Klassische Musik:Pianistischer Paukenschlag

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Hätte mehr Zuhörer verdient gehabt: Das Konzert des Jungen Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Artem Lonhinov im Andechser Florianstadl und Clara Siegle am Flügel. (Foto: Georgine Treybal)

Das Junge Philharmonische Orchester München brilliert mit drei außergewöhnlich talentierten Pianistinnen im Andechser Florianstadl, doch vielen Musikfreunden entgeht dieser Konzertabend.

Von Reinhard Palmer, Andechs

Nach dem Schlosssudhaus in Seefeld seit 2003 und der Remise Gauting im Rahmen des "Kleinen Sommerfestivals" seit 2009 ist nach einigen Testläufen auch der Andechser Florianstadl ein fester Spielort des Pianistenclubs München: In keiner anderen Region außerhalb Münchens sind die selbstorganisierten Tastenvirtuosen so präsent wie im Fünfseenland. Die Kooperation mit Gabriele Dressler und ihrer in Andechs angesiedelten Veranstaltungsagentur konnte mit einem handfesten Paukenschlag in die nächste Runde gehen. Dank Sponsoren, denn auf satte Eintrittseinnahmen vom heimischen Publikum ist mit klassischer Musik in Andechs kaum zu rechnen. Aber dem Pianistenclub folgen mittlerweile etliche Musikfreunde, die den rustikalen Saal soweit füllen konnten, dass der Aufwand mit einem Symphonieorchester und drei Solistinnen in einer annehmbaren Relation stand.

Idee und Konzept für den Abend mit drei Klavierkonzerten von Susanne Absmaier, die mit kurzen Einführungen Hilfestellungen zum Hören bot, hätten allerdings einen volleren Saal verdient. Möglicherweise hatten sich einige Interessenten vom Namen des Orchesters täuschen lassen - und blieben weg. Aber das Junge Philharmonische Orchester München ist kein Amateur-Jugendorchester, sondern ein professioneller Klangkörper mit Musikhochschulstudenten und -absolventen zu Beginn ihrer beruflichen Karriere. Aus Termingründen sprang in Andechs für den 19-jährigen Chefdirigenten Maximilian Haberstock am Pult der Ukrainer Artem Lonhinov ein: Ein ebenfalls in München ausgebildeter 28-jähriger Geiger und Dirigent, der künftig als erster Kapellmeister am Staatstheater Bern wirkt. Seine Qualitäten demonstrierte Lonhinov souveränen mit klarer Körpersprache, feinjustierender Gestik und einem dem jeweiligen Komponisten adäquaten Zugriff.

Wuchtige Aufschläge, schlüssige Eruptionen, lustvolles und sinnenfreudiges Musizieren

Im Zentrum seiner Arbeit am Pult stand eine satte Klangsubstanz, selbst in den Zurücknahmen in die leisen Register. So konnten daraus wuchtige Aufschwünge und Eruptionen schlüssig emporsteigen, in denen sich die jugendliche Kraft der Musiker überzeugend in Szene setzte, andererseits aber auch eine flexible Basis geboten war, bruchlos und stimmig den Komponisten Beethoven, Mozart und Chopin gerecht zu werden. Diese lustvolle und sinnenfreudige Musizierweise erwies sich im Gesamtkontext als enorm motivierend für die Solistinnen, die auf Einfühlsamkeit setzten konnten, wenn seelentiefe Lyrik gefragt war. Die Jüngste im Bunde, die erst 23-jährige irisch-deutsche Pianistin Clara Siegle, nutzte sie in Beethovens Nr.4 op.58 von 1805 im langsamen Mittelsatz für eine zarte Klage, ja geradezu ein Gebet mit dramatischer Kraft.

Mozart machte im Klavierkonzert Nr.9 KV271 von 1776 das Andantino auch inhaltlich zum ausladenden Zentrum des Werkes, in dem Sylvia Dankesreiter ruhig sinnierend auf ausdrucksstarke musikalische Gedanken mit Tiefgang stieß. Die Russin Polina Spirina griff indes in Chopins Klavierkonzert Nr.1 op.11 von 1830 die zarte Streicherromantik des Orchesters in der Romance auf, um berührende Schönmelodik auszusingen und betörende Klangnuancen zu kreieren. Das Verhältnis des Orchesters zum Solopart durchlief in dem Konzert wichtige Stationen der Gattungsentwicklung, die Lonhinov auch deutlich herausstellte. Das symphonische Konzert von Beethoven bot Siegle die dankbarste Variante, in der das Klavier das einhellig in der Klangsubstanz modellierende Orchester anführen durfte, aber auch schon mal mit hell perlendem Leggiero begleitend kolorierte.

Das Ausdrucksspektrum: von schwebender Elegie bis zu fulminanter Hochdramatik

Mitreißend geriet die Zusammenarbeit von Siegle und Orchester im finalen Rondo, zu Beginn mit beschwingter Vergnügtheit. Schwungvolle Heiterkeit war auch in Mozarts Ecksätzen zu hören, doch geschah dort alles auf einer kammermusikalischen Ebene, auf der sich beide Zutaten gegenseitig ergänzten, auf mozarttypische Weise vom sorgsam differenzierten Klavierpart Dankesreiters dominiert. Während bei den Wiener Klassikern die Virtuosität vor allem als instrumentale Fülle und als Spannungselement fungierte, bestand die Aufgabe Spirinas darin, brillant und bravourös zu inszenieren. Mit dem erweitert differenzierenden Orchesterpart offenbarte sich ein weit gespanntes Ausdrucksspektrum, das von schwebender Elegie bis zu fulminanter Hochdramatik reichte. Gerade in der Gegenüberstellung der drei Komponisten ergab sich eine spannende Lehrstunde der Stilistik. Ein Mehrwert, der auch anspruchsvolle Hörer hätte locken sollen.

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