Feiertag der Iren:Münchner Iren feiern grünes Jubiläum

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Die St.-Patrick's-Day-Parade zieht am Sonntag durch München. (Foto: Florian Peljak)

Nach drei Jahren Corona-Zwangspause zieht am Sonntag erstmals wieder die Saint-Patrick's-Day-Parade durch München. Vorneweg läuft Kneipenwirt Paul Daly. Er hat einst das Festival mitbegründet, das nun zum 25. Mal veranstaltet wurde.

Von Andrea Schlaier

Wenn die U-Bahn am späten Sonntagvormittag waggonweise Menschen in Ganzkörper-Grün an der Münchner Freiheit entlässt und sich mitten auf der Leopoldstraße Security-Personal aufbaut, auf dessen neongelben Jacken brusthoch "Guinness" prangt, dann ist es soweit: die St.-Patrick's-Day-Parade geht nach drei Jahren Corona-Pause wieder an den Start, zum 25. Mal. Aus dem Herzen Schwabings ziehen kurz nach Mittag die Isar-Iren und alle, deren Herz Kleeblatt-Grün schlägt, weiter zum Odeonsplatz und feiern dort den irischen Nationalfeiertag. So gut es eben geht an diesem Sonntag, an dem es nieselt.

Oberbürgermeister Dieter Reiter und seine Frau Petra nehmen in der Kutsche am Umzug teil. (Foto: B. Lindenthaler/imago)

10 000 Zuschauerinnen und Zuschauer seien in diesem Jahr gekommen, sagt die Polizei. 2019 waren es 50 000 und die Parade galt als größte auf dem europäischen Festland. Die Stimmung war in diesem Jahr trotz allem: feuchtfröhlich. Weder das Publikum noch die 1300 Teilnehmer des Zugs ließen sich die gute Laune vom Wetter verderben. Mit 63 Gruppen ist die Parade in München die zweitgrößte - nach dem Trachtenumzug zum Oktoberfest.

Oberbürgermeister Dieter Reiter winkt als Schirmherr des Festivals im grünen Schal von der Kutsche, neben ihm sitzt Gattin Petra. Das Parade-Volk wärmt sich beim Trommelwirbel, bläst sich mit Flöte oder Dudelsack warm oder treibt die Körpertemperatur beim Irish Dance nach oben. Im schönsten Kilt ziehen sie vorbei, als wilde Gesellen, oberbayerische Musikvereine, von der Munich Scottish Association bis zu den Schwuhplattlern ist alles dabei. Vorneweg Wolfgang Schramm im Gewand des Heiligen St. Patrick und Paul Daly als Grand Marshal. An ihrer Seite sechs irische Wolfshunde.

Beckett und Shaw nehmen die Gäste auf den Kirchenbänken ins Visier

"Es fühlt sich wie ein Neuanfang an", sagt Paul Daly drei Tage vor der Parade im Schummerlicht seines Kilian's Irish Pub an der Frauenkirche. "Ich denk' da wieder an die erste Parade und dass ich das machen wollte, damit meine vier Kinder, die hier in München geboren sind, an ihre irische Seite erinnert werden."

Paul Daly, Mitbegründer des Münchner St. Patrick's Day und Grand Marshal auf der Bühne am Odeonsplatz. (Foto: Florian Peljak)

Daly ist Mitgründer der ersten St. Patrick's-Day-Parade 1996 an der Isar, sein Pub, in dem er das im schönstem Insel-Akzent erzählt, eine Erinnerung an die Vergangenheit: Die Gäste rücken hier auf dunklen, langen Holzbänken zusammen, die einmal in Kirchen zwischen Cork und Cavan gestanden haben. Von den Wänden schauen ihnen aus Schwarz-Weiß-Fotografien irische Dorfgesellschaften zu und mit strengem Blick auch Samuel Beckett, George Bernhard Shaw, ein großer Literaten-Kopf der Insel neben dem andern.

Die Sehnsucht der Isar-Iren war 1996 groß, ihren Nationalfeiertag am 17. März so zu feiern wie viele ihrer weltweit verstreuten Landsleute. "Es sollte von Anfang an ein Fest werden, das Iren, Bayern und den Rest der Welt zusammenbringt", sagt Daly. In München findet die Parade traditionell am Wochenende davor statt - dann lässt sich der Verkehr leichter regeln.

