Stadtgestaltung:Architekten reagieren empört auf Kritik von CSU-Fraktionschef

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Am Vogelweideplatz entstehen die "Bavaria Towers". (Foto: Florian Peljak)
  • Münchens CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hat die jüngere Architektur in München scharf kritisiert.
  • Einer der Vorwürfe: Die immer gleichen Personen bewerteten ihre Architektur gegenseitig - das bemängeln auch die Grünen.
  • Die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer hat sich entschieden gegen die Aussagen gewehrt.

Von Thomas Anlauf und Dominik Hutter

Die Empörung ist groß unter den Architekten, nachdem Münchens CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl in der Süddeutschen Zeitung zu einer Generalabrechnung gegen die Zunft ausgeholt hat. Pretzl sieht "eine Clique aus zwei Handvoll Architekten" am Werk, die in München in den vergangenen Jahren Neubauten errichtet haben, die der CSU-Politiker als "belanglos und uniform" bezeichnet. "Wir müssen die Stadt von den Architekten zurückholen", so Pretzl in der SZ. Die Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer Christine Degenhart, die 24 000 Architekten repräsentiert, ist empört: "Wir weisen das entschieden zurück."

Durch die Aussagen Pretzls werde "ein ganzer Berufsstand an den Pranger gestellt". Allein Architekten für Missstände bei Neubauten verantwortlich zu machen, sei ihr zu einschichtig. Schließlich gebe es bei Bauvorhaben "sehr viele Protagonisten": Auslober, Planer und natürlich die zuständigen Mitarbeiter in der Stadtverwaltung. Auch die besonderen Münchner Verhältnisse müssten berücksichtigt werden: So gebe es einen überhitzten Immobilienmarkt, auf dem sich "im Moment jede Immobile verkaufen lässt", eine Flächenknappheit, die eine maximale Ausnutzung der Bauten führe und eine "Vergabepraxis, die dazu führt, dass meist nicht das innovativste Projekt zum Zuge kommt oder unter der die Qualität der Ausführung leidet". So könne auch ein "mutiger Architekt" manchmal aus vielfältigen Gründen nicht so bauen, wie er es gerne würde.

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"Die Kritik gibt es seit Jahren", sagt SPD-Planungssprecherin Heide Rieke. Natürlich müssten auch junge Büros an den Wettbewerben beteiligt werden. Nur: Das hänge letztlich auch von den Bauherren und Investoren ab, die manchmal davor zurückschreckten, weniger etablierte Architekten zu beauftragen. Viele scheuten das Risiko, dass ein "Newcomer" mit der Aufgabe überfordert ist oder vielleicht die Kosten nicht einhalten kann.

Allerdings habe sich bei den Wettbewerben schon vieles verbessert. Das in München mit vielen Projekten vertretene Büro "Alles wird gut" etwa habe vor einigen Jahren noch zu den weniger etablierten "jungen" Büros gehört. Rieke sieht Probleme eher in den Jurys, bei denen etwa Experten für Brandschutz die Entscheidungen maßgeblich beeinflussten. Es sei "wichtig und richtig", fachmännische Ratschläge zu bekommen, aber die technischen Argumente gewännen zunehmend an Gewicht.

Und dann gibt es natürlich auch noch das Kostenargument, erinnert Rieke. Beim Bauen sei es sehr wichtig, dass auch bezahlbare Wohnungen entstehen. Insofern sei der von Pretzl angeführte Vergleich mit der Hamburger Hafen-City schwierig. Die dortigen Wohnungen seien durch die Bank sehr hochpreisig, Mietwohnungen seien fast gar nicht vorhanden.

Gebäude sind Produkte ihrer Zeit

Rieke widerspricht dem Eindruck, in München entstünden keine qualitätsvollen Bauten mehr: "Man darf nicht nur die Architektur von außen betrachten". Entscheidend sei vor allem auch das Urteil der Bewohner. "Die Frage, ob es eine Nachbarschaftskneipe gibt, ist wesentlich wichtiger als die, ob die Fensteröffnungen jedem gefallen". Zudem müsse man Bauten auch im zeitlichen Kontext sehen. Die Messestadt Riem etwa würde man wohl heute so nicht mehr gestalten, vermutet die SPD-Politikerin. Zu ihrer Entstehungszeit sei der Entwurf aber der richtige gewesen.

Der Vorwurf, die immer gleichen Personen bewerteten ihre Architektur gegenseitig, beschäftigt die Grünen schon seit Längerem. Im September beantragte die Partei, mehr jüngere und unbekanntere Büros zu Architektenwettbewerben vorzuladen und darzulegen, ob der weit verbreitete Verdacht korrekt ist. Die Antwort der Verwaltung steht noch aus, Stadträtin Anna Hanusch findet aber, dass Pretzls Vorstoß nicht von der Hand zu weisen ist.

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Allerdings mahnt auch die Grünen-Politikerin, die Rolle der Bauherren nicht zu vergessen, die man zu gewagteren Konzepten ermutigen müsse. Nur dann fänden sich auch mutigere Entwürfe in den Architektenzeichnungen wieder. Dass die CSU plötzlich für Hochhäuser wirbt, erstaunt Hanusch. Erfahrungsgemäß organisiere die Partei normalerweise gerne den Widerstand gegen allzu hohe Bauten.

Die Präsidentin der Architektenkammer reagierte am Montagnachmittag mit einem offenen Brief auf die pauschale Kritik an den Architekten. Diese "verstehen sich als Garanten einer lebendigen Baukultur und vor allem als Motoren einer kontinuierlichen Stadtentwicklung, die auf die Bedürfnisse der bestehenden Bevölkerung, den berechtigten Ansprüchen einer immer noch wachsenden Metropole wie München die angemessenen Lösungen finden wollen", schreibt Degenhart. Sie bietet Pretzl an, persönlich mit ihm auch öffentlich darüber zu diskutieren, "unter welchen Faktoren gute Architektur entstehen kann".

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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