Gauting:Musikalischer Brückenbauer

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Gembri-Spieler und Sänger Mohcine Ramdan steht mit seinem Kollektiv "Jisr" auf der Bühne. (Foto: Arlet Ulfers)

Der in München lebende Marokkaner Mohcine Ramdan verbindet beim Konzert im Bosco bayerische Volkslieder mit arabischer Tradition und Jazz.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Brückenbauer zwischen den Kulturen kann es heute nicht genug geben. Es ist auch nur folgerichtig, dass der in München lebende Marokkaner Mohcine Ramdan - Linguist, Sänger, Perkussionist und Gembri-Spieler - keine Band mit festen Mitspielern gründete, sondern ein "Kollektiv", so auf der Webseite zu lesen, offen in alle kulturellen und musikalischen Richtungen. "Jisr" (Brücke) ist dadurch ein sehr dynamisches, sich wandelndes Unternehmen, das den Titel des Konzerts im Gautinger Bosco, "Open Border", im Grunde zum Programm der eigenen Arbeit auserkoren hat und sich mit jedem Projekt neu erfindet. Wenn auch mit einem festen Stamm an Musikern, die schon länger mit der Materie vertraut sind und darin eine gewisse Erfahrung mitbringen.

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Das Konzept an sich ist nicht neu, wie vor allem den älteren Zuhörern im zahlreichen Publikum gewiss bekannt war, hat doch die Formation Embryo um den Multiinstrumentalisten Christian Burchard schon in den 1970er-Jahren damit weltweit Furore gemacht und selbst in Afrika Spuren hinterlassen, die noch für die heutigen Musiker nachvollziehbar sind. Dass die ebenfalls multitalentierte Tochter Marja Burchard, die das Werk ihres Vaters fortführt, immer wieder auch bei Jisr zugange ist, verwundert daher nicht, zumal sich sie und Ramdan offenbar schon seit dem Studium kennen. Heute ist die sogenannte Weltmusik kein Novum mehr, doch geht es bei Jisr nicht nur darum, Musikstücke aus anderen Kulturkreisen nachzuspielen. Im Grunde genommen sind Mohcine Ramdan und die Musiker Musikethnologen, die über die musikalischen Überschneidungen hinaus auch inhaltliche Parallelen in den Texten finden. Geschichten vor allem mythologischer Art, die sich ohnehin in den Jahrhunderten ihrer Überlieferung lokal unterschiedlich gewandelt haben. So fusionierten beispielsweise auch mal Lieder zu "Afrodite" aus Indien, oder Moses aus Marokko.

Die Gembri ist ein afrikanisches Instrument aus Holz und Tierhaut

Musikalisch mit arabischer Grundlage Brücken zu schlagen, ist insofern nicht gar so schwierig, wie es scheinen mag, da mit den Maqamat Modi zur Verfügung stehen, die auch aus dem persischen und türkischen Raum bekannt sind. Ein Maqam variiert in der Harmonie, in den Bewegungsverläufen der Melodie, sodass feindifferenziert Affekte ausgedrückt werden können. Und da es davon hunderte gibt, ist es nicht gar so schwer, für eine Anleihe aus anderer Kultur eine passende Ausdrucksform zu finden. So konnte eben auch ein bayerisches Volkslied in irakischer Gewandung erstaunlich exotisch daherkommen.

Um auch die passenden klanglichen Ausprägungen für die Kulturwanderung parat zu haben, kommt es bei Jisr zu durchaus aparten instrumentalen Konstellationen. Ramdans Gembri, ein spätmittelalterliches afrikanisches Instrument aus Holz und Tierhaut (hier Kamel) in marokkanischer Ausführung mit drei Saiten, ist mit ihrer Basslage stets mit ostinaten Motiven die Grundlage für den Aufbau, die in ihrer repetitiven Monotonie eine gewisse meditative Wirkung ausbreitet. Ramdans melismenreicher, meist hymnisch weittragender Gesang fand vor allem im mikrotonal gleitenden Flötenspiel des Inders Dattarreya Desai einen wirkungsvollen Dialogpartner. Ein tragendes Element, ans Gembri-Spiel gekoppelt, sind natürlich die vielfältigen Rhythmen, die hier in der polyrhythmischen Vielfalt aus der Musik der Gnawa, einer marokkanische Minderheit der Nachfahren von Sklaven aus Regionen südwestlich der Sahara, für Schlagzeuger Matthias Gmelin schon eine große Herausforderung darstellten. Zumal sie sich mit den Rhythmen aus anderen Kulturen zu überlagern hatten und zugleich im modernen Schlagzeug schon eine westliche Adaptation stemmen mussten.

Das Charisma und der Humor von Ramdan spielen eine nicht vernachlässigbare Rolle

Für diesen Brückenschlag lieferten der Trompeter Gergely Lukács und Niko Schabel am Saxophon, die auch eine jazzige Note hineinbrachten und mit arabischen Skalen packende Kulturhybride zauberten, kernige Duette. Griff Schabel indes zur Bassklarinette, machte sich eine warm-orientalische Atmosphäre breit. Jazzig konnte auch Burchard am Flügel mithalten, mit viel Pedal vermochte sie aber auch leicht in die arabische Klangwelt abzutauchen, was ihr allerdings mit ihrer Santur, einem arabisch-persischen Psalterium, weit wirkungsvoller gelang. Ihre Posaunenklänge beim bayerischen Volkslied assoziierten indes weniger Jazz als den alpenländischen Alphornklang.

Das Charisma und der Humor von Mohcine Ramdan spielten im Konzert von Jisr gewiss eine nicht vernachlässigbare Rolle. Er ist nicht zuletzt auch mit seinem Gesang eine Art Rhapsode im Kollektiv, von dem man gerne mehr über die inhaltlichen Hintergründe der arabisch gesungenen Geschichten gehört hätte, zumal sie dann wohl mehr über die kulturellen Verbindungen preisgegeben hätten. Etwa in "Samawi", einem andalusischen Lied, das offenbar im ganzen arabischen Raum in verschiedenen Versionen gesungen wird. Oder im heiter vergnügten "Wah Wah!", was in Marokko ein gutes Gelingen ausdrückt. Und das kann zweifelsohne auch dem Abend im Bosco bescheinigt werden.

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