Wirtschaft im Landkreis Starnberg:"Mode muss Leistung bringen"

Lesezeit: 6 min

Es wird wieder bunt: Tanja Winheim zeigt in ihrer Herrschinger Boutique "Mode Mosaik" bereits die ersten Kleidungsstücke fürs Frühjahr. (Foto: Georgine Treybal)

Tanja Winheim hat 2022 die Herrschinger Boutique "Mode Mosaik" übernommen. Welche Rolle Luxusgüter und schicke Kleider heute spielen und welchen Stellenwert Nachhaltigkeit dabei hat, erklärt sie im Gespräch.

Interview von Astrid Becker, Herrsching

Zwei Jahrzehnte lang hat Tanja Winheim in der Modewelt Münchens verbracht. Vor genau einem Jahr hat sie den Sprung vom Groß- in den Einzelhandel gewagt und die weit über die Grenzen Herrschings hinaus bekannte Boutique "Mode Mosaik" übernommen. Welche Erfahrungen hat die gebürtige Rheinländerin in dieser Zeit gemacht? Wie bringt sie ihr Geschäft mit ihrer Rolle als Mutter zweier kleiner Kinder in Einklang? Und welche Rolle spielt Mode in kritischen Zeiten? Das erklärt die 46-Jährige, die in Pasing lebt, im Gespräch mit der SZ.

SZ: Sie kommen gerade von einer Modemesse in Amsterdam. Sind die Niederländer denn modebewusster als die Deutschen?

Tanja Winheim (lacht): Nein, das würde ich nicht so sagen. Das liegt eher daran, dass vieles hier bei uns gar nicht mehr stattfindet. Zum Beispiel fuhr man als Einzelhändler früher, noch vor einem Jahr, nach Berlin. Für uns Händler geht es ja darum, uns zu informieren, wo die Reise in puncto Trends hingeht. Berlin war da immer richtungsweisend, etwa die Messe Bread & Butter für Urban- und Streetwear oder die Premium, die nach ein wenig Hin und Her nun ganz abgesagt worden ist. Deshalb fiel dann die Entscheidung auf die Modemesse in Amsterdam.

Und? Haben Sie was Hübsches entdeckt?

Offen gesagt: für meinen Laden nicht so wahnsinnig viel. Was mir aber aufgefallen ist: Immer mehr Hersteller setzen auf Nachhaltigkeit, etwa auf Organic Cotton oder unterziehen sich ökologischen Zertifizierungen, etwa dem Oekotex Standard 100. Das finde ich gut.

Immer öfter auch an Kleidung zu entdecken: Öko-Zertifizierungen, wie hier der "The Good Cashmere Standard". (Foto: Georgine Treybal)

Soziale Verantwortung liegt also in der Modewelt im Trend? Weil die Kundin oder der Kunde vermehrt danach fragt?

Natürlich gibt es noch die klassischen Impulskäufe. Aber auch Kundinnen, die wissen wollen, ob das Leder der Schuhe, die ich anbiete, wirklich vegan ist oder ob die Ziegen bei der Kaschmirschur nicht leiden. Ich denke, das ist eine Generationsfrage. Für mich persönlich ist es ja auch wichtig zu wissen, woher meine Ware kommt, wie sie produziert wird und welche Geschichte sich hinter meinen Labels verbirgt. Nur dann kann ich dahinterstehen und meine Kundinnen so beraten, wie sie es verdienen. Und ich finde das ja selbst spannend. Es hat sich schon viel verändert: Obwohl Fellchen noch immer gefragt sind, gibt es keine Pelzmäntel mehr, sondern stattdessen tragen wir eben Fake Fure, was sich kaum mehr unterscheiden lässt. Die Materialien haben dadurch auch an Gewicht verloren, sie haben also mehr Tragekomfort, und sie sind waschbar. Sie tragen ja auch gerade eine Lammfellweste, die gar keine ist, die Sie aber jederzeit in die Waschmaschine stopfen können. Das ist doch cool, oder?

