Pianistenclub München:Chopins innere Welten

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Stark emotionale Erzählung: die Südkoreanerin Para Chang am Klavier. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim "Kleinen Sommerfestival" auf Schloss Fußberg in Gauting bieten gleich mehrere Pianistinnen eine emotional schlüssige Entdeckungsreise durch die Innenwelten des polnischen Komponisten.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Der Pianistenclub München passt gut zur Remise des Schlosses Fußberg in Gauting, genauso zum dort stattfindenden "Kleinen Sommerfestival", das in diesem Jahr zum 15. Mal über die Bühne geht. Diese Stimmigkeit liegt vor allem an der konzeptionellen Programmentwicklung der Konzerte, die der Grundidee eines Festivals gerecht wird. Zudem hat das stets kommentierte Repertoire meist etwas Salonmäßiges an sich. Zwar fehlt der Remise der aristokratische Glanz der Pariser Salons, doch die behagliche Intimität tat trotz gänzlicher Auslastung ihre Wirkung, zumal mit Unterstützung in diesem Jahr der ausgestellten Arbeiten der Gautinger Künstlerin Verena Friedrich.

Und genau genommen war auch Chopin, dem die Idee zu diesem Konzert vom künstlerischen Leiter des Festivals, Florian Prey, galt, trotz seiner Empfindsamkeit und Gewandtheit in der gehobenen Gesellschaft doch eher ein Freund der ländlichen Zurückgezogenheit, in der er in Polen aufgewachsen war und die er später auf Mallorca suchte. Das konnte man auch in seinen Briefen direkt und zwischen den Zeilen heraushören, die Aglaya Zinchenko für ihre Moderation ausgewählt hat. Bilder versprach die Russin, wie auch Chopins Musik bildhaft sei, doch dies war nicht allzu eng zu nehmen.

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Witz und sprachliche Originalität schienen zumindest genauso einen Ausschlag für die Auswahl gegeben zu haben. Chronologie spielte indes keine Rolle, weder im Repertoire noch in der Moderation. Es ging vielmehr um inhaltliche Schlaglichter auf das Leben und Wirken des Klavierkomponisten und Pianisten, der wie kein anderer mit seiner Musik dem Instrument eine bestimmte Klangfärbung und einen besonderen Charakter zu verleihen vermochte. Allerdings sind sie den Noten offenbar nicht per se gegeben. Die Südkoreanerin Para Chang überging das kerzenflackernde Schillern der Salonnächte im Nocturne op. 32/1 und entdeckte eine stark emotionale Erzählung, die sich zum Schluss auch noch dramatisch verdichtete.

Diese Perspektive behielt sie auch in den Tänzen Mazurka op. 17/4 und Walzer op. 64/2 bei, die sich mit ausgeprägtem Rubato eindeutig zum konzertanten Fach bekannten. Eine gewisse, zurückhaltende tänzerische Beschwingtheit gestand sie ihnen dennoch zu, doch mit einer freien Choreographie - mehr Ballettbühne denn Tanzboden geeignet. Tänze, denen er zunächst in Polen in folkloristischer Form begegnet war, nehmen im Werk Chopins viel Raum ein. So oft er sich ihnen zuwandte, entdeckte er in ihnen auch neue Qualitäten.

Führte nicht nur durch den Abend, sondern trat auch als Pianistin in Erscheinung: die gebürtige Ukrainerin Aglaya Zinchenko. (Foto: Arlet Ulfers)

Irina Shkolnikova, die gebürtige Ukrainerin aus dem nun zerstörten Charkiw, fand Spuren dieses musikalischen Nachsinnens in den "Drei Mazurken" op. 59, die ihren tänzerischen Schwung immer wieder unterbrachen, um konzertante Qualitäten mit starker Chromatik oder sinnierender Melancholie zu suchen. Weitere Varianten fand Shkolnikova in den beschwingt rhythmisierten "Drei Ecossaisen" op. 72/3, die aber sehr leicht, nahezu filigran verspielt daherkamen.

Anders als in diesen intimeren Formen verfuhr Chopin in den großen, ausgeprägt konzertanten Tänzen, die das Programmkonzept folgerichtig dem großen Konzertfinale vorbehielt. Sylvia Dankesreiter spielte in ihrem Fast-Heimspiel denn auch die virtuose Karte des "Grande Valse brillante" op. 34/1 mit der gebührenden Bravour aus, heiter und festlich, in den lyrischen Passagen warmtonig ausgesungen, zum Schluss aber auch reichlich furios.

Zinchenko blieb nicht nur beim gesprochenen Wort

Ein solcher gestalterischer Reichtum liegt auch dem Fantaisie-Impromptu op. post. 66 zugrunde, das die in München lebende Russin Nathalie Koshokar mit perlender Transparenz differenzierte. Nachdem sie zuvor das traurig sinnierende Nocturne op. post. 71/1 überaus empfindsam - grandioses Pianopianissimo! - vortrug, wirke das Wirbeln des Impromptu umso virtuoser, der verträumte Gesang darin aber auch wesensverwandt.

Zinchenko blieb nicht nur beim gesprochenen Wort und steuerte selbst acht musikalische Bilder am Flügel bei. Ausgewählte Konzertetüden aus op. 10 und 25, die zwar als Übungsstücke bestimmte spieltechnische Aspekte fokussieren, darüber hinaus aber auch ausgesprochen reizvolle Vortragsstücke sind. Diese Dualität nutzte die international tätige Pianistin, um einerseits ihre virtuose Pianistik vorzuführen, aber auch mit ihrer Musikalität zu begeistern. Das Ausdrucksspektrum Zinchenkos überzeugte denn auch nicht nur mit gestalterischem Reichtum und sicherer Schlüssigkeit in der Dramaturgie der einzelnen Werke, sondern vor allem mit der richtigen Balance in der Tonformung, die Chopins typisches Klangbild keinen Moment aus dem Ohr verlor.

Eine Steilvorlage, die Dankesreiter nach ihrem Grande Valse über die traurig sinnierende, schließlich virtuos voranstürmende Etüde op. 25/7 bis zur komplexen Barcarolle op. 60 weiterzuführen vermochte, um schließlich in brillanter Pianistik einen wirkungsvollen Schlusspunkt zu setzen. Eine dramaturgische Entwicklung, die nicht nur klug konzipiert war, sondern zudem mit den ausführenden Pianistinnen eine emotional schlüssige Entdeckungsreise durch die Innenwelten Chopins anbot und sie auch begeisternd inszenierte. Hörbar am frenetischen Applaus des Publikums.

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