Gesundheit:"Angst und Stress sind große Themen"

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Maya Heinrichmeier aus Apfeldorf ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und Coachin mit Praxis in Dießen. (Foto: privat)

Der fachliche Austausch unter Medizinern ist üblich, davon profitieren schließlich die Patienten. In Dießen haben sich Heilpraktiker für Psychotherapie und verschiedene Trainer und Coaches zusammengeschlossen - es geht um Qualitätssicherung.

Interview von Carolin Fries, Dießen

"WiR" heißt ein Netzwerk von Therapeutinnen und Therapeuten in und um Dießen, das sich am Samstag, 15. Juli, bei einem Workshop-Tag der Öffentlichkeit vorstellt - und zwar sowohl potenziellen Patienten und Klienten, als auch Berufskollegen. Mitgründerin Maya Heinrichmeier, 46, erklärt, wie es zu dem Zusammenschluss kam und wie dieser helfen kann, die Qualität der Angebote zu sichern. Die Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeitet seit zwölf Jahren selbständig mit Praxis und Ausbildungsinstitut in Dießen am Ammersee.

SZ: Warum haben Sie dieses Netzwerk gegründet?

Maya Heinrichmeier: Das Netzwerk gibt es seit 2018, aus mehreren Gründen. Ich biete in meinem Unternehmen Vorbereitungskurse für die Amtsarztprüfung zum "Heilpraktiker Psychotherapie" an und habe gemerkt, dass viele Absolventen nach der Prüfung in einem leeren Raum landen: Wie funktioniert das jetzt mit der Selbständigkeit, mit Abrechnungen und Steuer, aber auch der Persönlichkeitsentwicklung, die es zur Selbständigkeit braucht? Zudem sah ich das große Potenzial, weil es ja viele unterschiedliche Therapieformen gibt, die man als Heilpraktiker für Psychotherapie anbieten darf. Daraus entstand das Bedürfnis, das zu bündeln und auch zu öffnen für Coaches.

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In anderen medizinischen Bereichen und Einrichtungen wie zum Beispiel Kliniken ist der regelmäßige Austausch üblich.

Darauf blickte ich lange voller Sehnsucht. Wir sind meist Einzelkämpfer. Das hat auch mit der Selbständigkeit zu tun. Dabei macht es für den Therapeuten und auch für den Patienten viel Sinn, wenn man sich reflektieren kann und Themen breiter und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten kann.

Was hat der Patient konkret davon?

Der Patient vertraut sich ja nicht dem Netzwerk an, sondern einem Menschen aus dem Netzwerk. Allerdings hat dieser Mensch, dadurch dass er viele andere Therapeuten persönlich kennt, die Möglichkeit, weiterzuempfehlen. Das mache ich mittlerweile im Durchschnitt einmal in der Woche, weil so viele Menschen anrufen, die Unterstützung und Hilfe brauchen. Und ich um spezialisierte Kolleginnen und Kollegen weiß, die sich beispielsweise auf Kinder und Jugendliche spezialisiert haben oder auf Adoptionsproblematiken. Es kommt hinzu, dass viele der Hilfesuchenden gar nicht genau wissen, für was ein Heilpraktiker für Psychotherapie zuständig ist und für was ein Coach oder Trainer. Da ist die Sortierarbeit sehr wichtig. Wir sind in unserem Netzwerk übrigens auch offen für approbierte Psychologen sowie für Psychotherapeutinnen und - therapeuten - bislang hat sich uns aber noch keiner angeschlossen.

Wie reagieren denn die staatlich zugelassenen Mediziner auf Sie?

Wir werden kritisch beäugt - und das finde ich auch sehr gut. Es geht um eine Professionalisierung im Bereich der Begleitung, darum haben wir uns auch zusammengeschlossen. Einmal im Monat gibt es eine kostenfreie kleine Weiterbildung für die Mitglieder, das kommt natürlich auch beim Patienten an. Genauso wie die Intervision und Supervision der Therapeuten und Coaches, welche wir ebenso monatlich im Netzwerk anbieten. Das ist absolut wichtig - viele Kolleginnen und Kollegen sparen sich das aber aus finanziellen oder zeitlichen Gründen. Die Ausrede gilt so jetzt nicht mehr.

Wer kann sich denn dem Netzwerk anschließen?

Wir sind nicht örtlich begrenzt und haben Leute aus Landsberg, Weilheim, der Ammersee-Region bis nach Fürstenfeldbruck dabei. Interessierte Teilnehmer gibt es etwa 90, aktive Mitglieder 17. Von den Berufsfeldern sind es bislang Heilpraktiker für Psychotherapie, Coaches und Trainer. Wer bei uns reinpasst, kommt ganz auf die Person an. Unsere Statuten und Werte sind auf der Homepage veröffentlicht, das ist ein sehr komplexes Vertragswerk, das wir in über einem Jahr partizipativ erarbeitet haben. Und doch bleibt es experimentell, etwa bei der Frage, was eine gesunde Konkurrenz ausmacht.

In welchen Bereichen ist der Bedarf nach Unterstützung und Hilfe besonders groß?

Das kann ich jetzt nur mit dem Blick durch meine Brille sagen. Angst und Stress sind große Themen bis hin zum klassischen Burn-out, der ganze Bereich der Stresserkrankungen, auch mit Panikattacken und Traumata. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen immer mehr in Angst und Sorge sind, gefüttert von einer großen Sinnlosigkeit.

Wenn sie sich im Netzwerk austauschen, weiß dann halb Dießen von meinen Problemen?

Um Gottes Willen, nein! Wir arbeiten genauso wie ein Arzt und Psychotherapeut mit Schweigepflicht und würden uns strafbar machen, diese zu unterlaufen. Wenn wir in der Intervision einen Fall besprechen, dann absolut anonym.

Der WiR-Workshop-Tag findet am Samstag, 15. Juli, von 10 Uhr an in der Praxis von Maya Heinrichmeier in der Mühlstraße 26 in Dießen statt.

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