Neuer Konzertzyklus im Kloster Andechs:Balladen im Stadl

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Im Andechser Florianstadel finden immer wieder Konzerte statt - auch mit großem Orchester. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im November startet die neue Reihe "Lied international", Schirmherr ist der berühmte Pianist Helmut Deutsch. Er möchte junge Leute in die Abtei holen - dahinter steckt ein verwegener Plan.

Von Gerhard Summer, Andechs

Hat das Kunstlied überhaupt eine Zukunft in Zeiten, da die Leute daran gewohnt sind, Konzertsäle nur noch mit Mundschutz zu betreten, wenn überhaupt? Will jemand hören, wie dramatisch Gustav Mahler das "glühend Messer" in der Brust seines fahrenden Gesellen beschreibt, wenn das eigene Leben doch schon dramatisch genug ist? Helmut Deutsch, einer der gefragtesten Liedbegleiter überhaupt, hat so etwas wie eine Antwort darauf. Natürlich böten Liederabende nicht den "Sinnesrausch wie in der Oper" oder die Klangfluten großer Orchesterwerke, schreibt er. Sie seien "etwas Intimes, Fragiles, das in das Innerste unserer Seelen vorzudringen vermag, wenn man sich dafür zu öffnen bereit ist." Dann aber zeige sich: "Das Lied kann uns geistige und emotionale Erlebnisse verschaffen, die mit anderem kaum zu vergleichen sind."

Helmut Deutsch, 76, ist ein österreichischer Pianist, Liedbegleiter und Hochschullehrer. Er zählt zu den weltweit erfolgreichsten und gefragtesten Liedbegleitern. Unter ihm soll Andechs zu einer Schmiede für Liedgesang werden. (Foto: Shirley Suarez/oh)

Der Pianist aus Wien, der seine Karriere einst mit dem Bariton Herman Prey begann und inzwischen regelmäßig an der Seite von Jonas Kaufmann oder Diana Damrau steht, hat einen neuen Konzertzyklus im Kloster Andechs unter seine Fittiche genommen: Er ist Schirmherr der Reihe "Lied international". Um die Organisation kümmert sich die Anwältin Gabriele Dressler, die klassische Musik liebt und schon seit einigen Jahren Symposien und Klavier- und Orchesterkonzerte im Florianstadl der Abtei organisiert.

Andechs soll zu einer der wenigen Anlaufstellen für Liedgesang im Fünfseenland werden

Als künstlerische Leiterin fungiert die Münchner Pianistin So-Jin Kim, der heute 76-jährige Helmut Deutsch hatte sie Dressler empfohlen. Kim wird bei allen Konzerten den Part am Steinway-Flügel übernehmen. Die gebürtige Düsseldorferin studierte am Pariser Nationalkonservatorium bei Helmut Deutsch und arbeitete mit dem berühmten Schubert-Interpreten, Dirigenten und Autor Dietrich Fischer-Dieskau privat in dessen Haus in Berg am Starnberger See. Sie sei mit Kammermusik aufgewachsen, sagt die 37-jährige Musikerin, und die Liedbegleitung am Flügel sei "nicht weit entfernt vom Klavierspiel in der Kammermusik".

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Dressler und Kim wollen professionelle, aber vergleichsweise junge Sängerinnen und Sänger ins Klosterdorf holen: Solisten also, die "noch am Anfang ihrer Karriere sind", wie Kim sagt. Schwerpunkt werde zunächst das deutsche Lied sein, letztlich gehe es aber darum, auch den Nachwuchs aus Italien Frankreich, Spanien oder Lateinamerika zu fördern. Andechs soll damit langfristig zu einer der ganz wenigen Anlaufstellen für Liedgesang im Fünfseenland werden. Die Voraussetzungen seien günstig: Der Florianstadl habe eine "hervorragende Akustik", das Konzertpublikum im Landkreis Starnberg sei aufgeschlossen.

Als künstlerische Leiterin fungiert die Münchner Pianistin So-Jin Kim. (Foto: Astrid Ackermann/oh)
Auftritt bei der Premierenveranstaltung: Samuel Hasselhorn. (Foto: Nikolaj Lund/oh)

Zunächst sind nur zwei Konzerte pro Jahr geplant: eines im Herbst, eines im Frühjahr. Zur Premiere am Samstag, 12. November, tritt Samuel Hasselhorn im Florianstadl an. Der 32-jährige Bariton aus Göttingen war zwei Jahre lang Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. 2018 gewann er einen der wichtigsten Musikwettbewerbe, den "Concours Reine Elisabeth" in Brüssel. Wer beim zweiten Abend im nächsten Jahr singen wird, steht noch nicht fest.

Die neue Musikreihe sei "ein verwegenes Unterfangen", meint die künstlerische Leiterin So-Jin Kim

Wie So-Jin Kim meint, sei das Vorhaben auf den ersten Blick ein "verwegenes Unterfangen". Musiker und Veranstalter bekämen inzwischen die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren. Die Situation sei angespannt, das Publikum habe es sich abgewöhnt, in Konzerte zu gehen. Allerdings gelte auch: "Es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt", um eine neue Musikreihe zu starten.

Finanziell hält sich das Risiko ohnehin einigermaßen in Grenzen, weil keine Star-Honorare anfallen und kein großes Ensemble oder Orchester bezahlt werden muss. Außerdem seien Lieder, ob von Mahler, Schumann oder Schubert, keineswegs aus der Zeit gefallen, findet die Pianistin. Denn viele dieser Stücke, die minimalistische Mittel und maximale Ausdruckskraft vereinen, seien "immer noch absolut gültig" oder wirkten sogar modern, obwohl sie vor 200 Jahren entstanden sind.

Der Liederabend von Samuel Hasselhorn und So-Jin Kim am 12. November beginnt um 19 Uhr. Auf dem Programm stehen Werke von Robert Schumann (op. 40; Lieder und Balladen nach Heinrich Heine) und Gustav Mahler (Lieder eines fahrenden Gesellen; Rückert-Lieder). Karten kosten je nach Alter zwischen 25 und 50 Euro, Jugendliche bis einschließlich 13 Jahre haben freien Eintritt. Bestellung unter tickets@lied-international.eu oder Telefon 08152/ 9042000.

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