Klimaschutz-Projekt:Großer Aufwand für den Baum der Zukunft

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Die Früchte der Elsbeere dienen Vögeln im Winter als Nahrung. (Foto: Imago)

Um die sehr seltene, aber höchst begehrte Elsbeere zu verbreiten, hat der Staatsforst bei Tutzing eine Samenplantage angelegt. Dort müssen die Setzlinge zunächst Mäusen und Unkraut trotzen.

Von Armin Greune, Tutzing

Die "Schöne Else" ist begehrt, ganz besonders im Fünfseenland. Wohin man schaut, sind dort in den vergangenen Jahren Elsbeerbäumchen gesetzt worden: im Kraillinger Bundesforst, im Gautinger Gemeindewald, im Privatwald bei Unering. An der Gilchinger Umfahrung, bei Inning und Grünsink. Außerdem als Straßenbaum in Utting, auf freiem Feld bei Münsing oder eher verborgen am Naturschutzgebiet Görbelmoos. Im Vorjahr ließ die Stadt Starnberg unter anderem auf dem Söckinger Friedhof und im Petersbrunner Auwald 160 dieser hochgeschätzten Bäume pflanzen. Und selbst die Lücken in der Birkenallee zwischen Alter Ammer, Dießen und Raisting hat das Straßenbauamt Weilheim gerade erst mit Elsbeeren ausgefüllt.

Kein Wunder also, dass die Setzlinge absolute Mangelware sind - zumal Sorbus torminalis ohnehin zu den seltensten Baumarten in Bayern zählt und die Aufzucht enormen Aufwand erfordert. Um die ständig wachsende Nachfrage nach Elsbeeren-Nachwuchs zu stillen, hat der Staatsforstbetrieb München nun bei Tutzing eine Samenplantage angelegt.

Wie die Überschrift der Pressemitteilung zur Pflanzaktion verheißt, sieht das Bayerische Amt für Waldgenetik (AWG) die Elsbeere als "Hoffnungsträgerin im Kampf gegen den Klimawandel". Wörtlich genommen ist das natürlich Unfug: Mit einer Baumart lässt sich nichts gegen die globale Erwärmung ausrichten. Aber die Elsbeere gilt in einer Zeit, da sich das Artenspektrum für die Forstwirtschaft aufgrund der Klimakrise immer weiter verengt, als "Zukunftsbaum", der zur Begründung klimaresilienter Wälder beitragen kann. Sie übersteht Spätfröste, Hitze- und Trockenperioden und ist kaum anfällig für Krankheiten und Schädlinge.

Mit einer Schautafel informieren die Forstbehörden über die Elsbeere und die neue Samenplantage am Garatshauser Wald (von links im Bild Joachim Hamberger, Wilhelm Seerieder, Muhidin Seho und Andreas Zaiser). (Foto: Nathalie Kolb/Bayerische Staatsforsten)

Zudem bietet das größte einheimische Rosengewächs einen hohen ökologischen und materiellen Wert: Für die Landesanstalt für Forstwirtschaft ist die Elsbeere der "Hochadel unter Waldbäumen". Die im Mai blühenden Bäume sind eine wichtige frühe Nektarquelle für Insekten. Die Früchte dienen Vögeln im Winter als Nahrung. Das Holz, auch "Schweizer Birnbaum" genannt, wird für Möbelfurnier, Musikinstrumente und Feinwerkzeuge verwendet. Bei der Pariser Weltausstellung 1900 wurde es zum schönsten Holz der Welt gekürt, für einen Festmeter des sehr gesuchten Materials sind schon 40 000 Euro bezahlt worden. Ihren Trivialnamen verdankt die Schöne Else aber wohl eher der Blütenpracht und dem bunten Herbstlaub.

Die ihr nun gewidmete Fläche an der Straße zwischen Traubing und Garatshausen macht rein ästhetisch gesehen noch wenig her. Hinter einem Maschendrahtzaun stehen in acht Meter Abstand in Reih und Glied 560 dünne Ruten in der etwa zwei Hektar großen Wiese - der Bestand entspricht ziemlich genau dem Gegenteil dessen, was Romantiker als attraktives Waldbild empfinden. Die gerade knospenden Zweige haben kaum Hüfthöhe erreicht, sind aber dennoch zum Teil bis zu 60 Jahre alt: Denn wie beim Obstanbau hat man auf die schmächtigen Unterlagen fortpflanzungsreife Edelreiser gepfropft. An einzelnen Zweigen sind schon Beeren zu sehen, spätestens in zwei, drei Jahren sollen alle Früchte tragen.

Hinter einem Maschendrahtzaun stehen 560 dünne Ruten in der etwa zwei Hektar großen Wiese. (Foto: Arlet Ulfers)

Um dann aus den Samen Bäumchen zu ziehen, sind dann monatelange, umständliche Prozeduren erforderlich. Die kapriziöse Else pflegt nämlich - abgesehen von Wurzelbrut - eine komplizierte Fortpflanzungsstrategie: In der Natur werden ihre Samen erst keimfähig, wenn sie den Darm von Tieren passiert haben. Deshalb sind Elsbeeren auch mehr oder weniger vereinzelt in den Wäldern verstreut.

