Herrsching:Ein Brezn-Schlüssel fürs neue Gemeindehaus

Lesezeit: 3 min

Die etwas andere Schlüsselübergabe: Zur Eröffnung des Gemeindehauses in Widdersberg überreichte Bürgermeister Christian Schiller (rechts) an Rachel Holzer vom Backhäusl-Verein (v.l.), Hubert Eichberger, den Vorstand des Brauchtumsvereins, und Theresia Holzer vom Pfarrgemeinderat einen riesigen Brezn-Schlüssel. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Für 1,4 Millionen Euro ist in Widdersberg ein neuer Treffpunkt entstanden. Dort wird unter anderem der örtliche Backhäuslverein unterkommen.

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Für ein erfüllendes Gemeinschaftserlebnis brauche man nur drei einfache Zutaten. "Wasser, Mehl, Salz" - und dazu noch etwas Zeit. Das erklärte Rachel Holzer, die Vorsitzende des Backhäuslvereins im kleinen Herrschinger Ortsteil Widdersberg. Einmal im Monat backen die Vereinsmitglieder Brote in dem alten Holzofen. Vor 20 Jahren war er vor dem Abriss gerettet und am ehemaligen Rathaus wieder aufgebaut worden. Jetzt kann das Backteam den Teig gleich gegenüber dem gemauerten Ofen in der Küche des neuen Gemeindehauses anrühren und die Brote in den Backkörbchen in ein paar Schritten zu den glutheißen Steinen bringen.

Für 1,4 Millionen Euro haben die etwa 500 Einwohner Widdersbergs eine neue Versammlungsstätte bekommen. Hier haben Vereine wie der Backhäuslverein, der Brauchtumsverein und die katholische Pfarrgemeinde einen neuen Treffpunkt. Einen symbolischen Schlüssel aus Brezenteig überreichte Bürgermeister Christian Schiller den Vertretern der künftigen Nutzer. "Eine Zeitlang hingezogen" habe sich der Bau, informierte Schiller bei der feierlichen Einweihung.

Auch das alte Backhäusl gehört zum Ensemble. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Rachel Holzer und Wolfgang Werner vom Backhäusl-Verein beim Brotbacken. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vor 30 Jahren kam erstmals die Idee auf, das alte Rathaus aus den 1950er Jahren zu erweitern. Nach der Gebietsreform war Widdersberg 1972 zu Herrsching gekommen. Ein eigenes Rathaus war nicht mehr nötig, das Gebäude diente für Vereinstreffen, doch für Veranstaltungen waren die Räume, von denen der größte gerade mal 40 Quadratmeter maß, viel zu klein. "Es war ein etwas größeres Wohnzimmer", erinnerte sich Schiller. Aus Kostengründen wurden die Pläne damals auf Eis gelegt bis rund 20 Jahre später Margot Gastl, Mitglied des Brauchtumsvereins, das Thema "Erweiterung" bei einer Ortsteilbürgerversammlung wieder aufgriff. Der Antrag kam in den Gemeinderat. Es folgten "lange Diskussionen, viele Beschlussfassungen" sowie jahrelange Planungspausen, so Schiller, bis sich das Ratsgremium vor vier Jahren für einen Neubau entschied.

Nicht jeder Widdersberger war dafür. Manchen hätte eine Renovierung gereicht, anderen hätte ein kleiner Anbau genügt. Letztlich hatte eine Bürgerbefragung dann die Mehrheit für die "große Lösung", sprich Abriss und Neubau, ergeben.

Am Schluss kostete der Bau 15 Prozent mehr

Sieben Haupt- und diverse Nebenvarianten für das Gemeindehaus habe er im Laufe der Jahre angefertigt, erklärte Architekt Ulrich Sommersberger. Der Bau und damit die Schwierigkeiten begannen 2019. Nach dem Abriss des Altbaus stellte sich heraus, dass der Baugrund nicht ausreichend tragfähig ist. Das Erdreich musste ausgetauscht werden: Steigerung der Gesamtkosten um vier Prozent. Dann kam Corona und die Baupreise explodierten. Auf mehrere Ausschreibungen gab es keine Bewerbungen oder nur überteuerte Angebote. Am Schluss kostete der Bau 15 Prozent mehr. Mit ein paar Wochen Verzögerung war das Gebäude rechtzeitig für die Einweihungsfeier fertig geworden. Der langgezogene Ziegelbau mit Satteldach hat eine vorgesetzte Holzkonstruktion, die teilweise begrünt werden soll, um angesichts wärmer werdender Sommer zu kühlen und Schatten zu spenden. Im Inneren finden bei einer Bestuhlung etwa 70 Personen Platz im Saal. Im Sommer können die Schiebetüren zur Terrasse hin geöffnet werden. In Sichtweite befindet sich der Kinderspielplatz. Insgesamt misst das Gebäude mit der Küche, den Nebenräumen und sanitären Anlagen etwa 200 Quadratmeter.

Im Saal finden etwa 70 Personen Platz - was bei der Einweihung gleich mal getestet wurde. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dank ökologischer Haustechnik durch die Luft-Wasser-Wärmepumpe, einer Photovoltaikanlage und der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung kann das Gebäude sparsam betrieben werden. So wird etwa die Hälfte des Energieverbrauchs durch die PV-Anlage gedeckt.

Eine der ersten Veranstaltungen soll eine Nikolausfeier für die Kinder sein

Auch, wenn die Baustelle am Gebäude vorerst beendet ist, mahnte der evangelische Pastor Ulrich Haberl, der das Haus gemeinsam mit dem katholischen Pfarrer Simon Rapp segnete: "Ein Haus bleibt immer eine Baustelle", denn immer wieder gebe es etwas zu reparieren. Damit zog er einen Vergleich mit der Gesellschaft, die ebenfalls eine "Baustelle" sei, an der man arbeiten müsse.

"Bauen bringt Grauen", fasste Hubert Eichberger, der Vorsitzende des Brauchtumsvereins, die vergangenen Monate in Worte. Aber jetzt hätten die Widdersberger Vereine "eine schöne Heimstatt" und die örtliche Gemeinschaft einen Treffpunkt, an dem sie das dörfliche Zusammenleben pflegen könne. Das sei angesichts einer fehlenden Dorfwirtschaft dringend notwendig. Eine der ersten Veranstaltungen soll eine Nikolausfeier für die Kinder sein. Der Backhäuslverein plant im neuen Jahr, wieder mit dem Brotbacken zu beginnen. Dazu gehört auch Feuer machen, Teig kneten, backen und die Begegnungen mit den Menschen, die ihre noch warmen Brotlaibe abholen wollen. Bei der Einweihung gab es einen kleinen Vorgeschmack auf diesen Genuss. In den Ofen wurden Teiglinge geschoben, die nach ein paar Minuten als duftende Flammkuchen an die Gäste verteilt wurden.

Der Brauchtumsverein ist für den Belegungsplan des Gemeindehauses zuständig. Das Gebäude darf von allen Herrschinger Vereinen genutzt werden, kann aber vorerst noch nicht privat angemietet werden, "aber der Gemeinderat hat sich hierzu schon offen gezeigt", so Schiller.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: