Tod durch Polizeikugel:"Warum musste das passieren?"

Lesezeit: 2 min

1983 wurde Jürgen Bergbauer von einem Polizisten erschossen. (Foto: OH)

Jürgen Bergbauer wäre heute 50 Jahre alt. In der Nacht auf 20. März 1983 wurde der damals 14-Jährige von einem Zivilpolizisten in Gauting erschossen.

Von Christian Deussing, Gauting

Warum musste Jürgen Bergbauer sterben? Das fragen sich immer noch viele Gautinger und Freunde des Schülers, der in der Nacht zum 20. März 1983 von einem Zivilpolizisten mit einem Kopfschuss im Jugendzentrum (JuZ) Gauting getötet worden war. Der 30-jährige Beamte einer zivilen Einsatzgruppe aus Fürstenfeldbruck hatte den erst 14-Jährigen, der nach einem Partyausflug im JuZ übernachten wollte, mit einem Einbrecher verwechselt, die damals in Gauting ihr Unwesen trieben. Die Jugendszene, aber auch viele Bürger waren nach dem tödlichen Polizeieinsatz empört und geschockt. Es gab Mahnwachen, Proteste und einen Trauermarsch mit 1 200 Menschen. Es brodelte, die Stimmung im Ort war explosiv. Und das spätere Urteil gegen den Polizisten - sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung - wurde als zu milde empfunden. Heute wäre Jürgen Bergbauer 50 Jahre alt.

Man habe nie einen Entschuldigungsbrief von dem Todesschützen erhalten, klagt Günter Schur. "Mir geht es nicht ins Hirn: Warum musste das passieren?" Der 80-jährige Gautinger ist der Stiefvater von Jürgen, dessen Mutter Marianne derzeit im Krankenhaus liegt. "Sie bat mich, eine Schale mit Osterglocken und Primeln am Todestag auf Jürgens Grab zu legen", erzählt der Rentner. Er besucht das Grab von Jürgen regelmäßig, dessen letzte Ruhestätte mit einem Erinnerungsfoto geschmückt und sehr gepflegt ist. Der schelmisch lachende Bub auf dem Grabbild wäre heute vielleicht Gärtner oder Automechaniker von Beruf. Das war sein Plan gewesen. Jürgen sei ein "richtiger Lausbub", sagt der Stiefvater. Er bleibe unvergessen. Der Mann deutet auf eine Platte und einen Stein, den die Mutter auf das Grab gesetzt hat: "Ich vermisse Dich", steht drauf.

Würzburg
:Polizeischüler soll versehentlich Kollegen erschossen haben

Der Tod des Auszubildenden geht nach Angaben von Bayerns Innenminister Herrmann vermutlich auf eine falsch entladene Dienstwaffe zurück. Das Landeskriminalamt ermittelt.

Marion, die neun Jahre ältere Schwester des Opfers, erinnert sich an den Anruf ihrer Mutter am Tag nach dem tödlichen Schuss. "Der Jürgen ist tot", habe sie gesagt. "Wir waren alle geschockt, danach kam die Wut hoch", berichtet die 59-jährige Gautingerin. Sie wohnt ganz in der Nähe vom Jugendzentrum - wie ihre Mutter. Beide sind im Ort verwurzelt. Am Jugendzentrum stellt eine Frau ihr Fahrrad ab. Die 63-Jährige kannte Jürgen. Er sei ein "freundlicher, liebenswerter und aufgeweckter Typ gewesen", sagt die Kauffrau. Der Tod des Buben durch die Polizeikugel mache sie immer noch fassungslos. "Der war doch kein Bankräuber." Die Gautingerin denkt kurz an das Drama vor 36 Jahren zurück und meint dann: "Es kommt einem gar nicht so lange vor."

Einer, der stets an Jürgen erinnert, ist der Musiker Erik Berthold. Er war damals schon 18 Jahre alt und mit Jürgen befreundet. "Wir hatten viel Spaß, schraubten an Autos und Mopeds herum und waren oft im JuZ." Jürgen sei sehr geschickt und ein lustiger Kerl gewesen, erzählt Berthold, der ihn noch in der verhängnisvollen Nacht auf einer Party getroffen hatte. Vor sechs Jahren - zum 30. Todestag seines Freundes - organisierte Berthold beim Jugendzentrum an einer Kastanie eine Gedenkfeier mit Musik, Gebeten und Pfarrern. An diese stimmungsvolle Zeremonie erinnern der 54-Jährige und Freunde in diesen Tagen. Die Kastanie hatten sie kurz nach dem Tod von Jürgen gepflanzt - heute ist der Baum fast 20 Meter hoch und auf einem Ast ist ein älteres Nest zu sehen: Nestwärme gab ihm auch das JuZ, das Berthold am liebsten in "Jürgen-Bergbauer-Haus" umbenennen würde.

Drei Schüsse hatte der Polizeiobermeister damals kurz nach Mitternacht abgefeuert. Er habe sich durch einen großen Schatten und etwas Blitzendes bedroht gefühlt und daher geschossen, hieß es im Prozess. Dabei galt der Polizist nicht als Rambo, der schnell zur Waffe griff. Er sei ein ruhiger und besonnener Typ gewesen, betont Roberto Rossi, stellvertretener Chef der Kripo Fürstenfeldbruck. Rossi gehörte dem Einsatzzug des 30-jährigen Kollegen an, der nach dem tödlichen Schuss auf den Hauptschüler in den Innendienst versetzt wurde. Er ist mittlerweile pensioniert. Ob der Polizist jemals das Grab des Schülers in Gauting besucht hat, ist nicht bekannt.

Der 80-jährige Gautinger Günter Schur besucht das Grab seines Stiefsohns Jürgen Bergbauer regelmäßig und legt Blumen ab. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: