Folge der Klimakrise?:Grundwasser auf dem Rückzug

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Ein Experte liest an einer Grundwasser-Messstelle den Pegel ab und notiert dazu die Daten. (Foto: Christoph Schmidt/picture alliance)

Alle Pegel im Fünfseenland werden als "sehr niedrig" eingestuft - die Trinkwasservorräte sind aber vorerst noch sicher. Mit der Klimaerwärmung ist die Niederschlagssumme zwar gleich geblieben, doch es gelangt weniger Wasser in die Grundwasserreservoire.

Von Armin Greune, Starnberg

Nach einer kurzen Erholung im Frühsommer sind die Grundwasserpegel im Alpenvorland wieder rückläufig. Die beiden Messstellen im Fünfseenland bei Unering und bei Gilching weisen laut Landesamt für Umwelt (LfU) "sehr niedrige" Pegel auf - was bedeutet, dass der gegenwärtige Wasserstand nicht mal zehn Prozent des Durchschnittswerts erreicht. Auch die einzige in der Region erfasste Quellschüttung bei Dießen wird als "sehr niedrig" eingestuft. Noch sind die größeren Versorger zuversichtlich, den Bedarf an Trinkwasser mittelfristig sicherstellen zu können. Was aber nicht ausschließt, Vorsorge für künftige Generationen zu betreiben - zumal die Auswirkungen der Klimakrise auf die unterirdischen Wasserreservoire nicht abzusehen sind.

Für den vom Niedrigwasser-Informationsdienst erfassten Grundwasserpegel am Starzenbach nördlich von Gilching wurde am 11. April diesen Jahres ein neuer absoluter Tiefpunkt seit Beginn der Messungen 1978 erreicht. Üppige Regenfälle ließen dann den Pegel bis zum 19. Mai um 87 Zentimeter steigen, bis Ende August fiel er wieder um mehr als einen halben Meter. Aktuell liegt er wieder 20 Zentimeter höher und 3,62 Meter unter dem Gelände. Noch 2014 stand das Grundwasser bereits in 1,50 Meter Tiefe an.

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Eine ähnliche Tendenz registriert das LfU an der Messstelle östlich von Unering: Dort war im Mai der drittniedrigste Grundwasserstand seit Aufzeichnungsbeginn 1980 verzeichnet worden, nur drei Zentimeter mehr als beim absoluten Tiefpunkt 1998. Bis Ende Juni stieg der Pegel um bis zu 40 Zentimeter an, seit sechs Wochen sinkt er allmählich wieder ab, noch liegt er 27 Meter unter der Erdoberfläche.

Der Messpunkt in Unering befindet sich in der sogenannten Tiefenbrunner Rinne, die für das Trinkwasser im westlichen Landkreis Starnberg von entscheidender Bedeutung ist. "Es ist extrem wichtig, dass dieser ergiebige Grundwasserleiter geschützt wird", sagt daher der technische Leiter für die Trinkwasserversorgung Ammersee Wasser- und Abwasserbetriebe (AWA), Thomas Tinnes. Auf einer weitgehend wasserundurchlässigen Schicht aus Sandstein und Mergel ströme das Grundwasser wie ein breiter unterirdischer Fluss durch die eiszeitlichen Kies- und Sandablagerungen in Richtung Norden bis Gilching.

Seit 2006 hat die AWA die Verwaltung der Trinkwasserversorgung für die sechs Gemeinden Andechs, Herrsching, Inning, Pähl, Seefeld und Wörthsee übernommen. Die eigenen Ressourcen decken allerdings weniger als die Hälfte des Bedarfs, deshalb wird vor allem auf die Brunnen des Zweckverbands Wassergewinnung Vierseenland zurückgegriffen.

Wegen technischer und hygienischer Mängel mussten Quellen aufgegeben werden

Mit Andechs und Seefeld haben zwei Gemeinden seit Jahrzehnten überhaupt keine eigene Wasserversorgung mehr. "In den 70er-Jahren gab es auch einmal eine Trockenheit", sagt Tinnes, auch technische und hygienische Mängel oder Verunreinigungen hätten dazu geführt, dass Quellen aufgegeben werden mussten. Inzwischen sei man besser gegen Störungen abgesichert: "Es gibt immer einen zweiten Weg, einen zweiten Brunnen, zweite Pumpen und zweite Leitungen", erläutert Tinnes.

Die AWA sei zur Redundanz verpflichtet, was bedeutet, dass alle sicherheitsrelevanten Bauteile doppelt vorhanden sind. Für sieben Brunnen, eine Quelle, fünf Hochbehälter und vier Druckerhöhungsanlagen ist der Verband zuständig, das gesamte Wasserleitungsnetz ist 467 Kilometer lang. Es erstreckt sich über mehr als ein Drittel der Fläche des Landkreises Starnberg, 35 000 Einwohner und zwei industrielle Großbetriebe werden versorgt.

