Interview:"Freizeit finde ich langweilig"

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Der Seeshaupter Regisseur Walter Steffen über seine neue Dokumentation "Fahr ma obi am Wasser" und die Schwierigkeit, auf einem hart umkämpften Markt Erfolg zu haben.

Von Astrid Becker, Seeshaupt

Er ist einer, der sich traut: Der Seeshaupter Regisseur und Drehbuchautor Walter Steffen hat sich seit 2007 auf ein schwieriges Genre verlegt. Er dreht Dokumentarfilme fürs Kino, die unter anderem auch immer wieder auf dem Fünfseen- Filmfestival zu sehen sind. Sein jüngstes Werk hat er den Flößern auf der Isar und der Loisach gewidmet. Es heißt "Fahr ma obi am Wasser" und ist zum ersten Mal im Rahmen des diesjährigen Filmfestivals in Bozen im April gezeigt worden. In Deutschland feiert es nun beim Dokumentarfilmfest "Dok.Fest" am Mittwoch, 10. Mail, Premiere. Die SZ sprach mit dem 62-Jährigen Regisseur.

SZ: Herr Steffen, was hat Sie zu diesem Film inspiriert?

Walter Steffen: Ach, das reicht schon einige Jahre zurück. Damals kam gerade mein Film über die Fischer am Starnberger See, "Netz und Würm", in die Kinos. Gabriele Rüth, die Vorsitzende des Vereins Flößerstraße, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte der Flößerei zu erforschen und lebendig zu halten, hatte mich damals angesprochen, auch einen Film über die Flößer zu machen. Ich hatte aber damals nur das Bild von den Touristen und den Gaudiflößen im Kopf und war mir nicht sicher, ob das für einen abendfüllenden Kinofilm reichen würde.

Sie haben ihn dann aber trotzdem gemacht.

Gabriele Rüth blieb hartnäckig. Sie sprach mich immer wieder darauf an. 2015 habe ich dann den Wolfratshauser Bürgermeister, Klaus Heilinglechner, interviewt, als damals die Flößerei von der Unesco zum Immateriellen Kulturerbe erklärt worden ist. Als ich ihm von dem Filmprojekt über die Flößerei erzählte, stellte er eine großzügige Förderung der Stadt in Aussicht. Tatsächlich entschied der Stadtrat dann im Spätherbst den Zuschuss. Das waren 10 000 Euro. Das war großartig und eine gute Grundlage. Damit hatte ich ja etwa schon zehn Prozent der Kosten. Tatsächlich beliefen sich die auf 140 000 Euro.

Sie sprechen gerade eines der wichtigsten Themen Ihrer Zunft an: die Finanzierung von Filmen, die ja immer schwieriger wird. Wie läuft das denn tatsächlich?

Um einen Film frei produzieren zu können, also ohne offizielle Filmförderung und Fernsehgelder, muss ich etwa 50 bis 60 Prozent der Produktionskosten zusammen bekommen. Da ist man auf Unterstützung von anderer Seite wie Sponsoren und dergleichen angewiesen. Für den Flößer-Film hat Gabriele Rüth tatkräftig mitgeholfen und die Gemeinden angesprochen, die an Isar und Loisach liegen. Mit ihrer Hilfe hatte ich diese Gemeinden dann mit im Boot, oder besser gesagt, mit auf dem Floß. Es kamen noch drei große und etliche kleinere Sponsoren dazu, die sich mit der Flößerei und den Flüssen verbunden fühlen: zum Beispiel Binderbräu aus Bad Tölz, die Energie Südbayern GmbH und die Firma Hirschkuss aus dem Flößerort Gaißach.

Sie drehen jedes Jahr einen Dokumentarfilm, was ja auch bedeutet, dass Sie permanent Sponsoren auftreiben müssen. Wie geht das?