Handgemachtes aus der Manufaktur: Tanja Winheim legt darauf Wert, wie hier bei den Schlüsselanhängern von "My Bob". (Foto: Georgine Treybal)

Da kann ich nicht widersprechen. Aber Kaschmir kenne ich als Kunstfaser noch nicht. Von dieser edlen Wolle haben Sie einiges hier hängen.

Stimmt. Aber ich habe auch einen Kaschmirhersteller, der seiner sozialen Verantwortung gerecht wird, indem er in der Mongolei, woher er ja seine Wolle bekommt, einen Schulbau unterstützt. Das gefällt mir. Ich habe gerade eben auch Handtücher in mein Sortiment aufgenommen, die zur Hälfte aus Plastikflaschen hergestellt werden. Oder ich denke auch an die kleine Parfümerie aus Korsika, deren Düfte ich von Frühjahr an bei mir im Laden haben werde: Es ist für mich wichtig, auch kleinere Labels zu unterstützen oder spezielle Regionen. Das macht nicht nur mein Angebot individueller, sondern ist auch etwas, was mir ganz persönlich wichtig ist. Mode ist nun mal ein Ressourcenfresser, verbraucht in der Produktion unglaublich viel Energie. Dem muss Rechnung getragen werden. Und da passiert auch schon einiges.

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Was zum Beispiel?

Denken Sie doch mal an so manche Fast Fashion-Kette: Da können Sie teilweise bereits ihre dort gekaufte Ware wieder zurückbringen, die dann weiter verwertet wird: "Preloved" oder "Pre-owned" nennt sich das dann. H&M zum Beispiel bietet sogar die Rücknahme jeglicher Kleidung an und gibt den Kunden dafür Gutscheine. Kann man auf der Internetseite des Unternehmens lesen. Manche Kleidungsstücke werden nach eingehender Prüfung sogar wieder verkauft. Was nicht verkauft wird, wird up- oder recycelt. Mit derlei Aktionen, - Zara zum Beispiel arbeitet auch mit dem Bayerischen Roten Kreuz zusammen - wird ein neuer Kreislauf erfunden. Ich persönlich bin sehr neugierig darauf, was noch so alles passieren wird. Eines ist aber klar: Mode muss Leistung bringen, will sie bestehen.

Was aber an einer Tatsache nicht vorbeiführt: Mode ist und bleibt Luxus.

Das ist aber legitim. Bekleidung braucht man ja. Und über sie drücken wir uns aus, wollen etwas darstellen. Das war aber schon immer so. Quer durch alle Epochen.

Ja. Die Röcke waren mal kurz, mal lang, mal eng, mal weit. Gibt es solche Trends im engeren Sinne, also wie eine bestimmte Rocklänge, überhaupt noch?

Ich würde schon sagen. Unisex zum Beispiel ist gerade total angesagt. Weite Jeans, Oversize-Blazer und Sneakers - das tragen heute eben auch Frauen. Aber vermutlich hat dies auch einen kulturell-gesellschaftlichen Hintergrund. Gerade habe ich erfahren, dass man in Dubai beispielsweise fast nur noch aufgespritzte Lippen und künstliche, ganz dicke Wimpernkränze sieht. Viel mehr anscheinend als bei uns. Und dort wird derzeit wohl mehr auf enge, sexy Kleidung geachtet. Fragen Sie mich jetzt aber bitte nicht, warum das so ist. Ich habe auch den Eindruck, dass außerhalb Europas in manchen Ländern Nachhaltigkeit einen geringeren Stellenwert hat als bei uns.

Wenn ich mich bei Ihnen so umsehe, entdecke ich viele hiesige Labels.

Ich würde sagen, 99 Prozent stammen aus Europa, die meisten davon sogar aus Deutschland: Ana Alcazar beispielsweise kommt aus München, Grace aus dem Allgäu, Yippie Hippie aus Reutlingen, Drykorn aus Kitzingen. Ich habe natürlich auch Labels aus Frankreich und Italien, aber nur ausgesuchte. Und eines auch aus Asien. Aber eben nur eines.

