Kirche:"Wenn den Menschen die Luft auszugehen droht, brauchen sie uns am dringendsten"

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Stefan Scheifele springt als Pfarrer einer "Mobilen Reserve" in Gauting ein. Der 53-Jährige erkennt Parallelen zwischen der Corona-Pandemie und seinen Militäreinsätzen.

Von Blanche Mamer, Gauting

"Aus meiner Erfahrung als Militärpfarrer weiß ich, dass man am Ende einer Krise die meiste Kraft braucht. Wenn den Menschen die Luft auszugehen droht, brauchen sie uns am dringendsten", sagt der neue Gautinger Pfarrer Stefan Scheifele. Er sieht durchaus Vergleichsmomente zwischen seiner Zeit im Kosovo, wo er von 2002 bis 2006 vier Einsatzbegleitungen absolvierte, und der nicht enden wollenden Bedrohung durch die Pandemie. "Die Einschränkung der Freiheit, der spürbare Druck und die absolute und latente Gefahr gleichen sich", findet er.

Auch wenn sein Amt in Gauting zeitlich begrenzt ist und er bereits am 1. September die Würmtalgemeinde verlassen wird, sieht er diese Zeitspanne als sehr wichtig an. Entscheidend für die Seelsorge sei, den Gläubigen die Gewissheit zu vermitteln, bis zum Schluss und darüber hinaus für sie da zu sein und ihnen beizustehen. "Ich sage ihnen heute, stärkt euer Immunsystem, ruht euch aus, schöpft Kraft, denn die Pandemie ist noch lange nicht vorbei."

Der 53-jährige Pfarrer Scheifele, dem 2018 der Titel "Geistlicher Rat" verliehen wurde, ist für sieben Monate in Gauting, quasi als "mobile Reserve", wie er sagt, als qualifizierte Vakanzvertretung, wie es offiziell heißt. Diese Besonderheit hat er zusammen mit Weihbischof Wolfgang Bischof entwickelt. "Wenn früher eine Pfarrstelle vakant war, hat der Pfarrer aus der Nachbargemeinde die Kirche mitbetreut. Das ist heute nicht mehr möglich, da Pfarreien zusammengelegt wurden und sich damit die Aufgaben der Seelsorger verdoppelt und verdreifacht haben. Wir haben einen Ausweg gesucht und mit der zeitlich begrenzten Vakanzvertretung eine gute Lösung gefunden."

Pfarrer Stefan Scheifele, der den Schäftlarner Pfarrverband seit Herbst 2021 leitet, ist zuversichtlich, dass sich noch genug Kinder und Erwachsene finden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Scheifele hat schon mehrere solcher Interimsaufgaben übernommen, zuletzt war er 15 Monate in der Stadtkirche Geretsried, davor 18 Monate in Vier Brunnen/Ottobrunn, vier Monate im Pfarrverband Fürstenfeldbruck. Der gebürtige Münchner ist 1992 mit 24 Jahren ins Priesterseminar eingetreten und 1998 im Hohen Dom zu Freising zum Priester geweiht worden. Sein Weg war ein kosmopolitischer: Zwar war er selbst nie Soldat, doch zwölf Jahre Pfarrer für Soldaten und ihre Familien. Von 2000 an war er als Militärdekan für den Seelsorgebezirk Berlin/Brandenburg immer wieder als Einsatzbegleitung in Kosovo.

Im April 2008 wurde er für vier Jahre Militärpfarrer für den Seelsorgebezirk Neapel mit den Nato-Standorten in Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Türkei. "Das sind grundverschiedene Welten. Ich habe viel über internationale Zusammenarbeit gelernt und eine Zusatzausbildung in Internationaler Krisenintervention absolviert." Seit 2012 ist Scheifele zurück in Deutschland. Er hat sich weiter qualifiziert zum Heilpraktiker für Psychotherapie und ist augenblicklich in der Endphase der vierjährigen Ausbildung der Erzdiözese zur Supervision. Sein Vorvorgänger Otto Gäng war ebenfalls Militärpfarrer.

Nun aber stehen die Bedürfnisse der Gläubigen in der Pandemie an erster Stelle. Besonders traurig und schwierig findet er Beerdigungen. "Dabei ist das Einhalten der Abstandsregeln ausgesprochen hart. Man kann sich nicht richtig kondolieren, kann sich nicht in den Arm nehmen." Direkte Berührung ist nicht erlaubt, die Kommunion wird über eine lange Pinzette aus dem Kochbedarf erteilt, auch bei Taufen muss der Abstand gewahrt werden, der Täufling wird per Stab und Wattebausch gesegnet und in die Kirchenfamilie aufgenommen.

Ab September folgt Pfarrer Ulrich Lindl auf Stefan Scheifele. (Foto: Privat)

Auch andere Regeln sind einzuhalten. Beispielsweise muss die Heizung in der Kirche eine Stunde vor Beginn des Gottesdienstes ausgeschaltet werden. Und Pfarrer Scheifele, der es liebt, in der Kirche selber Querflöte zu spielen, darf das nun nur noch privat. Sein anderes musikalisches Hobby, Klavierspielen, beruhigt und hilft beim Abschalten. Vor seiner großen Liebhaberei, dem Motorradfahren auf einer schweren Maschine, hat ihn sein Bischof gewarnt. "Er sagte, ich soll es bleiben lassen, er brauche mich noch."

Scheifeles Nachfolger wird Pfarrer Georg Lindl, 56, bisher Leiter der Stadtkirche Traunstein und Dekan des Dekanats Traunstein. Er wird sein Amt in Gauting am 1. September antreten. Pfarrer Ulrich Babinsky, der zuvor seit Anfang 2018 die Gautinger Pfarrei leitete, hat nun ein Amt als Krankenhausseelsorger übernommen.

© SZ vom 22.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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