Man muss schon recht kreativ sein. Mir kommt aber sicher zugute, dass ich auch Drehbuchautor fürs Fernsehen bin. Da lernt man auch, immer das Publikum im Auge zu haben. Und das ist unter anderem auch ein Garant für den Erfolg, den sich die Förderer und Unterstützer wünschen. Denn es hilft ja nichts, nur einen schönen Film zu machen, er muss sein Publikum auch erreichen. Das heißt, man muss immer die Zielgruppe und das Geld im Auge haben. Und man braucht gute Mitstreiter, die einem dabei helfen. Ich habe da ein gutes Team.

Wie schwierig ist es heutzutage, das Kinopublikum für einen Dokumentarfilm zu begeistern?

Ich würde sagen, schwierig ist es vor allem bei Filmen, die große Probleme thematisieren. Die Leute wollen heute glücklich aus dem Kino kommen. Aber das kann auch bei schwierigen Themen gelingen. Bei dem Film "Endstation Seeshaupt" zum Beispiel, bei dem es ja um den Holocaust ging, haben mich die Leute am Ende umarmt, weil sie darin eine Chance auf Versöhnung gesehen haben. Problematisch ist auch, dass heutzutage eine wahre Flut an Dokumentarfilmen ins Kino kommt. Da ist die Digitalisierung Fluch und Segen zugleich für Dokumentarfilmer und Kinobetreiber.

Regisseur Walter Steffen gehört zu den Stammgästen des Fünfseen-Filmfestivals, er zeigt dort fast jedes Jahr eine aktuelle Produktion. Sein neuer Film "Fahr ma obi am Wasser" läuft von 11. Mai auch im Breitwand-Kino Starnberg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Inwiefern?

Heutzutage kann man Kinofilme mit einer relativ kleinen, günstigen Kamera produzieren. Was allerdings auch dazu führt, dass im Jahr etwa 150 Kinodokus erscheinen. Das heißt, der Markt ist sehr umkämpft.

Wie gehen Sie damit um?

Ich denke grundsätzlich positiv, das bin ich einfach. Wahrscheinlich habe ich auch das Glück zu spüren, welche Themen gerade funktionieren. Was genauso wichtig ist: dass ich mit Konstantin Fritz einen super Mann für die Öffentlichkeitsarbeit habe, ohne das würde es nicht funktionieren. Und ich empfinde das, was ich tue, nicht als Arbeit, daher auch nicht als Stress. Freizeit finde ich langweilig. Oder besser gesagt: Ich verbringe mein Leben mit dem, was mir Spaß macht. Wenn man so will, habe ich sieben Tage die Woche Freizeit. Ich merke nicht, dass ich arbeite, auch wenn das 12 oder sogar 15 Stunden am Tag sind. Diese Liebe und diese Leidenschaft eint mich übrigens auch mit den Flößern.

Womit wir wieder beim Thema wären. Wie sehen Sie die Erfolgsaussichten für diesen Film?

Die Schönheit der dort gezeigten Landschaft macht glücklich, die Musik ist richtig große Filmmusik, die Geschichte interessant. Unsere Flößer bewahren ja eine lange Tradition, ein mehr als 1000 Jahre altes Handwerk. Das ist einzigartig auf der Welt. Ohne die Flößer gäbe es kein Freising, kein Landshut und kein München. Allein die Frauenkirche konnte ohne die Flößer nicht aufgebaut werden - weder im 15. Jahrhundert noch 1947/1948 nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie lieferten das Holz für den gigantischen Dachstuhl des Doms, wo wir übrigens auch gedreht haben. Ich bin mir sicher, dass jeder, der den Film gesehen hat, die Isar und unser Oberland mit anderen Augen betrachten wird. Und Wasser, das ist sowieso archaisch. Das steckt in uns Menschen.

"Fahr ma obi am Wasser" wird am Mittwoch, 10. Mai, 20 Uhr, im Rio Filmpalast in München gezeigt. Karten dafür gibt es an der Abendkasse. Ein kleines Kontingent ist auch noch an der Abendkasse erhältlich. Von Donnerstag, 11. Mai, an ist der Film auch in den Kinos in München und im bayerischen Oberland zu sehen. Infos: www.isarfloesser-film.de.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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