Auf dem Acker hinter der Kletterhalle in Gilching ist der Großteil der Ernte eingefahren. Ein paar Krautköpfe, Rosenkohl und Blaukraut stehen noch, bunte Mangoldstängel recken sich der fahlen Herbstsonne entgegen. Über das Feld verstreut blühen Ringelblumen und Astern. Auch sie wurden noch nicht geerntet. Die unreifen Cocktailtomaten, die an ihren Rispen hängen, werden ihre Röte wohl nicht mehr erreichen, und auch für den hühnereigroßen Miniaturkürbis ist die Zeit abgelaufen. Und dann steht da noch eine etwa 15 Zentimeter hohe Pflanze, die mit ihren dunkelgrünen, fächerartigen langen Blättern einer Palme ähnelt. Palmkohl, wie Michael Gscheidmeier erklärt, den bereits die Römer angebaut haben.
Gscheidmeier kennt sich aus. Seit 20 Jahren ist der Gilchinger schon bei den "Sonnenäckern" dabei und bekam deswegen - so wie auch Monika Hauser, die ebenfalls seit zwei Jahrzehnten auf einem der Felder gartelt - einen Geschenkekorb überreicht. Wer so lange beständig ein Stück Land bewirtschaftet, wird ausgezeichnet von der Solidargemeinschaft Starnberger Land. Am Rande des Feldes haben sich zum Ende der Saison Landwirt Wilhelm Painhofer, Kreisfachberater für Landespflege im Landratsamt Jürgen Ehrhardt und die Sonnenäcker-Verantwortlichen eingefunden. Etwas zu feiern gibt es an diesem Tag. Da ist das Jubiläum der Hobby-Bauern. Außerdem die Übergabe der Aufgaben als Sonnenäcker-Beauftragte von bisher Jana Schmaderer und Judith Birken an ihre Nachfolgerinnen Christina Papst und Uta Neumann.
Seit 2003 können im Landkreis Starnberg von Privatleuten sogenannte Sonnenäcker gepachtet werden. Was klein anfing, hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Mittlerweile gibt es Sonnenäcker in Gilching, Oberpfaffenhofen, Gauting, Krailling, Herrsching, Andechs und Pöcking. Die großen Felder werden dabei von insgesamt 412 Einzelpächtern bewirtschaftet. Tendenz steigend. Wartelisten gibt es nämlich nicht. Wenn Mehrbedarf sein sollte, dann könnten die Äckerflächen einfach vergrößert werden, versichert Landwirt Painhofer. "Bifang", ein altdeutscher Begriff, heißen die etwa 100 Meter langen und 80 Quadratmeter breiten Beete, die auch halbiert verpachtet werden.
Landwirte bereiten im Frühjahr den Acker mit einem Pflug vor. Dann kann die Gartensaison beginnen. Im Herbst wird das Feld wieder umgepflügt. Mit etwa 130 Pächtern ist Krailling der größte Acker. Der Herrschinger ist mit rund 70 der zweitgrößte. In Gilching gibt es zwei Sonnenäcker. An der Kletterhalle haben sich 28 private Gemüsebauern ihre Felder abgesteckt.
Für Gscheidmeier ist es die letzte Saison. "Der Rücken", erklärt er wehmütig. Nach einem Tag am Schreibtisch sei die Feldarbeit für ihn eine willkommene Abwechslung gewesen - ebenso für Monika Hauser, die vor ihrer Rente als Buchhalterin gearbeitet hat. Beide haben in ihrer Sonnenäcker-Laufbahn viel ausprobiert. Von Zuckererbsen, über Bohnen bis zu Melonen oder Pak Choi, einer chinesische Kohlart, wurde allerhand angepflanzt. Besonders gut gedeihen Kohl, Rüben und Kartoffeln, sind sich beide einig. Hauser schwärmt von den "Bamberger Hörnchen", einer alten festkochenden Kartoffelsorte aus Franken, die klein und länglich sind. Auch dunkelblaue Kartoffeln habe sie einmal angebaut. Das selbst gezogene Gemüse schmecke viel besser als das gekaufte, versichert sie. Gerne teilt sie die Feldfrüchte mit Freunden und Nachbarn. Gscheidmeier hat sich sogar einen Einkochkessel besorgt, mit dem er seine Ernte konserviert.
Von Chinakohl rät Gscheidmeier ab. "Die werden von der Weißen Fliege zerfressen", weiß er. Salat gedeihe hingegen sehr gut. "Die Schnecken mögen die trockene Ackererde nicht", sagt er. Und natürlich gehören Blumen auf so ein buntes Feld. An denen habe sie immer eine besondere Freude, so Hauser. Chemische Düngung ist auf den Feldern ein Tabu. Damit die Pflanzen gedeihen, hat jeder sein Spezialrezept. Monika Hauser erinnert sich an eine Kollegin, die nach dem Mondkalender gegartelt hat. Die artenreichen Sonnenäcker seien übrigens ein Paradies für Schmetterlinge. Hauser hat in den vergangenen Jahren einige Schwalbenschwanzraupen entdeckt, die sich zu prächtigen Schmetterlingen entpuppten.
"So lernen die Leute, dass Ackerbau mühsam ist", sagt Landwirt Wilhelm Painhofer
Eine mühevolle Arbeit sei das Ganze schon, gibt sie zu. "Viele denken, man müsste nicht viel machen, alles wächst von alleine". Doch das gilt nur für Unkraut. Wenn das mal überhandgenommen hat, ist der Ernteerfolg dahin. Etliche Pächter geben dann auf. Dabei gibt es Unterstützung von der Solidargemeinschaft Starnberger Land und von den Beet-Nachbarn.
Dieses Jahr war eine besondere Herausforderung. Erst war das Wetter so schlecht, dass statt im April erst im Mai mit dem Pflanzen begonnen werden konnte, dann folgte der trockene Sommer. "Der war eine Katastrophe", sagt Gscheidmeier. Regelmäßig sei er mit Fünf-Liter-Wasserkanistern auf dem Rad zu seinem Feld an der St.-Egidi-Straße gefahren, um die Setzlinge zu retten. "Viel ist trotzdem vertrocknet", bedauert er. Neidvoll blickt er nach München, wo "Krautgärten" Wassertanks zur Bewässerung hingestellt werden. Wenn es so trocken bleibt, bräuchte es das auch für den Landkreis. Dafür gediehen wärmeliebende Gemüsesorten wie Paprika, Tomaten oder Auberginen viel besser als früher, weiß Christine Papst.
Landwirt Painhofer gefällt die Idee der Sonnenäcker noch aus einem anderen Grund: "So lernen die Leute, dass Ackerbau mühsam ist". Vielleicht werde dadurch die Wertschätzung für Bauern steigen. Mit dem Umpflügen des Feldes wird sich Painhofer Zeit lassen. Die Chancen für Kohl und Kürbis, noch etwas weiter zu wachsen, stehen also gut.