Im natürlichen Verbreitungsgebiet nimmt das Fünfseenland eine besondere Rolle ein: Südlich der Donau kommt die wärmeliebende Elsbeere nur um Utting und Riederau, zwischen Grafrath und Andechs sowie zwischen Icking und Höhenrain natürlich vor. Die nächstgelegenen Verwandten bei Kelheim oder in Mittelfranken leben in deutlich milderen Gefilden - deshalb verspricht man sich von den südbayerischen autochthonen Bäumen mehr Widerstandskraft gegen Schneelast und Spätfrost.

Die gerade knospenden Zweige haben kaum Hüfthöhe erreicht, sind aber dennoch zum Teil bis zu 60 Jahre alt. (Foto: Arlet Ulfers)

In den vergangenen Jahren sind nur gut 1000 dieser Fünfseenland-Elsbeeren entdeckt worden, wie das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Fürstenfeldbruck gezählt hat. Seit 2015 verfolgt es ein eigenes Nachzuchtprogramm mit Samen aus der Weßlinger Umgebung oder dem Andechser Klosterwald. Dort wurden beispielsweise die Früchte für die in Utting gepflanzten Elsbeeren mit der Hebebühne in Handarbeit von Baumkletterern geerntet. Zur Keimung kamen sie in den Pflanzgarten der Staatsforsten in Laufen an der Grenze zu Österreich, von dort wurden sie zur Aufzucht in einer professionellen Baumschule nach Schleswig-Holstein weitertransportiert. Bis sie in Utting angeliefert wurden, wurzelten sie noch zwei weitere Jahre in Schrobenhausen und hatten schon drei bis vier Meter Höhe erreicht.

In den vergangenen Jahren hat das AELF auch mehrere tausend Elsbeeren in den Wäldern des Fünfseenlands ausgebracht. Doch die Bayerischen Staatsforstbetriebe müssen in viel größeren Dimensionen planen: 2023 allein wurden im Freistaat auf 30 Hektar Kulturen mit insgesamt etwa 90 000 Pflänzchen angelegt.

Für die Plantage wurden Edelreiser von Elitebäumen zusammengeführt

Für die Samenplantage am Garatshauser Wald wurden Edelreiser von Elite-Elsbeeren aus Bayern und Baden-Württemberg zusammengeführt. Mit diesen sogenannten Plus-Bäumen soll höchste Qualität und Vielfalt im Saatgut für die künftigen Waldbäume gewährleistet werden. "Den Genpool zu erweitern ist ganz wichtig", erklärt Wilhelm Seerieder, Leiter des Staatsforstbetriebs München.

Die Pflege der neuen Kultur wird das Unternehmen die nächsten Jahre reichlich beschäftigen. Um sie vor Wildverbiss zu schützen, muss der Zaun ständig kontrolliert werden - denn nicht nur die Förster, auch die Rehe haben einen Narren an der Elsbeere gefressen. Zunächst aber müssten die Bäumchen den Pflanzschock und "ein gewisses Mäuseproblem" überwinden, sagt Seerieder, der ganz in der Nähe in Pöcking lebt. Eine regelmäßige Mahd der Fläche sei dringend notwendig, um den Mäusen die Deckung zu rauben und den Elsbeeren gegen das Unkraut beizustehen. Es passt zu diesen sensiblen Schönheiten, dass sie intensiver Pflege bedürfen - auch später im Forst, wo sie sich ohne gezielte Förderung kaum gegen die Konkurrenz behaupten können.

Steckbrief Elsbeere:

Merkmale: bis zu 30 Meter hoch, maximales Alter 300 Jahre, Stamm bis einen Meter Durchmesser. Meist wesentlich kleiner und nicht älter als 100 Jahre. Ahorn-ähnliches Laub: drei- bis fünfzipfelige, gelappte Blätter; etwa sieben Zentimeter lang. Reinweiße Blüten in auffälligen, bis zu zwölf Zentimeter breiten Trugdolden. Früchte wie fingernagelgroße Mini-Äpfel, anfangs gelb-rötlich, bei der Reife im Frühherbst ledrig-braun. Beeren essbar, Fruchtfleisch körnig und süßlich-sauer. Verwendung roh oder getrocknet, für Marmeladen und zum Schnapsbrennen. Hoher Vitamin-C-Anteil, altes Heilmittel, etwa gegen Magen- und Darmbeschwerden.

Verbreitung: südliches Mittel- und nördliches Südeuropa von Spanien bis zum Kaspischen Meer. In Bayern vor allem auf Kalkböden in Unterfranken und im Jura. Vom Westufer des Ammersees bis zur Isar isoliertes Vorkommen auf kalkhaltiger oder toniger Jungmoräne.

Ökologische Rolle: als Mischbaumart in Laubwäldern. Auf guten Böden konkurrenzschwach. Jahrzehntelanger Rückgang auch wegen starker Nutzung und Wildverbiss. Gerade die Elsbeeren-Bestände im Fünfseenland gelten als gefährdet, deshalb Projekte der Forstbehörden zur Erhaltung und Förderung der Art.

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