Architektur:Dem Denkmalschutz zuvorgekommen

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An der Weilheimer Straße verdeckt ein moderner Anbau ein Häuschen aus dem Jahr 1905. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

An Dießens Hauptverkehrsader kollidiert eine romantische Gründerzeit-Villa mit einem kubistischen Holzanbau. Was ist da schief gelaufen?

Von Armin Greune, Dießen

Gerade am Ammersee-Westufer gibt es ja viele gelungene Beispiele, wie reizvoll ein Ortsbild wirken kann, in dem sich mehr als hundert Jahre alte Gebäude mit moderner Architektur abwechseln. Mit diesem Anblick aber haben manche ästhetisch empfindsamen Menschen Schwierigkeiten: An Dießens Hauptverkehrsader prallen Mansarddach und Zwerchgiebel auf nüchternen Holzflachdachbau. So entstand ein Konglomerat aus romantisch-verspieltem Gründerzeithäuschen und einem wertigem Waldkindergarten, der jeder Speckgürtelgemeinde gut zu Gesicht stünde. Doch wie konnte das gerade in Dießen passieren, wo der Bauausschuss des Gemeinderats eigentlich als besonders kritisch gilt?

Das als Arzt-Häuschen bekannte Anwesen vor dem Umbau. (Foto: Georgine Treybal)

Die Wahrheit ist, dass kein Kommunalpolitiker mit den Umbauwünschen der Bauherren einverstanden war. Zwei Münchener Geschäftsleute hatten das kleine, als "Arzthaus" bekannte Gebäude in der Weilheimer Straße 3 auf einer Zwangsversteigerung 2018 erworben. Sie stellten dem Bauausschuss im Juli 2019 gewissermaßen ein Ultimatum: Entweder Dießen genehmigt eine Erweiterung der bestehenden Grundfläche von 60 Quadratmeter um zwei Anbauten mit insgesamt 75 Quadratmetern. Oder das Anwesen aus dem Jahr 1900 wird abgerissen und ein 150-Quadratmeter Neubau auf dem 550 Quadratmeter-Grundstück errichtet. Was den Bauwerbern persönlich sehr leid täte, weil dann ein weiteres altes Gebäude aus dem Ortsbild verschwinden würde, hieß es seinerzeit in der Bauvoranfrage. Die Gemeinderäte verweigerten beiden Varianten die Zustimmung und beschlossen stattdessen einstimmig eine Überprüfung, ob das Arzthaus die Kriterien als Baudenkmal erfüllt.

Im Juli 2019 ließen die Bauherren neue Türen und Fenster einbauen, bevor das Denkmalamt das Haus bewerten konnte. (Foto: Georgine Treybal)

Die Antwort fiel frustrierend aus: Wegen "baulicher Veränderungen in jüngster Zeit" reiche die Bedeutung des 1905 im Heimatstil errichteten Hauses nicht mehr aus, um den Nachtrag in die Denkmalliste zu rechtfertigen. Bis zur Besichtigung des Landesamts für Denkmalpflege am 5. August hatten die Eigentümer historische Elemente wie Türen und Fenster erneuert und das Innere weitgehend entkernt. Zähneknirschend stimmte der Bauausschuss im September 2019 mit Ausnahme von Michael Hofmann dem scheinbar kleineren Übel zu.

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