Fürstenried/Forstenried:Kaninchen aus dem Hut

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Gerne streicheln: das Buchfink Theater unterwegs auf dem Festplatz der Stadtteilwoche Fürstenried/Forstendried/Solln. (Foto: Catherina Hess)

Am südlichen Stadtrand feiern 150 Künstler, Vereine und Initiativen - auch dass die 100 000-Einwohner-Marke geknackt ist.

Von Jürgen Wolfram

Der Stadtrand lässt's krachen, und viele, viele machen mit: 150 Künstler, Vereine, Initiativen und sonstige Akteure sind angetreten, um bei der Stadtteilwoche Forstenried-Fürstenried-Solln den suburbanen Dämmer zu vertreiben. Mit dabei illustre Gäste: die Well-Brüder und die Iberl-Bühne zum Beispiel, oder auch Bruno Mayer mit seiner "kunterbunten Überblicks-Radltour" sowie die Bauchtanzgruppe des Alten- und Servicezentrums Fürstenried. Dazu eine imposante Info-Meile der Sozialdienste, Rettungsorganisationen und Freizeiteinrichtungen.

Wie das Kulturreferat es geschafft hat, alle unter einen Hut zu zaubern, ist für sich schon ein Kunststück. Die Entstehung des Koordinationswunders beschreibt Veranstaltungsleiterin Luzia Huber: "Nötig waren zwei offene Vorbereitungssitzungen und dann noch eine ganze Reihe von Telefonaten." Im Zirkuszelt auf der Festwiese an der Herterichstraße rauscht Huber Beifall entgegen, noch ehe sie den österreichischen Kabarettisten Stefan Leonhardsberger überhaupt ankündigen kann. Hat vielleicht nicht nur mit dem mega-üppigen Programm zu tun, sondern auch mit einer großzügigen Geste der Stadt - freier Eintritt, überall.

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Schwer beeindruckt vom Schauplatz der tollen Tage im Münchner Süden zeigt sich die Stadträtin Micky Wenngatz (SPD). Sie vertritt zur Eröffnung den Oberbürgermeister und befeuert die Vorfreude des Publikums mit dem Hinweis, es stünde Kulturgenuss "in vielen Ausdrucksformen" bevor. Das Motto der Stadtteilwoche ("Wir machen was") würde mit Sicherheit erfüllt. Dass dafür "hinter den Kulissen viel zu tun" gewesen sei, schwant dem Bezirksausschuss-Vorsitzenden Ludwig Weidinger (CSU). Zum Auftakt des Kulturprogramms stürmt sodann die Mimin, Buchautorin und Spaßbeschleunigerin Constanze Lindner die Bühne. Ihre Mission: die Leute mitzureißen in einen Wirbel weiblicher Missgeschicke. Zwischenruf eines Neunjährigen: "Bei uns zuhause kocht mein Papa."

Keine Feier ohne Nachhaltigkeit: Beim Upcycling wird aus kaputten T-Shirts Wolle gemacht, mit der man wieder etwas Neues häkeln kann. (Foto: Catherina Hess)

Ohne die Oberbegriffe "Nachhaltigkeit" und "Klima" geht heutzutage nichts mehr, erst recht keine kommunal gesteuerte Volksbelustigung. Eine öffentliche Diskussion über den "Klimawandel vor der Haustür" fehlt ebenso wenig wie ein "Klima Café", das aus dem Verein "treff und tee" hervorgegangen ist. Die Umweltschützer beackern in ihrer "Mit-Wirkstatt" Themen wie "Goodbye Wegwerfgesellschaft" oder "Vom Acker auf den Tisch in die Tonne?". Sprecherin Andrea Grahm deutet an, worin gerade die Hauptaufgabe besteht: "Leute ansprechen, die etwas bewegen wollen und mit uns Projekte entwickeln."

Gewissermaßen im Nebenprogramm bejubelt der Bezirksausschuss denkwürdige Jubiläen. Hat der Stadtbezirk 19, zu dem Forstenried, Fürstenried und Solln gehören, doch die 100 000-Einwohner-Marke geknackt. Man sei jetzt "eine Großstadt im Millionendorf", lautet die stolze Durchsage. Tatsächlich ist diese längst überholt. Einwohnerzahl, Stand 31. Dezember 2022: 101 087. Aber so genau geht's halt nicht, wenn es was zu feiern gibt. Ähnlich verhält es sich mit der kühnen Feststellung, Fürstenried sei 60 Jahre alt. So wenig Rom an einem Tag erbaut wurde, so wenig entstand das Viertel in einem Jahr.

Das weiß niemand besser als Rosemarie Merkl. Sie hat um 1960 dort gewohnt. "Damals gab es nichts als Felder, das Jagdschloss der Wittelsbacher, eine alte Schwaige, die Olympiastraße und eine Schallplattenfabrik", erinnert sie sich. Auf dem Gelände des "Tempo"-Tonträger-Areals war sie damals daheim, denn ihr Vater arbeitete dort als Werksleiter. Die Errichtung der Trabantenstadt Fürstenried habe sich "bis in die 1970er-Jahre hingezogen", sagt Merkl. "Zuerst kam Fürstenried-Ost, dann Fürstenried-West."

Wie man das Lasso richtig schwingt, zeigt der Cowboyclub. (Foto: Catherina Hess)

Zu den kulturellen Highlights der Stadtteilwoche, die noch bis 21. Juni währt, zählen Fotoausstellungen und die "Offenen Ateliertage". Maler aller Genres zeigen ihre Werke. So auch Eva Großhennig und Carolin Chevillotte. Beide haben ihre Werkstatt an der Bleibtreustraße 34 in Solln. Sie arbeiten dort nicht nur in einem architektonisch ungewöhnlichen Gebäude, sondern produzieren großformatige Farbenpracht auch in schönster Tradtition. Denn einst lebte und wirkte hier Carl Johann Becker-Gundahl, ein ruhmreicher Kirchenmaler und Jugendstil-Zeichner. In München ist eine Straße nach ihm benannt.

Rockiger Teil des Drei-Stadtviertel-Festprogramms am heutigen Montag: ein "Tribute to the Rolling Stones"-Konzert im Bürgersaal, Züricher Straße 35. Gut möglich, dass die Band Black and Blue den Hit "You can't always get what you want" anstimmt. Zu diesem Zeitpunkt steht allerdings schon fest, dass die kontaktfördernde Stadtteilwoche kaum Wünsche offen gelassen hat.

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