Kammermusik:Zwischen Empfindsamkeit und musikantischen Ausbrüchen

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Die Geigerin Soyoung Yoon und der Pianist Marcin Sikorski bieten in Gauting ein kontrastreiches Programm mit Werken von Brahms und Prokofjew. (Foto: Georgine Treybal)

Soyoung Yoon (Violine) und Marcin Sikorski (Klavier) überzeugen beim Konzert am Samstag im Gautinger Bosco mit spieltechnischen Finessen.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Wie sich Werke der Komponisten Ralph Vaughan Williams, Brahms, Prokofjew, Piazzolla und Bartók zu einem schlüssigen Konzertprogramm fügen sollten, wurde im Grunde erst in der besonderen Interpretation der Musiker verständlich. Ein zweites Rätsel folgte am Samstagabend im Gautinger Bosco mit den beiden Musikern selbst: Die zierlich-grazile Südkoreanerin im vor allem nach der Pause glamourösen Outfit, Soyoung Yoon (Violine), und der eher wuchtige Pole Marcin Sikorski am Klavier, sind vom Typ und Temperament und von der Mentalität her Welten voneinander entfernt. Sie haben zudem jeweils einen sehr verschiedenen Werdegang absolviert, auch wenn sich ihre Wege etwa beim Henryk Wieniawski Violinwettbewerb in Polen kreuzten.

Dennoch fanden sie nicht nur zu einem einhelligen Zugriff, sondern auch zu einer ausgesprochen homogenen Spielweise und Klangformung zusammen. Die Programmgestaltung erwies sich schließlich als sorgsam ausgetüftelt und von einer präzisen Dramaturgie, für die auch Bearbeitungen in Kauf genommen wurden. Und um den Bogen möglichst weit spannen zu können, stieg das Duo in "The Lark Ascending" (Der Aufstieg einer Lerche) - ursprünglich für Violine und Orchester - mit atemberaubender Zartheit fein gesponnener Klangspuren ein. Die feinsinnig aufblühende Empfindsamkeit in impressionistischer Manier konnte der Poesie des hinterlegten Gedichts von George Meredith gewiss standhalten, zudem genauso dem orchestralen Farbenreichtum des Originals.

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Mit diesem fragilen Zugriff dann an Brahms' Regenlied-Sonate G-Dur ranzugehen, war zunächst ungewohnt, doch das Werk nahm es dankbar an. Es ist eine innige Trauermusik auf die verstorbenen Schumann-Kinder, die Brahms schon mit seinen Regenliedern op. 59 Clara Schumann zum Trost schrieb und nun kammermusikalisch aufgriff. Ein höchst emotionales, zugleich poetisches und erst recht berührendes Werk, dem Yoon und Sikorski einen seltenen Reichtum an feinsinniger Differenzierung angedeihen ließen. Man musste allerdings schon höchst aufmerksam zuhören, um diese Fülle an spieltechnischen Varianten und Klangmixturen der beiden Instrumente wahrzunehmen.

Dieser gestalterische Minimalismus barg ein enormes Potenzial, aus behutsamen Steigerungen und Verdichtungen enorme Wirkungen zu erzielen, wie etwa beim durchaus sperrigen Einschub im langsamen Mittelsatz von sonst seliger Ruhe oder in den wogenden Gesangseinschüben im erregt drängenden Schlusssatz. Solche Momente gaben immer auch die Gelegenheit, aus der unterlegten Spannung große Leidenschaft ausbrechen zu lassen.

Ein Spiel von empfindsamer Innigkeit, Fragilität und Leidenschaft

Mit Prokofjews Sonate F-Dur kam einerseits noch mehr Ernst und ausgeprägte Dramatik ins Spiel, andererseits aber auch eine spieltechnische Verschärfung. Die kriegsbedingte Düsterheit erfüllte das Duo allerdings mit einer innigen Empfindung von Trauer, die dem kraftvollen Werk auch empfindsame Momente tröstender Melodik oder fragiler Resignation bescherten. Die entfesselte Heiterkeit des Schlusssatzes überraschte umso mehr und bewies starkes Kontrastpotenzial.

Der Weg für Piazzolla war geebnet. Aber auch hier eine Überraschung: Keine schmachtend leidende Leidenschaft in den beiden lyrischen Tangos "Oblivion" und "Revirado", sondern empfindsame Innigkeit, eine besondere Mischung aus Fragilität und Leidenschaft, zum Kontrast schon mal mit bravourösen Momenten, aber nie aus der alles überspannenden Atmosphäre ausbrechend. Dramaturgisch gesehen war es die Rücknahme vor dem Finale, sozusagen die Ruhe vor dem Sturm, um einen möglichst kraftvollen Schlusspunkt zu setzen.

Ein fulminantes Finale

Und der gehörte Bartóks "Rumänischen Tänzen" für Klavier, aus denen der Geiger Zoltán Shékely nachträglich für sich eine Violinstimme extrahierte. In dieser Fassung zogen Yoon und Sikorski alle Register spieltechnischer Finessen in Kontrasten zwischen weiten Rücknahmen und wilden musikantischen Ausbrüchen, geizten auch nicht mit Temperament. Nach einem so fulminanten Finale waren Zugaben schwer zu wählen. Das Duo zog daher die Rückkehr zur Feinsinnigkeit vor, liebreizend und berührend in den Kinderträumen von Eugène Ysaÿe, stimmungsvoll und geradezu nostalgisch aus der Sonatine von Dvořák.

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