Regionale Landwirtschaft:Rettet Steakessen die Welt?

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Ein Rindersteak auf dem Teller: Sünde - oder vielleicht sogar gut für die Umwelt? (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Sind Kühe Klimakiller - oder unverzichtbar für die Umwelt? Ein Vortrag in Berg erschüttert das eigene Weltbild.

Von Linus Freymark, Berg

Die Beziehung zwischen Mensch und Rind ist eine besondere. Kinder aus der Großstadt, sonst nicht gerade dafür prädestiniert, in Kontakt mit der Natur zu treten, machen bei Bauernhofbesuchen Bekanntschaft mit den gemütlich dreinblickenden Zeitgenossen. Und auch in Zeiten, in denen vegane Ernährung en vogue ist, kommen die meisten Verbraucher nach wie vor nicht an Käse und Jogurt vorbei. Anders sieht es schon beim Rindfleisch aus, da machen dann doch wieder ein paar mehr Menschen einen Bogen drum herum, man soll schließlich nur wenig rotes Fleisch essen. Schon mal der erste Minuspunkt für das Rind in der Gunst der Verbraucher, aber aus Rindersicht vielleicht kein schlechter. In den vergangenen Jahren ist jedoch noch ein weiterer Aspekt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten: Rinder seien Methanschleudern, heißt es oft - und damit Klimakiller.

Umso erstaunlicher wirkte da der Vortrag des Agraringenieurs Ulrich Mück, der in Berg vor Kurzem über Rinder und ihre Bedeutung für das Ökosystem referiert hat. Denn Mücks These war kurz zusammengefasst: Rinder sind unerlässlich, um den Klimawandel aufzuhalten. Auch weitere Agrarexperten sehen das so. Natürlich stoßen Rinder Methan aus, erklärte Mück. Dies sei jedoch in Relation zu den positiven Aspekten zu sehen. Denn Rinder, von Mück gar als "Verdauungswunder" geadelt, seien essenziell für den Erhalt von Grünlandflächen, welche enorm viel Kohlendioxid binden würden. Dafür brauche es laut Mück in der regionalen und ökologischen Landwirtschaft nicht weniger, sondern mehr Rinder. Und damit sich deren Haltung für die Bauern rechnet, formulierte Mück seine Kernbotschaft an die Verbraucher: Esst mehr Rindfleisch!

Agraringenieur Ulrich Mück arbeitet als Demeter-Berater und fordert: Esst mehr Rindfleisch! (Foto: privat)

Wie bitte? Für den Laien, für den Rinder erst interessant werden, wenn es um den Grillgrad von Steaks geht, klingt das befremdlich. Denn immerhin, das weiß man dann: Fleischessen ist schlecht fürs Klima. Immer. Die meisten Rinder werden schließlich in Ställen gehalten, viel Grünland lässt sich da nicht umwandeln. Den Stallbewohnern wird deshalb oft Soja und Silomais vorgesetzt - auch das keine gute Tat für die umliegenden Weiden und Wiesen.

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Wie kommt der Experte Mück, der als Berater bei Demeter arbeitet, nun darauf? Der Knackpunkt: Mück bezieht sich auf eine Art "perfekte" Tierhaltung. Rinder auf der Weide, weit und breit keine künstlichen Futtermittel. Davon gibt es leider viel zu wenig. Für Mück ist das gleich in mehrerer Hinsicht ein Problem: Grünland, sprich Weiden und Wiesen, speichern enorme Mengen an CO₂. Zudem spielen die Grünflächen eine wichtige Rolle für den Erhalt der Biodiversität, da eine Vielzahl von Insektenarten sie zum Überleben braucht. Rinder wandeln gefressenes Gras, Klee und Kräuter in ihrem Verdauungstrakt in wichtige Mikroorganismen um. Die daraus resultierenden Ausscheidungen seien zudem ein natürliches Düngemittel, um das Wachstum von neuem Grünland anzuregen. "Die Erde braucht Weidetiere und Wiederkäuer", konstatierte Mück. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sei die Zahl der Rinder in Bayern jedoch um fast ein Viertel gesunken.

Rindfleisch aus ökologischer Landwirtschaft? Viel zu teuer, viel zu rot, zu viel Fett

Denn der fleischessende Verbraucher lechzt nach Alternativen: Schwein und Hähnchen, vorzugsweise billig und deshalb aus Massentierhaltung, stehen hoch im Kurs. Regionales Rindfleisch aus ökologischer Landwirtschaft? Viel zu teuer, viel zu rot, zu viel Fett für zu wenige Proteine. Die Folgen laut Mück: 82,5 Prozent des Schlachtgewichts in Deutschlands machen Huhn und Schwein aus, nur 15 Prozent Rindfleisch. Hühner und Schweine aber würden, so Mück, mit Futter von Äckern versorgt. Für die Grünlandnutzung - und damit die CO₂-Bindung - sei dies alles andere als gut.

So weit so gut: Aber könnte man - folgt man Mücks Vorstellung der idealen Viehwirtschaft - dann zwar Milch trinken und Käse essen, aber auf das Fleisch verzichten, damit die Rinder nicht nur ein schönes, sondern auch ein langes Leben haben? Nein, sagt Mück. Denn das könnten sich die Bauern schlicht nicht leisten. Sie wären gezwungen, ihre Kühe zu Hochleistungsmilchmaschinen hochzuzüchten, um sich über die Milch zu finanzieren und müssten auch mehr Kraftfutter einsetzen. Dadurch würde weniger "Milch aus Grünland" gewonnen werden. Mücks Rechnung: Pro Liter Öko-Milch brauche es 25 bis 30 Gramm Rindfleisch.

Nochmal: Mücks Ausführungen beziehen sich auf einen minimalen Teil der Landwirtschaft. Allein das ist ja schon traurig. Noch trauriger ist, zu sehen, was zu tun wäre, um die ideale Form der Land- und Viehwirtschaft zu erreichen - und wie weit wir davon entfernt sind. Aber diese Erkenntnis ist vielleicht hilfreich für die Beziehung zwischen Mensch und Rind.

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