Grenzen der "Liberalitas Bavarica":Zensierter Stoiber-Artikel veröffentlicht

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Nach dem Besuch des damaligen Ministerpräsidenten 2007 am Gymnasium Starnberg war in der Schülerzeitung ein Text darüber geplant. Die Schulleitung hat diesen allerdings einkassiert. Nun erscheint er in den "Starnberger Heften"

Von Katja Sebald, Starnberg

Die Nummer 29 der "Starnberger Hefte" ist soeben erschienen und widmet sich dem Thema "Macht". Zum "Machtmissbrauch" ist es da nicht weit. Man möchte an Putin, Erdoğan, Orbán und andere finstere Gestalten denken, an Unterdrückung, Ausgrenzung, Verfolgung und ja, auch an Zensur. Aber ganz sicher nicht an die Bayerische Akademie der Schönen Künste und erst recht nicht an das Starnberger Gymnasium. Wer sich durch die aktuelle Ausgabe liest, wird jedoch eines Besseren belehrt.

"Kritik an der Ausübung von Macht fällt leichter, wenn dies in fernen Ländern oder zumindest in fremden Lebensbereichen geschieht", schreibt auch Ernst Quester, Herausgeber der Literaturzeitschrift und ehemaliger Lehrer am Starnberger Gymnasium, in seinem Vorwort. "Richtet man die Kritik ins eigene soziale Umfeld", so Quester weiter, hält die deutsche Sprache das schöne Wort Nestbeschmutzer bereit."

In seinem Text "Stoiberfieber" erinnert sich Quester daran, wie beim Besuch des damals noch amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten am Starnberger Gymnasium im März 2007 die Grenzen der "Liberalitas Bavarica" deutlich wurden: Ein vom damals 16-jährigen Schüler Fabian Müller geschriebener Artikel für die Schülerzeitung durfte auf Anordnung von oben nicht erscheinen. Die Schülerzeitung veröffentlichte aus Protest leere Seiten. Nun erblickt der Text mit vielen Jahren Verspätung erstmals das Licht der Öffentlichkeit.

Petra Morsbach hat die "Starnberger Hefte" mit einem ihrer Essays zu dem Macht-Thema inspiriert. (Foto: Susanne Geier)

Questers Erinnerungen an die Umstände der Zensur durch den Schulleiter und erst recht der "Bericht über ein schulbewegendes Großereignis" selbst machen deutlich, wie wenig es in Bayern braucht, um über die Obrigkeiten und ihre Machtgefüge zu stolpern: Allein die Formulierung "Ede, der lang ersehnte 'Freistaatsmonarch'" galt schon als Majestätsbeleidigung. Oder war es doch eher die feine Beobachtung des Schülers, dass der Direktor "gestresst wirkt und gequält zu lächeln scheint"?

Wo hört legitimer Gebrauch der Macht auf, wo fängt Machtmissbrauch an? Ausgehend von dieser Frage haben die Redaktionsmitglieder der "Starnberger Hefte" verschiedene Texte ausgewählt. Ermutigt wurden sie nicht zuletzt von Petra Morsbachs kürzlich erschienenem Essay "Der Elefant im Zimmer - über Machtmissbrauch und Widerstand". Die Schriftstellerin, selbst ehemalige Schülerin des Starnberger Gymnasiums, schildert darin unter anderem eine Situation in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, in der plötzlich, ohne Begründung und gegen den Willen vieler Mitglieder, die Regel eingeführt wurde, dass Dichter nicht aus einzelnen Büchern lesen dürfen. In ihrem nun für die "Starnberger Hefte" verfassten Text "Nachlese" berichtet Morsbach über Entstehung und Nachwirkung dieses Essays.

Es sind aber nicht nur die insgesamt 13 Textbeiträge, die das Thema in Vergangenheit und Gegenwart ausleuchten. Von erstaunlicher Aktualität erscheint auch das Titelblatt, das ein Gemälde aus dem Jahr 1779 zeigt: Johann Baptist Baader malte den gelehrten Augustiner-Chorherren in Polling "Pallas Athene im Kampf mit den Dämonen der Dummheit" auf die Tür zur Klosterbibliothek.

Die 29. Ausgabe der Starnberger Hefte ist in den lokalen Buchhandlungen erhältlich und kann über die E-Mail-Adresse info@starnberger-hefte.de direkt bestellt werden

© SZ vom 10.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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