Corona-Pandemie in Starnberg:Bett ja, Pflege nein

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Mit Hochdruck versuchen Mitarbeiter in den Gesundheitsbehörden, Schritt zu halten mit dem Infektionsgeschehen. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Laut Chefarzt Florian Krötz gibt es zwar noch Platz auf den Intensivstationen des Landkreises, aber es fehlt an Personal. Schon jetzt müssen Patienten deutschlandweit verlegt werden. Und auch die Kontaktverfolgung ist am Limit.

Von Linus Freymark, Starnberg

Nein, sagt Florian Krötz, ausgeschlossen sei das Horrorszenario dieser Pandemie derzeit nicht mehr. Im Gegenteil: "Wir sind nicht mehr weit weg von der Triage", sagt der Chefarzt des Klinikums Starnberg und verweist auf die aktuelle Situation: Von den vier Intensivstationen im Landkreis seien zwei mittlerweile überlastet - was nicht am Platz liege, sondern am fehlenden Personal. Das bedeute: Jeder Patient bekomme bislang nach wie vor ein Bett. Nur: Es sei niemand mehr da, der ihn auch betreuen kann.

Die dramatisch gestiegenen Fallzahlen der vergangenen Wochen schlagen sich immer mehr in der Belegung der Krankenhäuser nieder. 39 der 44 Intensivbetten im Landkreis sind derzeit belegt, davon zehn mit Covid-Patienten. Dass die Betten nicht alle belegt sind, liegt an zusätzlich geschaffenen Kapazitäten, vergangene Woche gab es im Kreis laut der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) nur 39 Plätze. Trotzdem werden und wurden bereits jetzt Patienten aus Starnberg in andere Landkreise verlegt. Weil die Lage jedoch auch im Bereich der Integrierten Leitstelle, zu der ebenfalls die Landkreise Dachau, Fürstenfeldbruck und Landsberg am Lech gehören, extrem angespannt ist, verlegt man inzwischen nicht mehr nur in der näheren Umgebung, sondern deutschlandweit. Und auch das sei mittlerweile nicht mehr ohne Weiteres zu gewährleisten, sagt Landrat Stefan Frey (CSU): "Wir müssen wirklich nach freien Betten suchen." Noch könne man für jeden Patienten die notwendige medizinische Versorgung garantieren. "Noch liegen bei uns keine Patienten in den Fluren herum", sagt er. "Aber viel Spielraum haben wir nicht mehr." Auch Florian Krötz rechnet damit, dass in den nächsten Wochen immer mehr Menschen eine intensivmedizinische Behandlung benötigen. Das Problem, dass auf einigen Stationen gerade zu wenig Pflegende sind, versuche man gerade zu lösen, indem man Personal aus anderen Kliniken abziehe. Erschwerend hinzu kommt jedoch, dass immer wieder Pfleger als Kontaktpersonen in Quarantäne müssen oder sich anderweitig krankmelden. "Auf der Intensivstation ist es eigentlich die Regel, dass man ein Wochenende nicht wie geplant durchführen kann", berichtet Krötz - immer wieder würde sich kurz vor Schichtbeginn jemand abmelden.

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Um Kapazitäten für die Behandlung von Corona-Patienten zu schaffen, hat die Regierung von Oberbayern nun reagiert: Am Mittwoch verfügte die Bezirksregierung, dass in Kliniken mit Corona-Schwerpunkt, also auch in Starnberg, Gauting, Tutzing und Feldafing, keine aufschiebbaren stationären Behandlungen mehr durchgeführt werden dürfen. Dazu zählen auch Tumor- oder Herzoperationen. Schwerwiegende Eingriffe, die nun verschoben werden müssen. "Für die Patienten stellt das natürlich eine große Belastung dar", sagt Chefarzt Krötz. Niemand wartet schließlich länger als notwendig auf den Eingriff, von dessen Gelingen im Extremfall sein Leben abhängt.

Währenddessen bemüht sich die Gesundheitsbehörde des Landkreises, die Kontaktnachverfolgung von Infizierten sicherzustellen. Anders als etwa im Landkreis Traunstein, wo das Gesundheitsamt bei den Fallzahlen nicht mehr hinterherkommt, schafft man es in Starnberg laut Landrat Frey derzeit noch, Infizierte sowie deren Hausstandsangehörige ausfindig zu machen und zu informieren. Bislang geschehe dies auch relativ zeitnah. "Momentan schaffen wir das noch einigermaßen taggenau", sagt Frey. Großflächiger gehe man in Seniorenheimen und Schulen vor, hier kontaktiere man etwa auch die Klassenkameraden. Doch auch hier schwinden die Kapazitäten - neben der Klasse noch den Sportverein eines infizierten Kindes zu informieren, schafft die Behörde nicht mehr. "Hier sind wir auf die Eltern angewiesen, andere zu informieren", so Freys Appell.

Hier im Bild: eines der letzten freien Intensivbetten. (Foto: Arlet Ulfers)

35 Mitarbeiter sind im Gesundheitsamt derzeit nur mit Kontaktnachverfolgung beschäftigt, Unterstützung bekommen sie von der Polizei sowie aus anderen Behörden und Abteilungen des eigenen Hauses. Und auch die Bundeswehr wird von kommenden Montag an unterstützen: 15 Soldaten aus Füssen werden dann in Starnberg mithelfen, Infizierte und ihre Kontaktpersonen zu kontaktieren. Zudem gibt es Pläne, das Personal aufzustocken: Acht Stellen in der Abteilung Kontaktnachverfolgung des Gesundheitsamtes sind ausgeschrieben, doch das Interesse der Bewerber hält sich bislang in Grenzen. Die Personalsituation sei "angespannt", so Frey.

Verglichen mit anderen bayerischen Landkreisen steht Starnberg bislang nicht schlecht dar. Doch auch hier schwinden die Kräfte, bei den Pflegern und Ärzten in den Kliniken genauso wie bei den Beschäftigten im Gesundheitsamt. Hinzu kommen die hohen Inzidenzen, deren Effekt man erst in den nächsten Wochen merken wird. Landrat Stefan Frey rechnet deshalb nicht mit einer Entspannung der Lage. Im Gegenteil: "Bislang sind wir relativ gut durchgekommen", sagt er. "Aber es wird schwieriger. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir das Infektionsgeschehen nicht mehr in der Hand haben."

© SZ vom 18.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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