"Sie wollen uns erzählen - Zehn Tocotronic Songcomics":Faxen machen wie Fix und Foxi

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Ganz analog hat der Berliner Comic-Künstler Jim Avignon den Tocotronic-Klassiker "Digital ist besser" nachgezeichnet - und den Schlagzeuger Arne Zank damit begeistert: "Wenn ich meine Strichelei dagegen angucke, und der macht Malerei fast in jedem Panel, dann ziehe ich den Hut." (Foto: Ventil Verlag)

"Tocotronic" haben ein Faible für Comics, sehen sogar eine schicksalhafte Parallele zum Zeichner Rolf Kauka. Nun hat die Band am Buch "Sie wollen uns erzählen" mitgewirkt, das ihre Songs in Strichen erzählt.

Interview von Michael Zirnstein

Der Sänger Dirk von Lowtzow zeichnet diddl-mausige Dachse und hält Disneys Eiskönigin für ein Schlüsselwerk; der Bassist Jan Müller war Donaldist, also Duckologe; und der Schlagzeuger Arne Zank verbringt die Zeit beim morgendlichen Matcha-Tee mit seiner Web-Serie über komische Vögel. Man darf behaupten, dass Tocotronic eine Comic-Band sind. Wie groß war die Freude (nicht nur über Platz 2 ihres Best-of-Albums "Sag alles ab"), als Michael Büsselberg nun das Buch "Sie wollen uns erzählen" herausbrachte, in dem zehn Zeichner Songs der Hamburger Combo Strich für Strich interpretieren.

SZ: Welche Superheldenkraft haben Sie?

Arne Zank: Fliegen? Ich hatte schon als Kind und habe immer noch Fliegeträume.

Interessant, dass Sie in Ihrer Web-Comic-Serie Vögel zeichnen, die nicht abheben.

Hm, ja, wenn die fliegen, dann mit Hilfsmitteln, so wie wir. Die sind sehr humanoid.

Wie die Bewohner von Entenhausen.

Das ist klassisch nach solchen Vorbildern gemacht, deswegen kleben die leider am Boden und müssen damit klarkommen.

Wie kam es in der Band an, als Sie 2010 im Donald-Duck-Comic "Die neue Monotronic" veralbert wurden mit Song-Zeilen wie: "Zu leben fällt mir schwer, die Teetasse ist leer ..."

Wir haben das gefeiert. Das hatte was ganz Anrührendes, dass man mit dem, was man macht, auf einmal Einfluss auf solche Werke hat. Manche solcher Erzählungen sind ja ewiglich da, mehr als manche Kunst.

Erklären Sie bitte einem Nicht-Donaldisten, wieso Comics kein Kinderkram sind.

Ich würde eher andersrum sagen: Das sind Kindersachen! Ich bin selbst mit dem Vorurteil aufgewachsen, das Genre sei für Kinder und darum platt, dümmlich oder nicht so viel wert. Aber das Tolle ist doch, dass Comics oft auf einfache Art tief greifende Geschichten erzählen - das erleben wir bei den Tocos in einer Art Entdeckertum.

Welcher Comic hat Sie zuletzt begeistert?

Neulich kam ein Sammelband des Mangazeichners Shigero Mizuki raus. Es geht um seine Jugend, seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg, auch um Geistererzählungen. Ich habe ein Faible für Japan, das habe ich alles verschlungen und durchgeackert.

Ist das wie in der Popmusik, wenn man ganz in die Welt einer Band eintaucht?

Ich glaube immer mehr, dass das wahnsinnig nah beieinander ist: Comic-Sachen und die Populärkultur, die auch so ein Light-Entertainment ist, was man ja gerade mag: eine bunte Welt, oder auch eine düstere, jenseits der Realität. Und wenn man Popmusiker werden will - was Kindisches hat das ja auch. Es ist eben nicht so die Banklehre.

Sehen Sie sich selbst zeichentechnisch als Punk oder als Metal-Gitarrenvirtuose?

Metal habe ich nie verstanden, aber Punk hat uns große Freiheit gegeben. Wenn du meine Vögel-Seiten anguckst, ist das schon eher Punkrock. Man sieht jedenfalls nicht, dass ich mal Kinderbuch studiert habe.

"Sie wollen uns erzählen - Zehn Tocotronic Songcomics", Michael Büsselberg (Hg.), Ventil-Verlag, Hardcover, 128 Seiten, 25 Euro. (Foto: Ventil-Verlag)

Wie kam es denn dazu?

Aus völliger Ratlosigkeit nach dem Abitur. Ein Freund, den ich von Punk-Konzerten in der Hafenstraße kannte, riet mir in einem schicksalhaften Treffen dazu, mich zu bewerben. Es hat mich wahnsinnig befreit, da mit anderen Spinnern was auszuleben. Das Diplom habe ich nicht mehr angestrebt, weil dann mit der Band Halligalli war.

Gibt es einen Rock-Comic, der Ihr Musiker-Lebensgefühl trifft?

Dirk schleppte mal zu Anfang der Grunge-Zeit die "Hate"-Reihe von Peter Bagge an, das hat uns sehr gefallen.

Comics sind Ihr gemeinsamer Nenner?

Total, gerade am Anfang haben wir da viel drüber geredet. Wenn man sich kennenlernt, gleicht man ab, wie man aufgewachsen ist, welche Comics man von den Eltern erlaubt gekriegt hat und welche nicht. Das war immer Thema, auch Zeitgenössisches und Underground-Sachen. Gerade durch das Tocotronic-Comic-Buch haben wir jetzt wieder viel geguckt.

Hat Sie ein Zeichner einen Ihrer Songs in ganz neuem Licht sehen lassen?

Ja, einige. Besonders gefreut habe ich mich über Julia Bernhards "Warte auf mich auf dem Grund des Swimming Pools". Das war ein Zitat von dem eigenartigen New Yorker Künstler Jack Smith, für den Dirk mal so einen Fimmel hatte. Das sind ja oft so komische Lieder, wo man denkt: Wer soll das überhaupt verstehen? Dann zu sehen, dass das Leute wie Julia so persönlich und anders aufnehmen, hat mich berührt.

In Ihrem "Vögel"-Beitrag im Buch beziehen Sie sich auf Rolf Kauka. Halten Sie den "Fix und Foxi"-Fex für unterschätzt?

Klar, der Kauka hat eine Form von Comic nach Deutschland gebracht. Aber er hat auch eine Deutschtümelei reingebracht. Er ist eher ein zwiespältiger Charakter, daher war er Thema bei uns, wohl ironisch. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir auch deutsche Texte machen - das hat immer noch so ein Unwohlsein, eine gewisse Merkwürdigkeit, als wäre man ein Abklatsch. So was haben wir verhandelt in "Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk".

Klingt nach Second-Hand-Jugend-Blues.

Da ist schon so ein billiger Kindheitsfrust. Ich habe viele Comics von Bastei-Lübbe gelesen, die "Bonbon-Taschenhefte" für 50 Pfennig. Da waren die Figuren etwa angelehnt an die Schlümpfe, hießen "Die Schlaulis aus dem Schlingelwald" und hatten eine Siebziger-Jugendsprache. Das hat was wahnsinnig Enttäuschendes, wenn du später merkst, du bist da auf etwas reingefallen.

© SZ vom 19.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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