"Dublin fair city, where the girls are so pretty."

So sehr Paul Daly die grüne Insel liebt, halten konnte sie den jungen Iren nicht. Obwohl er von dort herkommt, wo es viele hinzieht: "Dublin fair city/where the girls are so pretty." Der Musiker Daly singt einem die Heimathymne unten im Pub-Keller vor. Auch sonst klingt seine Herkunft nach reinstem Insel-Stoff: "Ich bin in der Nähe der Guinness-Brauerei aufgewachsen, meine Schule war direkt nebenan, die Kirche, in der ich Messdiener war, auch. Seit ich vier Jahre alt bin, hab ich jeden Tag Guinness gerochen, das war damals schon sehr angenehm."

Bier, katholisches Setting, grüne Wiesen: Den Bayern fühlen sich die Iren schon eine halbe Ewigkeit verwandt. Schließlich waren hier seit dem 7. Jahrhundert irische Wandermönche zum Missionieren unterwegs, der Irschenberg verweist namentlich darauf. Daly kann lange davon erzählen. "Haben Sie gewusst, das sich ,Grüß Gottʻ vom irischen ,Dia ditʻ ableitet, also ,Gott mit dirʻ?"

Offensichtlich bester Laune: Zuschauer in der Münchner Innenstadt. (Foto: Florian Peljak)

St. Patrick's Day wird in München ein Wochenende lang zelebriert - und die Religion hat dabei einen festen Platz: "Hail glorious Saint Patrick" schallt es am Samstagabend aus der vollen St. Ludwigskirche, wo traditionell der katholische Gottesdienst als musikalisches Hochamt gefeiert wird, mit Harfe, Dudelsack und dem gesungenen Vater Unser auf Gälisch. Auf dem Altar stehen Kleeblätter. Pfarrer Christof Breitsameter segnet das dreiblättrige grüne Symbol der Insel, "Shamrock", das für die Heilige Dreifaltigkeit steht: Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Bayern war Sehnsuchtsort des jungen Paul Daly, der keine Lust hatte, in Dublin als Bankkaufmann zu versauern. 1983 kam er nach einer Westeuropa-Tour mit Gitarre und Banjo in Deutschland an. Nach Zwischenstopps in Erlangen und Regensburg, lässt er sich als Musiker und Kneipier in München nieder, weil es hier eine große irische Community und noch kein von einem Iren geführtes Pub gibt. 1989 macht er in Schwabing das Shamrock auf; es folgen zig weitere Pubs in Süddeutschland. Heute betreibt die Familie nur noch Kilian's Irish Pub an der Frauenkirche. Seit Paul Daly in Rente ist, führen es seine Söhne.

Fahnenwerfer auf dem Weg zum Odeonsplatz. (Foto: Florian Peljak)

Überhaupt haben beim St.-Patrick's-Day-Festival Jüngere die Organisation übernommen. "Der Nachwuchs kommt aus irischen Sportvereinen, die es in München gibt und die Interesse haben, dass der St. Patrick's Day weitergeht", sagt Daly. Derek Mc Donnell, Vorsitzender des irischen Fußballvereins GAA in München, ist inzwischen auch Vorsitzender des Munich Irish Network, von dem das Festival organisiert wird.

In den 70er Jahren lockten Studentenjobs bei BMW junge Iren nach München

Iren ziehe es heute nicht mehr so sehr nach München. Rund 1000 haben hier noch ihren Hauptwohnsitz. 1996 waren es noch doppelt so viele. Berlin ist inzwischen ein stärkerer Magnet. "Da ist die junge Szene, da ist es aufregender", sagt Daly. Nach den Olympischen Spielen sei München in den 1970er Jahren angesagt gewesen, auch wegen lukrativer studentischer Ferienjobs bei BMW.

Als Daly am Sonntag das Ende der Parade erreicht, regnet's leise. Das erste Mal ist er heuer Grand Marshal, ein Ehrenamt. "Damit wird jemand ausgezeichnet, der für die Irish Community etwas geleistet hat." Die Rolle habe er sich für die Zeit aufgehoben, "wenn ich aufhören will". Er lacht. "Ich hab das mit dem Aufhören schon öfter gesagt. Sagt meine Frau."

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