München:Kontinentaler Lichtblick

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Auf und davon? Eher nicht, in der Schlussphase mussten Michelle Strobel (re.) und die Frauen vom Münchner SC noch den Ausgleich hinnehmen. (Foto: Florian Peljak)

Die Frauen des Münchner SC verspielen die Hoffnung auf die Bundesliga-Finalrunde schon zur Winterpause und suchen Trost im Europacup

Von Thomas Gröbner, München

Über dem Tor, in dem gleich der Ball einschlagen wird, weht ein Plakat im Herbstwind wie eine Botschaft aus einer anderen Zeit. "Ihr seid die Besten" steht darauf. Nur sechs Minuten dauert es, dann zappelt der Ball schon unter dem Plakat im Tor - und der Münchner SC liegt zurück gegen den Aufsteiger Uhlenhorst Mülheim. Es ist das 15. Gegentor in dieser Saison, so viele kassierten die MSC-Frauen in der gesamten vergangenen Spielzeit, als sie vor der Finalrunde Erster waren. Von diesem Erfolg sind sie heute weit entfernt.

Gegen den Gast aus dem Ruhrgebiet musste ein Sieg her, um den Rückstand auf Platz vier erträglich zu halten, um erneut in die Endrunde um die Meisterschaft einzuziehen. Das 2:2-Remis war zu wenig, die Mannschaft spielt derzeit ohne ihren Kopf: Seit drei Wochen muss das Team ohne Cheftrainer Chris Faust auskommen, der schwer erkrankt ist. Wann und ob er zurückkehrt, ist offen. Co-Trainer André Schriever vertritt ihn, er hat für dieses wichtige Spiel gleich zwei Nationalspielerinnen ausgemustert. Sturmhoffnung Loughran Sinead durfte sich nicht einmal umziehen. "Ich kann jemanden nicht immer spielen lassen, nur weil sie irische Nationalspielerin ist", begründet Schriever. Ein Fehler? Nach dem Spiel grübelt er: "Vielleicht wäre sie heute explodiert." Zweite Überraschung: Im Tor steht Henrike Duthweiler, die tschechische Nationaltorhüterin Barbora Cechakova muss zuschauen.

"Keine Jahrhundertbälle spielen" brüllt Schriever von der Seitenlinie, als Nina Hasselmann versucht, aus der eigenen Hälfte einen tödlichen Pass zu spielen. Seine Mannschaft wirkt auch kopflos, obwohl sich Hannah Krüger, die Bronze-Gewinnerin von Rio, fast manisch um Ordnung bemüht und sich dabei manchmal im Schlägerdickicht verheddert, wenn sich vier Gegenspielerinnen auf die Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft stürzen. Auch Hasselmann spielte jahrelang im Nationalteam, die beiden bilden eine Achse im Zentrum, die dem Druck nicht immer standhält. Nur 150 Zuschauer sind gekommen, um die Frauen zu unterstützen, die seltenen Anfeuerungsrufe gehen sogar im Geläute der Kirchenglocken unter. Der FC Bayern spielt gleichzeitig vor 75 000, so ein Bayern-Heimspiel "kostet uns 100 Zuschauer", schätzt Schriever. Auch auf dem Feld herrscht Stille. "In der ersten Hälfte waren wir eine tote Truppe", sagt der 34-Jährige. Doch gleich nach der Pause dreht das Spiel: Erst gleicht Hayley Brown aus (39. Minute), dann erzielt Anissa Korth im Anschluss an eine Strafecke sogar die Führung. Doch die hält nur bis zur 57. Minute. In Unterzahl kassiert der MSC den Ausgleich durch Emma Boermans, die einen sehenswerten Konter abschließt.

Mit dem 2:2 ist das Saisonziel Finalrunde kaum mehr zu schaffen. Inzwischen beträgt der Rückstand auf Platz vier schon zehn Punkte. "Ich wollte es nicht wahrhaben. Aber ich muss mich dem wohl beugen, dass wir noch nicht so weit sind und genau da stehen, wo wir hingehören", sagt Schriever. Und trotzdem will er noch etwas loswerden. Schriever fühlt sich vom Verband benachteiligt. Die Bitte um eine Verlegung der Partie wurde abgelehnt. Während andere Vereine schon in der Winterpause sind, mussten die Münchner bis zu diesem Spiel auf der am Abend gefrierenden Anlage üben. "Da macht das Training keinen Sinn, das ist ein Wettbewerbsnachteil." Die Bundesliga hat Schriever nun aufgegeben, ein Ziel bleibt noch: Nach der Bundesliga-Saison richtet der MSC den Europacup aus. Teams aus Irland, Weißrussland, Belgien, Spanien, Aserbaidschan und der Ukraine treten hier an. "Der Pokal würde sich in der überschaubaren Vitrine ganz gut machen", meint Schriever.

Dann marschieren seine Spielerinnen vorbei an diesem Plakat aus erfolgreicheren Zeiten und kutschieren ihre Gegnerinnen in ihren Privatautos zum Flughafen. Und plötzlich ergibt es doch Sinn, dass es dort hängt.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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