorhersehbar." Er hoffe auch, dass keinem anderen Kind ein derartiger Unfall passiere. Der Kraillinger verweist zudem darauf, dass der Metzger es vor dem Landgericht abgelehnt habe, den Stier vor seinem Laden zu entfernen. Wenige Tage nach dem Unfall aber wurde das 1,30 Meter lange Metall-Tier an die Wandfront festgeschraubt. Trotzdem würde sein Sohn immer noch den Bürgersteig wechseln, um nicht an der Tier-Skulptur vorbeigehen zu müssen, sagt der Vater.

Das Urteil habe ihn nicht mehr überrascht, sagt der Metzgermeister. Es sei aber für ihn "nicht nachvollziehbar", weil seiner Ansicht nach bei dem Vorfall die Aufsichtspflicht verletzt worden sei. Das würden auch viele seiner Kunden so sehen, erzählt der Ladeninhaber. Er appelliert an die Eltern, auf ihre Kinder aufzupassen, worauf man auch immer hinweise. Trotz des Urteils werde aber seine Skulptur zur Werbung vor dem Geschäft stehen bleiben. Denn sie habe 12 000 Euro gekostet - "und warum sollte ich einen Stier in meinem Garten aufstellen?", fragt er sich.

© SZ vom 13.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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