Prozess in München:Frau gibt Adresse an Messestand an - Mann stalkt sie

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Das Gerichtsgebäude für das Amtsgericht, das Landgericht I und II in München: Zum Prozessauftakt ging es erst einmal nicht um Schuld oder Unschuld. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Ein 33-Jähriger lernt auf einer Messe eine verheiratete Frau kennen und stellt ihr jahrelang nach, auch trotz Kontaktverbots. Nun entscheidet das Landgericht, ob der Mann in die Psychiatrie muss.

Von Susi Wimmer

Es war nur ein kleines Herzchen, das Lena L. ( alle Namen geändert) zusammen mit ihrer Adresse auf den Teilnahmeschein bei einem Gewinnspiel auf einer Messe in München malte. Alexander F., der an dem Messestand arbeitete, und dem sie den Zettel in die Hand drückte, sah darin einen Liebesbeweis.

Der 33-Jährige verfiel in einen regelrechten Wahn, stellte der 29-jährigen, verheirateten Frau nach, bis diese sich kaum mehr aus dem Haus traute. Jetzt soll die 7. Strafkammer am Landgericht München I entscheiden, ob der Stalker wegen einer möglichen paranoiden Schizophrenie auf unbestimmte Zeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden soll.

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Lena L. schreibt per E-Mail ans Gericht, dass der Fall ihr ganzes Leben "sehr verändert" habe. Sie studiert mittlerweile in den USA, unter anderem wegen des Stalkers. Sie leide bis heute unter psychischen Beeinträchtigungen, etwa wenn jemand dicht hinter ihr auf der Straße gehe, "dann muss ich anhalten, und ihn vorbeilassen". Sie habe vieles getan, um zu vermeiden, dass Alexander F. auch heute noch Kontakt zu ihr aufnehmen kann.

Tatsächlich soll er der Frau ständig aufgelauert haben. Er sagt, nach dem Herzchen auf dem Zettel sei für ihn klar gewesen, dass von ihr "ein Flirt ausgeht". Er erfuhr, dass sie verheiratet ist, dadurch sei eine "Dreierbeziehung" entstanden, meint er. Er soll die Frau ständig beobachtet, ihr Blumen vor die Tür gelegt haben, sie via Social Media und Handy gestalkt haben. Lena L. erreichte vor Gericht ein Kontaktverbot. Aber das war Alexander F. egal.

"Ich war damals sehr verliebt", sagt der Angeklagte

"Er wollte eine Aussprache mit ihr erwirken", sagt sein Anwalt Peter Pospisil. Deshalb schickte F. weiter Mails und Briefe, unter anderem auch mit der Drohung: Wenn sie einen der Briefe ihrem Ehemann zeige, "ist er tot". Sie selbst, so sagte die Frau bei ihrer polizeilichen Vernehmung, habe gar nicht mehr die Kraft gehabt, die Briefe zu öffnen. "Nach vier Jahren habe ich Angst, dass es eskaliert." Sie traue sich abends nicht mehr aus dem Haus, am Tag verlasse sie die Wohnung nur mit dem Handy in der Hand. "Ich rechne ständig damit, dass er mich beobachtet. Ich weiß nicht, was ich noch alles machen soll", sagt sie.

Heute erklärt F., er habe "den Schuss vor den Bug verstanden" und werde die Frau in Ruhe lassen. "Ich war damals sehr verliebt." Als der Vorsitzende Richter Max Boxleitner die Vita des gebürtigen Österreichers abfragen will, wird es schwierig. Der vermeintliche Stalker will über sich so wenig wie möglich preisgeben. Wie seine Eltern heißen, ob er verheiratet ist und Kinder hat.

Im Isar-Amper-Klinikum äußerte man den Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie. F. leide unter Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn. Er meint etwa, dass er von der Mafia verfolgt werde. Und dass seine Identität gestohlen wurde und er eigentlich aus der Ukraine komme. "Das war ein Missverständnis", sagt F. heute dazu. Oder seine Briefe und Posts, in denen davon die Rede ist, dass Adolf Hitlers Ehefrau Eva Braun in der Ukraine vermutet werde. "Da vermisse ich jegliche Logik", sagt Richter Boxleitner.

Alexander F. versichert, dass er in Zukunft seine Medikamente weiter nehmen wolle und es ihm gut gehe. So er frei kommt, wolle er berufsbegleitend Informatik studieren - und in München bleiben.

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