Landgericht München II:Ex-Polizist missbraucht seine Stieftochter

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Der 61-Jährige aus Gauting gibt die mehr als 200 Taten zu und wird zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Von Christian Deussing, Gauting

Der unscheinbar wirkende Mann betritt den Gerichtssaal und blickt kurz zu den Zuschauern. Seine Handschellen werden gelöst. Der Vorsitzende Richter Martin Hofmann fragt am dritten Prozesstag den früheren Polizisten, wie es ihm jetzt gehe. "Den Umständen entsprechend", sagte am Dienstag der geständige Angeklagte, der sich seit 14 Monaten als mutmaßlicher Sexualstraftäter in U-Haft befindet. Wenige Stunden später verurteilt ihn die 4. Jugendkammer des Landgerichts München II zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten.

Der Gautinger wird wegen sexuellen Missbrauchs in 200 Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs in 16 Fällen mit vorsätzlicher Körperverletzung an seiner heute 17 Jahre alten Stieftochter schuldig gesprochen. Er hatte sich zudem wegen des Besitzes kinder- und jugendpornografischer Bilddateien zu verantworten, die die Ermittler auf seinen digitalen Geräten zu Hause entdeckt hatten. Der Angeklagte nahm das Urteil an, denn die Strafe ging nur zehn Monate über den Antrag seiner Verteidiger hinaus. Dagegen hatten der Staatsanwalt und die Nebenklage-Anwältin der betroffenen Familie eine Gefängnisstrafe von acht Jahren und drei Monaten gefordert. Der Strafverfolger ließ noch offen, in Revision zu gehen. Um das minderjährige Opfer zu schützen, wurden die Plädoyers hinter verschlossenen Türen gehalten.

Das Mädchen musste nicht vor ihrem Peiniger aussagen

Der Angeklagte hatte schon frühzeitig ein Geständnis bei der Polizei abgelegt. Damit blieb es dem Mädchen erspart, in der Verhandlung vor ihrem Peiniger auftreten zu müssen. Die Aussagen der Schutzbefohlenen, die im Alter zwischen neun und 15 Jahren vom Angeklagten missbraucht worden war, sind von einer Ermittlungsrichterin aufgenommen worden. Die Videos wurden dem Gericht nichtöffentlich vorgeführt.

Der Vorsitzende Richter begründete das Urteil damit, dass sich der Angeklagte auch im Prozess der Situation gestellt habe und seine Taten und Schuld umfassend eingeräumt habe - und zudem umgehend eine Therapie beginnen wolle. Er sei auch bereit gewesen, sich um eine Schadenswiedergutmachung zu bemühen, betonte der Strafrichter. Denn der Angeklagte habe 10 000 Euro an Schmerzensgeld dem Opfer überwiesen. Den Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) bewertete das Gericht positiv. Es betonte, dass dies weder ein "Freikaufen noch eine Prozesstaktik" sei, um vielleicht mit einem milderen Urteil davonzukommen.

Das Gericht rechnete auch strafmildernd an, dass sich der ehemalige Polizist mit der Vielzahl seiner Taten auseinandersetze, die im Laufe der Jahre immer intensiver geworden seien. Der Anklage zufolge habe der Mann zunächst mit spielerischem Raufen das Vertrauen des Kindes gewonnen, wenn er es zu Bett gebracht habe. Die sexuellen Übergriffe seien dann heftiger geworden, besonders in einem Hotelzimmer vor vier Jahren bei einer Musical-Fahrt nach Bochum. Laut Anklage war damals das 15-jährige Mädchen dem Täter hilflos ausgeliefert, der auch diese Situation "zielgerichtet ausgenutzt" habe.

Im Prozess ging es auch um die Frage, warum das alles geschehen konnte. Denn der Gautinger, der mit der Mutter des Opfers in zweiter Ehe gelebt hat, war in der Familie eingebunden und auch sonst integriert und finanziell abgesichert. Nun sitzt der Ex-Polizeibeamte nicht nur über Jahre im Gefängnis, sondern hat auch seine Pension verloren. "Ich empfinde es als ganz schlimm, was passiert ist", hat der Angeklagte unter Tränen am ersten Prozesstag gesagt. Und er versicherte, dass er seiner Stieftochter nicht wehtun wollte.

Am Dienstag übergaben seine Verteidiger einen Entschuldigungsbrief an die Anwältin des Opfers. Ob das Mädchen das Schreiben des Täters liest, ist aber ungewiss.

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