Konzertreihe:Karibisches Flair auf der Tutzing

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Die Tutzing ist bis zum 10. August jetzt jeden Sonntag Schauplatz einer Jazz-Matinee. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Gert Wilden jr. und seine Kompagnons machen den Auftakt bei den schwimmenden Jazz-Matineen am Starnberger See.

Von Reinhard Palmer , Tutzing

Endlich! Sommer, Sonne, See - und Jazz. Das gilt zumindest von sofort an für jeden Sonntagmorgen bis 10. August auf der Tutzing, die ja schon vor mehr als zehn Jahren vor dem gleichnamigen Yachthafen "gestrandet" ist.

Der Applaus galt zunächst den großzügigen Sponsoren, die dem altehrwürdigen Museumsschiff eine neue Elektrik spendiert haben, sonst wären ihm endgültig und buchstäblich alle Lichter ausgegangen. Das wäre nach der Corona-Pause definitiv der Gnadenstoß gewesen - und ein herber Verlust für die Freunde der gepflegten Jazz-Matineen bei Weißwurst und Weißbier vor einem grandiosen Alpenpanorama.

Zur Eröffnung diesen Sonntag war ein alter, am See beheimateter Bekannter geladen: Gert Wilden junior. Allerdings nicht als Filmmusikkomponist, sondern als Livemusiker am Keyboard. Mitgebracht hat er renommierte Kollegen wie Ferdinand Kirner für die E-Gitarre, Karsten Gnettner für den E-Bass und Emanuel Hauptmann für ein gut bestücktes Schlagzeugset. Letzteres war auch nötig, denn der Stimmung angemessen waren die schlagwerklastigen Latin und Brasíl geradezu ein Muss.

Auf die Bühne, fertig, los: Gert Wilden jr. & Friends beim Auftritt auf der Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die kühle Lässigkeit mit beschwingter Melodik oder die tänzerische Spritzigkeit mit akustisch geschmeidigem Hüftschwung bereiteten an Deck der Tutzing auf Anhieb gute Laune, aber auch eine Prise karibisches Flair zum Träumen. Vor allem aus der Feder von Antônio Carlos Jobim kann man in einem solchen Ambiente nicht genug hören. Jobim war der Meister der unbeschwerten wie verträumten Heiterkeit in Moll und ein Mitbegründer der dazu passenden, schwebend fortspinnenden Bossa Nova. Sein berühmtes "Água de beber" durfte denn auch auf keinen Fall fehlen. Aber auch andere brasilianische Klassiker fanden ins Programm, etwa das beschwingte "Obadi Obada", dem Kirner Santana-Sound schenkte.

Mit blühender Bossa-Leichtigkeit betörte vor allem "Cravo e Canela" von Milton Nascimento, dem die Mannen um Wilden junior aber auch ordentlich Pfeffer einstreuten. Sie drehten zunehmend auf, wurden rockiger und wilder. Überhaupt ging es hier immer auch darum, aus den bekannten Songs etwas Eigenes zu machen.

Mit viel Beckenblech geht es in ein krachendes Finale

Hoch im Kurs stand dabei Funk, den Gnettner gerne auch für seine schmissigen Soli am Bass nutzte. Prägnanter rhythmisiert und mit repetitiver Eindringlichkeit ging es indes in "Partido alto" von Anna Torres zur Sache. Funk bot zudem gute Gelegenheiten, zwischendurch die Atmosphäre behutsam psychodelisch zu entrücken. Abwechslung brachten eigene Kompositionen ins Spiel, so etwa in der Uraufführung von "Emanuele" aus der Feder des Schlagzeugers Emanuel Hauptmann, der die Dominanz der Gitarre überließ, aber auch reichlich Gelegenheit zur Differenzierung bot. Ebenso Wildens narratives "Mr. Chan" in memoriam des chinesischen Filmkommissars Charlie Chan mit asiatischer Harmonik, kriminalistisch mysteriöser Stimmung und experimentellen Klangeffekten. Und auch hier hinterlegten die Musiker dem Stück eine Dramaturgie, die eine satte, klangsinnliche Verdichtung und Intensivierung vorsah, um mit viel Beckenblech ein krachendes Finale hinzulegen.

Gekonnt und mit Fingerspitzengefühl entwickelt, konnte jeder noch so harmlose Song viel Kraft entfalten und die Hörer mitreißen. Der große Knaller war dabei dem Finale vorbehalten. Und das lieferte Edu Lobo, die zweite große Koryphäe der Música Popular Brasileira, mit seinem unermüdlich vorantreibenden "Zanzibar" von 1970. Ein würdiger Abschluss für die Eröffnungsmatinee auf der Tutzing.

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