Wie Ihre Vorgängerin auch, fahren Sie regelmäßig nach Italien, um dort günstigere Ware einzukaufen. Ist dieser Markt dort nicht fest in chinesischer Hand?

Das stimmt. Aber ich fahre selbst dorthin, um zu sehen, woher meine Ware kommt und wie sie produziert wird. Ich könnte sie in München aber auch einfach wie viele andere über einen Zwischenhändler kaufen. Das bin ich aber nicht. Und meine Kundinnen lieben es, ein günstigeres Stück mal mit einem teuren Label zu kombinieren. Oder auch mal spontan etwas mitzunehmen. Zudem: Es ist wie beim Essen. Nicht jeder kann sich Bio leisten. Und ich will meine Kundinnen glücklich machen. Es soll für jeden Geldbeutel etwas dabei sein. Denn darum geht es ja auch: Man will sich belohnen, man will sich beim Shoppen auch mal wieder ein Stück Normalität zurückerobern in Zeiten allgemeiner Krisennachrichten, Inflation und Haushaltslöchern.

Sie sind jetzt genau ein Jahr im Mode Mosaik in Herrsching. Sie leben aber in München und haben zwei kleine Kinder. Wie schaffen Sie das alles?

Ich gebe zu, dass ich das Ganze anfangs ein wenig unterschätzt habe. Beispielsweise musste ich erst einmal lernen, aus dem Vollen schöpfen zu können, so viel Ware vor mir zu haben, so viele unterschiedliche Dinge und mich dann ständig zu fragen: Habe ich alles richtig eingekauft? Ich komme ja aus dem Modevertrieb, da hat man ja nur mit einer Kollektion der Labels zu tun, die man eben vertritt. Ich habe nun als Händlerin einen ganz anderen Einblick in die Modewelt gewonnen, was auch ein Lernprozess war. Mein Mann nimmt mir aber zum Glück vieles ab und unterstützt mich total. Sonst ginge es nicht. Der Tag ist bei uns komplett durchgetaktet, perfekt organisiert. Wenn abends die Kinder im Bett liegen zum Beispiel, setze ich mich noch einmal hin und schneide meine Videos für Instagram. Ich bin auch da eine Perfektionistin. Das allein raubt mehr Zeit, als man denkt. Aber ich habe hier in Herrsching auch ein wunderbares Team. Dafür bin ich sehr dankbar.

Ulrike Soré (links) hat das "Mode Mosaik" 33 Jahre geführt. Hier ist sie bei ihrer Abschiedsparty und der Vorstellung ihrer Nachfolgerin, Tanja Winheim, im Dezember 2022 zu sehen. (Foto: Nila Thiel)

Wie haben eigentlich die Kundinnen auf Sie reagiert nach mehr als 30 Jahren Ulrike Soré?

Sie haben mich toll aufgenommen, obwohl ich manches sicher anders mache als meine von mir sehr geschätzte Vorgängerin. Hier ist bestimmt vieles anders als in München: Manchmal kommen die Leute nur vorbei auf einen Ratsch, oder wenn sie einen Rat brauchen, nicht nur in Stilfragen. Das gehört heutzutage auch dazu: die Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, sie zu verbinden. Das mag ich sehr gern. Aber man muss ihnen auch etwas bieten: Events zum Beispiel, die es sonst nicht gibt. Gerade in einer Gemeinde wie Herrsching ist so etwas wichtig. Ich denke jetzt mal an den Marktsonntag, an Feuer und Flamme, an den Kunstrausch, im Advent mal Glühwein oder Prosecco auszuschenken. Oder eben auch mal andere mit ins Boot zu holen: zum Beispiel einen meiner Modelieferanten oder einen lokalen Designer. Ich habe da noch viel vor. Und ich bereue es nicht, den Laden übernommen zu haben. Im Gegenteil: Das war die beste Entscheidung meines Lebens.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde an dieser Stelle ein Event am 26. Januar 2024 zum einjährigen Bestehen des Ladens unter Tanja Winheim angekündigt. Nachdem die Feier bereits stattgefunden hat, wurde der Termin nun gelöscht.

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