Fünfseen-Filmfestival:Eine ganz ausgezeichnete Dampferfahrt

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Die Dampferfahrt ist für Festivalleiter Matthias Helwig eines der Highlights beim Fünfseen-Filmfest. (Foto: Nila Thiel)

Auf der "MS Starnberg" werden erstmals seit Ausbruch der Pandemie wieder drei Filmpreise vergeben - unter Beifall der 400 geladenen Gäste, die ohnehin begeistert sind von der besonderen Atmosphäre an Bord.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Den größten Beifall bekommen die Gewinner des "Goldenen Glühwürmchens" für den besten Kurzfilm "Mach's Licht aus!": Marc Philip Ginolas und Marius Beck. Nach dem eher beklemmenden Film "Unter der Welle" von Veronika Hafner, der zuvor mit dem "Short plus Award" ausgezeichnet wurde, freut sich das Publikum auf der traditionellen Dampferfahrt im Rahmen des Fünf Seen Festivals am Montag auf die zehnminütige Komödie. Als Hauptdarsteller Leon Hagen, der den Abiturienten Carlo spielt und das ganze Team mitgebracht hat, auch noch im breiten schwäbischen Dialekt witzelt: "Wir kommen aus dem tiefsten Oberschwaben vom Bodensee", und es habe sie schon ein wenig "kitzelt" zum Festival zu kommen, ist der Damm gebrochen, und Applaus brandet ihm entgegen.

Die Dampferfahrt ist jedes Jahr ein Highlight auf dem Fünfseen-Filmfestival. Die einzigartige Verbindung von Kultur und Natur war mit 400 Besuchern, darunter Schauspieler wie Jutta Speidel, Johanna Bittenbinder, Jule Ronstedt und Michael Kranz, Schriftsteller Johano Strasser sowie zahlreiche Kommunalpolitiker, ausverkauft. Der laue Abend war wie geschaffen für diese Kreuzfahrt. Es scheint fast so, als habe Festival-Chef Matthias Helwig den stimmungsvollen, orangeroten Sonnenuntergang über der magischen Bergkulisse am Starnberger See bestellt. Und der Film über Carlo (Leon Hagen), der ein Mädchen (Laura Roge) mit nach Hause bringt, aber Angst davor hat, von seinen Eltern erwischt zu werden, passt bestens zu der Dampferfahrt auf der MS Starnberg.

Auch heuer fiebert Helwig diesem Event wieder entgegen - und hofft auf gutes Wetter. (Foto: Nila Thiel)

Helwig zeigt sich sichtlich erleichtert, dass die beliebte Schiffsausflug nach zwei Corona-Jahren endlich wieder stattfinden konnte. Auch mit den Besucherzahlen des Festivals ist er bislang zufrieden. Zwar habe man die Zahlen von 2019 - also vor der Pandemie - noch nicht erreicht, sagt er. Aber nach mehr als 1500 Besuchern alleine am vergangenen Sonntag sei er sicher, dass die 14 000-er- Marke vom vergangenen Jahr geknackt werden könne.

Der Film "The North Drift - Plastik in Strömen", der mit dem "Kino und Klima Award" ausgezeichnet wird, kann nicht vorgeführt werden, weil er mit seiner Dauer von eineinhalb Stunden den zeitlichen Rahmen gesprengt hätte. Auch Regisseur Steffen Krones ist nicht gekommen, doch Anne und Axel Eichberger, die den mit 3000 Euro dotierten Preis gespendet hatten, lesen eine Erklärung vor. Der Film dokumentiere den Weg des deutschen Plastikmülls von der Elbe bis zu den Lofoten am Polarmeer. Er habe den Film gemacht, weil es seinen fünf Monate alten Sohn einmal besser gehen soll, wird Krones zitiert, der das Drehbuch selbst geschrieben hat. Ein großer Wunsch sei es nun, sagt Anne Eichberger, dass dieser Film in Schulen gezeigt werde. Axel Eichberger, der zusagt, dass er auch im kommenden Jahr wieder einen Preis spenden werde, dankt Matthias Helwig. Der Festival-Chef präsentiere nicht nur Schenkelklopfer, sondern auch Themen zum Nachdenken, lobt er.

Die Komödie "Mach's Licht aus" ist mit dem "Goldenen Glühwürmchen" ausgezeichnet worden: hier das Filmteam rund um Hauptdarsteller Leon Hagen (links) (Foto: Nila Thiel)

Die Handlung des Films "Unter der Welle" basiert auf realen Vorkommnissen, sowie auf Interviews mit Betroffenen. Die Kurzfilmpreisträgerin und Regisseurin Veronika Hafner ist als ausgebildete Kinder- und Jugendtherapeutin vom Fach. Das merkt man dem Film an. Eindringlich und beklemmend zeigt sie, wie emotional angeschlagene Menschen manipuliert werden können. Mehrere Mitarbeiter einer Firma sollen in einem abgeschiedenen Yoga-Zentrum ein Führungskräftetraining absolvieren. Die Yoga-Lehrerin fordert ihre Schüler auf, sich zu öffnen. "Lass' los, lass' einfach alles zu. Spüre den seelischen Schmerz", sagt sie, ohne sich darum zu kümmern, ob sie eventuell auf offene Wunden bei den Teilnehmern stößt. Luise jedenfalls will ihren Ängsten nicht begegnen. Als sie sich weigert, vor ihren Kollegen über ihre Probleme zu sprechen, wird sie so lange unter Druck gesetzt, bis sie von ihrer Mutter erzählt, die sich vor ihren Augen (sie war damals fünf Jahre alt) vor einen Zug gestürzt habe. "Überall sind Schreie und Blut, ganz viel Blut, und dann ist alles Schwarz", sagt sie. Ob es tatsächlich ihre eigene Geschichte ist, oder Luise sie nur erfindet, um dem moralischen Druck zu entgehen, bleibt bis zum Schluss offen. Luise jedenfalls sieht sich bald dem Vorwurf ausgesetzt ist, dass die Geschichte nicht wahr ist. Der Film ist kommenden Januar im Bayerischen Rundfunk zu sehen.

Zum Finale wird auf der MS Starnberg an diesem Abend der 100 Jahre alte Stummfilmklassiker "Grandma's Boy" von Harold Lloyd gezeigt, der sehr viele zum Lachen bringt. Den Film untermalen live die Musiker Hans Wolf und Tempo Nuovo, das vom Publikum einen Sonderapplaus bekommt. Als die Starnberg nach etwa dreieinhalb Stunden wieder den Dampfersteg in der Kreisstadt erreicht, gehen die Besucher heiter und in gelöster Stimmung von Bord.

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