Sichtflug nach München:"Wir haben keine Asche gesehen"

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Kapitän Thomas Limmer saß drei Tage in Dubai fest. Dann flog er mit einer Sondergenehmigung nach München - auf Sicht. Und mit der ganzen Verantwortung.

Dominik Hutter

Drei Tage saß Thomas Limmer in Dubai fest, am Dienstag um 12:15 Uhr landete er mit Lufthansa-Flug 638 wieder in München - eigenhändig: Der 48-jährige war der Flugkapitän einer der Maschinen, die trotz Flugverbots mit einer Sondergenehmigung der Behörden in der Luft waren.

Kapitän Thomas Limmer ist mit seinem Langstrecken-Airbus unter der Aschewolke durchgeflogen. (Foto: Foto: oh)

SZ: Willkommen daheim. Wie war der Flug?

Thomas Limmer: Ohne besondere Ereignisse. Der Flieger war voll, einige Passagiere etwas genervt von der langen Wartezeit. Der Flugverlauf aber war ganz normal, und auch das Wetter war gut.

SZ: Haben Sie irgendetwas von der Aschewolke mitgekriegt?

Limmer: Zunächst einmal: Das ist ja nicht eine Wolke, wie wir sie gemeinhin kennen, sondern ein sehr zerfasertes Gebilde. Meine Cockpitkollegen und ich haben ab Ungarn zu dritt aus dem Fenster geschaut, aber nichts gesehen.

SZ: Die Verantwortung bei einem Flug nach Sichtflugregeln liegt beim Flugkapitän. Hat man da ein flaues Gefühl beim Start?

Limmer: Nein, das Verantwortungsgefühl unterscheidet sich nicht von dem bei anderen Flügen. Man kann im Gesetz nachlesen, dass der Flugkapitän eigentlich auch sonst für alles verantwortlich ist. Das ist für uns also Alltag.

SZ: Was ist denn anders, wenn man auf Sicht fliegt?

Limmer: Von der Flughöhe her hat sich dieser Flug kaum von anderen unterschieden. Denn der österreichische Luftraum war ja offen - und wenn man Dubai-München fliegt, beginnt schon zwischen Linz und Salzburg der Sinkflug. Wir sind bis zur österreichisch-deutschen Grenze nach Instrumentenflugregeln geflogen, danach begann der Sichtflug. Wir fliegen natürlich auch dann weiter mit Unterstützung unserer Instrumente. Zusätzlich muss man beim Sichtflug immer ausreichend Sicht haben, wir sind also viel mehr von der Wetterlage abhängig als beim Instrumentenflug, bei dem es allenfalls bei Gewittern oder starkem Seitenwind Einschränkungen gibt.

SZ: Wie weit muss man denn mindestens sehen können?

Limmer: Das ist wie beim Auto - je schneller es vorangeht, desto weiter muss man sehen können. Wir haben ab der deutschen Grenze das Tempo reduziert, damit wir gegebenenfalls mehr Zeit zum Reagieren und kleinere Kurvenradien haben.

SZ: Die Flugsicherung hat Sie trotzdem immer im Blick?

Limmer: Wir fliegen natürlich auch bei einem Sichtflug nicht einfach drauflos, sondern in Abstimmung mit den Fluglotsen. Der Anflug auf München fand unter Aufsicht der Flugsicherung statt, die allerdings keine detaillierten Vorgaben mehr macht. Ich kann aber Traffic Informations einfordern.

SZ: Also nachfragen, was vorne los ist?

Limmer: Das ist die Aufgabe eines Fluglotsen - dafür sorgen, dass da, wo ich hin will, kein anderer ist. Ausweichen muss ich selbst, ich kann auch beim Sichtflug Ausweichinformationen einfordern. Beim Instrumentenflug ist dagegen der Lotse für den Ausweichkurs verantwortlich. Das macht aber in der Praxis keinen großen Unterschied.

SZ: Warum darf man nach Sicht-, nicht aber nach Instrumentenflugregeln fliegen? Beeinflusst denn das Flugverfahren die Sicherheit in einer Aschewolke?

Limmer: Also, in eine echte Aschewolke wie die Rauchsäule über Island würde man ohnehin nie hineinfliegen. Wir sprechen hier von Wolkenschwaden oder Dunst-Bestandteilen, die heute morgen um 6000 Meter Höhe prognostiziert waren. Da waren wir deutlich darunter, es geht also eher um Flughöhe als ums Flugverfahren. Natürlich könnte ich theoretisch den gesamten Flug nach Instrumentenflugregeln durchführen. Dann liegt aber die offizielle Verantwortung beim Lotsen. In diesem Fall beim Kapitän.

© SZ vom 21.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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