Entscheidend sei es, "die jetzigen Brunnen, Speicher und Leitungen zu erhalten", so der technische Leiter

Wer den Trinkwasserbedarf der Zukunft abschätzt, müsse auch Faktoren wie das Bevölkerungswachstum durch Zuzug oder den Pro-Kopf-Verbrauch berücksichtigen. Letzterer gibt Grund zur Hoffnung: Der tägliche Konsum sei in den fünf vergangenen Jahrzehnten von 180 bis 200 auf 120 bis 130 Liter pro Person gesunken, berichtet Tinnes. Beim Blick auf die zeitliche Entwicklung des Grundwasserpegels in Unering fällt ihm vor allem auf, dass die Spitzenwerte zwischen den Minima immer niedriger ausfallen. Weitere Brunnen abzuteufen, sei für die AWA nicht opportun: "Für unsere Planung und Investitionssicherung dauern die Verfahren viel zu lange", erklärt Tinnes, "entscheidend für uns ist, die jetzigen Brunnen, Speicher und Leitungen zu erhalten".

Die Starnberger Wasserwerke hingegen halten vorsorglich nach einem weiteren Gewinnungsgebiet Ausschau. Dazu seien zwischen Wangen, Leutstetten und Oberdill Vorsondierungen erfolgt, sagt Werksleiter Thomas Rami. Probebohrungen hätten noch kein verwertbares Ergebnis gefördert, weitere Untersuchungen stünden noch an. Das Projekt sei für die Zukunftssicherung angelegt. Bis eventuell aus neuen Brunnen Trinkwasser gefördert werden, sei ein aufwendiges Genehmigungsverfahren zu absolvieren: "Wenn das dann bloß zehn Jahre dauert, hat man Glück gehabt", sagt Rami.

Aktuell sei in Starnberg "die Wasserversorgung mit unseren sieben Brunnen sehr gut und auch redundant aufgestellt". Etwa vier Fünftel der mehr als 5000 Abnehmer der Kommune werden aus den vier Tiefbrunnen in der Maisinger Schlucht bedient, die 32 bis 92 Meter nach unten reichen - aber dennoch kein "fossiles" Wasser aus dem Tertiär erreichen. Die Geländeschicht unter dem eiszeitlichen Schotter sollte möglichst unangetastet bleiben, um sie als Reserve für künftige Generationen vorzuhalten, findet Rami.

Dass darauf vielleicht früher als erwartet zugegriffen werden muss, hat viel mit der Klimakrise zu tun. Zwar ist im Alpenvorland - im Gegensatz etwa zu Franken, Mittel- und Ostdeutschland - die Niederschlagssumme im Jahresverlauf gleich geblieben. An der agrarmeteorologischen Station in Rothenfeld wurden in den vergangenen 30 Jahren durchschnittlich 950 Millimeter Niederschlag gemessen. Damit liegt die Andechser Wetterwarte ziemlich genau im bayerischen Mittel.

Einfluss nehmen die Versiegelung sowie die Bodenverdichtung durch Landwirtschaft

Mitentscheidend für den Eintrag in die unterirdischen Reservoire sei freilich die Verteilung der Regen- oder Schneefälle, sagt Andreas Schechinger, Geologe am Wasserwirtschaftsamt Weilheim. Im Fünfseen- und Oberland hätten mit der Klimaerwärmung die Starkregenereignisse zugenommen, der gleichmäßige Landregen über mehrere Tage werde seltener. Doch der bringt für die unterirdischen Wasservorräte weit mehr ein, als ein schlagartiger Platzregen, wenn die Poren im Boden noch mit Luft gefüllt sind und der größte Teil des Wassers oberflächlich abfließt. Einfluss nehmen auch der Grad der Oberflächenversiegelung, die Bodenverdichtung durch Landwirtschaft und die Vegetationsdichte.

Einer groben Faustformel zufolge verdunstet mehr als die Hälfte der Niederschlagsmenge wieder, auf Direktabfluss und Grundwasserneubildung entfallen jeweils etwas weniger als ein Viertel. Mit der gestiegenen Lufttemperatur hat vor allem im Sommer die potenzielle Verdunstung zugenommen. Ein Gutachten des Landesamts für Umwelt fasst es wie folgt zusammen: "Die derzeit vorliegenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass zukünftig zu erwartende Änderungen bei Niederschlag und Temperatur (vor allem Regen statt Schnee, mehr potenzielle Verdunstung und Starkregen mit schnellerem und höherem Direktabfluss) in Summe zu Lasten der Grundwasserneubildung gehen werden."

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