Nepomuk:Schlaflos am Ammersee

Lesezeit: 2 min

Im Winter kann man Ammersee wunderbare Sonnenuntergänge beobachten. Mitten in der Nacht ist hier allerdings selten etwas zu sehen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nepomuk weiß genau, warum er wach ist, wenn andere schlummern. Was er bisher nicht wusste: Er befindet sich damit in bester Gesellschaft.

Von Eurem Nepomuk

Könnt ihr euch noch an Jürgen Aschoff erinnern? Den berühmten Chronobiologen, der auch mal eine ganze lange Weile Direktor beim Max-Planck-Institut in Andechs war, als es das noch gab? Das war der, der dort in einem Schlafbunker die innere Uhr von Menschen untersuchte. Rund 400 Freiwillige hatten sich dafür in den Sechzigern gemeldet, um in diesem unterirdischen Bau ohne Tageslicht, Uhr, Radio und Kontakt nach außen als Forschungsobjekte zu dienen. Erstaunliches kam da raus: Für manche dauerten die gefühlten 24 Stunden in Wahrheit nur 23, für andere 25.

Bei mir waren es sage und schreibe 28,9. Ich war nämlich auch dabei. Eine wissenschaftliche Sensation wäre ich geworden, wenn der Aschoff mich bemerkt hätte. Hat er aber nicht. Ich bin ja unsichtbar. Aber mir hat das Ganze immerhin eine Erkenntnis gebracht: Ich weiß jetzt, warum ich oft nicht schlafen kann, wenn alle anderen längst tief und fest schlummern. In der Nacht von Montag auf Dienstag zum Beispiel.

Starnberg (Foto: Bernd Schifferdecker)

Da schlummerte zumindest die Tochter der Herrschinger Kämmerin Miryam Goodwin tief und fest. Ganz schön müde muss die gewesen sein, so müde, dass sie den Schlüssel innen in der Haustür stecken gelassen hat. Und als die Kämmerin nach Mitternacht von der Weihnachtsfeier des Gemeinderats nach Hause wollte, konnte sie die Tür nicht aufsperren. In diesem Moment wusste ich davon aber noch nichts. Ich wälzte mich hin und her in meinem Wasserbett und zählte Schäfchen. Vergeblich. Deshalb bin ich aufgestanden und am Ammerseeufer spazieren gegangen. Normalerweise trifft man um diese Zeit dort allenfalls Fuchs und Has', die sich gute Nacht sagen. Aber diesmal?

Da stand doch echt ein Kran an einem Haus. Darauf kraxelte so ein Typ hinauf ins erste Geschoss. Was will der da, denk' ich. Fensterln? Oder gar einbrechen? Ganz heiß und kalt ist mir geworden, die Polizei wollt' ich schon rufen. Doch die will immer die Personalien wissen. Wenn ich dann sag, dass ich der Wassergeist Nepomuk bin und in allen großen und kleinen Pfützen des Landkreises wohn', dann erklären die mich glatt für verrückt.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Also beschloss ich, ein Held zu sein. Da kam ich aber zu spät. Vor dem Haus stand ein Grüpplein Menschen herum, die dem Typen seelenruhig beim Kraxeln zuschaute. Na ja, ganz so seelenruhig war das nicht. Dafür umso lustiger. Gemeinderäte waren dabei, ein paar Leute aus dem Rathaus und mittendrin Bürgermeister Christian Schiller. Und wie ich näher kam, wurde mir auch klar, wer der wahre Held dieser Nacht sein würde: Gemeinderat Ludwig Darchinger.

Der hat nämlich angesichts der verzweifelten Kämmerin seine zwei Söhne Korbinian und Ludwig alarmiert. Der eine arbeitet bei einem Fuhrunternehmen und kam so an einen Kran, der andere war des Kraxelns mächtig. Der Kraxler stieg also hinauf, um ans Fenster der Kämmerinnentochter zu klopfen und sie so aufzuwecken. Es muss gegen zwei Uhr morgens gewesen sein, als ihm das gelang. Das musste natürlich noch gefeiert werden. Wie lange?

Das kann ich euch nicht sagen. Nur eines: Dem Aschoff hätte es wahrscheinlich gefallen. Schon allein aus wissenschaftlichen Gründen. Der hätte vermutlich sofort untersucht, wie und ob sich nächtliche Kranabenteuer auf die Funktionsfähigkeit von Gemeinderäten, Verwaltungsmitarbeitern und Bürgermeister auswirken. Mich hätte er dabei wieder nicht berücksichtigt. Klar. Deshalb geistere ich jetzt weiter herum. 28,9 Stunden am Tag.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSeelische Gesundheit
:"Ein wohlwollendes Miteinander ist die beste Krisenprävention"

Weihnachten ist für manche Menschen mehr Belastung als ein Grund zur Freude. Anlass für ein Gespräch mit Sebastian Lämmermann vom Krisendienst Psychiatrie Oberbayern über soziale Unterschiede seiner Klienten und die Nachwehen der Pandemie.

Interview von Linus Freymark

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: