Feldafing:Schmetterlingskostüme und Synergien

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Musik im Park kredenzen Embryo feat. Deobrat Mishra (Zitar) und Prashant Mishra (Tabla). (Foto: Arlet Ulfers)

Beim Sommerfest der Villa Waldberta geht es teils meditativ, teils rebellisch zu.

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Künstlerfeste haben eine lange Tradition. In Städten mit Hochschulen für Künste jeglicher Art gehörten sie schon seit Ende des 19. Jahrhunderts zu den großen Ereignissen im Festkalender. Die Münchner Künstlerfeste waren legendär. Ob die der Künstlergesellschaft Allotria oder etwa diverse Faschingsfeste: Sie bewegten ab 1904 nicht wenig die Gemüter. 1913 soll das Arkadienfest über 2000 Faschingsgäste von nah bis sehr fern angezogen haben. Der Grund für die Beliebtheit der Künstlerfeste vor allem der Schwabinger Bohème liegt auf der Hand: Sie lagen nicht nur jenseits der gesellschaftlichen Konventionen, sondern waren auch ideenreich und avantgardistisch, was die künstlerische Umrahmung betrifft.

Werke dafür zu erschaffen gehörte zum festen Programm der künstlerischen Tätigkeit in den Münchner Ateliers und Komponierstuben. Viele Feste haben sich bis heute erhalten, sogar Zuwachs bekommen. Das liegt nicht nur daran, dass Künstler gerne feiern, sondern weil solche ungezwungenen Begegnungen der Kunst förderlich sind. Und das kann man zweifelsohne auch dem Sommerfest der Villa Waldberta vom Samstag attestieren. Zumal, wenn das Wetter mitmacht und der imposante Park der historistischen Villa von 1901/02 in Feldafing eine traumhafte Kulisse samt See- und Alpenblick für künstlerische Beiträge liefert.

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Das Haus hat eine bewegte Geschichte. Benannt ist es seit 1925 nach seiner letzten Bewohnerin, der Ärztin Bertha Koempel. Dank ihrer Stiftung ging die Villa in den Besitz der Stadt München über. 1982 wurde hier das Künstlerhaus etabliert. Mit dem Münchner "Artist in Residence"-Programm für Künstler und Wissenschaftler avancierte es neben dem Ebenböckhaus in München-Pasing zum Ort interdisziplinären Denkens und Arbeitens. Seither stellt es internationalen Stipendiaten jeweils für drei Monate traumhafte Bedingungen fürs Ersinnen und Erschaffen zur Verfügung.

Als besonders wertvoll ist im Konzept das Stipendiatenprogramm zu werten. Durch eine finanzielle Zuwendung wird den Gästen der Rücken freigehalten und ihnen stehen stets auch lokale Kooperationspartner - Künstler oder Institutionen - zur Seite, auf deren Infrastruktur und Möglichkeiten sie zugreifen können. So arbeiten die geladenen Künstler und Wissenschaftler niemals isoliert, haben vielmehr einen direkten Draht zur lokalen Szene und finden die nötige Unterstützung bei der Realisierung von Projekten, was im Gegenzug den hiesigen Künstlern Anregungen liefert.

Während die Live-Musik spielt, arbeitet die japanische Malerin Akiko Ueda an ihrem 2013 begonnenen und in Musikperformances über die Jahre entstandenden Gemälde weiter. (Foto: Arlet Ulfers)
Naoto Yamagishi hat ein Faible für abenteuerliche Klangerzeugung. (Foto: Arlet Ulfers)

Der japanische Perkussionist und Improvisationsmusiker Naoto Yamagishi profitiert von der Kooperation mit der in München lebenden japanischen Pianistin Masako Ohta besonders intensiv, ist die vielseitige Musikerin doch nicht nur blendend vernetzt in diversen Genres bis zur Neuen Musik und Ad-hoc-Improvisation, sondern auch höchst engagiert. Beim Sommerfest improvisierten sie gemeinsam ad hoc, während die japanische Malerin Akiko Ueda dazu ihr 2013 begonnenes und in Musikperformances über die Jahre entstehendes Gemälde weiterbearbeitete. Ein ausgesprochen meditativer Beitrag, zumal Yamagishis sparsamstes Spiel die fernöstliche Ästhetik hochhielt und auch mit der teils abenteuerlichen Klangerzeugung einen gewissen experimentellen Charakter gewann. Mit Steinharfe von Christoph Nikolaus und anderen Lithophonen sowie Querflöte setzte sich das sphärische Klangerlebnis fort.

Meditativ, wenn auch auf eine andere Art, gab sich die Kooperation der Kultformation Embryo mit Marja Burchard (Vibraphon) und Maasl Maier (Sopransaxophon) mit den beiden indischen Musikern Deobrat Mishra (Zitar) und seinem Neffen Prashant Mishra (Tabla), die bereits 2017 mit ihrem ekstatisch-sinnenfreudigen Spiel das hiesige Publikum begeisterten. Deobrat Mishras Stimmakrobatik hatte auch was vom Scat-Gesang, was ebenso eine Verbindung zum Jazz ermöglichte. Die Magie dieser Musik fand eine Entsprechung im Butoh-Tanz mit dem "Butterfly Project" des Meta-Theaters Moosach mit den Tanz-Stipendiaten von 2020 Anna Orkolainen und Shusaku Takeuchi. Eine Tanzperformance in zauberhaften weißen Schmetterlingskostümen, die zur späten Stunde mit Kugellaternen noch einmal den Park in ein magisches Szenario verwandelten.

Die zahlreichen Besucher der Villa Waldberta widmeten sich aber auch den Arbeiten, die sich im kleineren Rahmen präsentierten. Etwa den geheimnisvoll dunklen Hinterglasmalereien "Tagebücher der zerbrochenen Fenster" von Sebastián Gordin im Palmenhaus oder der philosophischen Videoinstallation der Kenianerin Gisemba Ursula, die der rebellischen Portugiesin Dona Beatriz Kimpa vom Ende des 17. Jahrhunderts nachspürte. Das Textplakat an der Hausfassade des britischen Schriftstellers und bildenden Künstlers Joshua Leon hatte eher Mühe, auf sich aufmerksam zu machen.

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