Schwabing:Weg mit Hürden

Lesezeit: 2 min

Die Seniorenwohnresidenz am Ackermannbogen. (Foto: Robert Haas)

Obwohl die Seniorenresidenz "Domicil" als Vorzeigeprojekt gilt, sind die Müllcontainer nicht barrierefrei zu erreichen

Von Ellen Draxel, Schwabing

Katharina Binamitz tut sich mit dem Gehen schwer. Die Münchnerin ist auf den Rollator angewiesen. Bald wird sie sich nur noch per Rollstuhl fortbewegen können. Seit einigen Monaten lebt Binamitz, die eigentlich anders heißt, deshalb in der Siedlung am Ackermannbogen, im Bereich betreutes Wohnen der 2017 eröffneten Seniorenresidenz "Domicil". Die Wohnung ist behindertengerecht ausgestattet, die Eingangstür allerdings lässt sich nicht automatisch öffnen. Und auch ihren Abfall kann Katharina Binamitz nicht selbst entsorgen: "Unser Haus sieht vor, dass die Bewohner ihren Müll zu Tonnen in der Tiefgarage tragen müssen."

Der Weg zu den Containern würde Binamitz mehr als 200 Schritte abverlangen - in ihrem Fall sehr mühsame Schritte. Mit Rollator und bald womöglich mit Rollstuhl aber ist die Strecke gar nicht zu bewältigen. Denn sie führt über mehrere Treppen und drei schwer zu öffnende Türen, darunter eine metallene Brandschutztür. "Ich kann das nicht nachvollziehen, das ist doch ein neues Haus", wundert sich Binamitz. Natürlich, räumt sie ein, könne sie den Müll auch von anderen wegbringen lassen. "Es gibt hier tausend nette Leute, die mir helfen." Aber das zumindest würde sie "gerne noch selbst bewerkstelligen".

Das Haus an der Lissi-Kaeser-Straße, für 25 Millionen Euro von der Hanseatischen Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB) auf einem städtischen Grundstück mit einem Zuschuss des Sozialreferats von 1,9 Millionen Euro errichtet, gilt als Vorzeigeprojekt. Neben 119 vollstationären Pflegeplätzen, von denen ein Fünftel für Menschen mit schwerer Demenz reserviert ist, gibt es eine Tagespflege mit 15 Plätzen und zwei Nachtpflegeplätze. Das betreute Wohnen umfasst 20 Apartments: Zweizimmerwohnungen zwischen 50 und 60 Quadratmetern, aber auch Einzel-Quartiere. Wer dort wohnt, darf an allen Veranstaltungen des Hauses teilnehmen, kann den Mittagstisch nutzen und sich die Wäsche waschen lassen. Und im Notfall auf einen ambulanten Pflegedienst zurückgreifen. Noch sitzt keiner von den Mietern dieser Apartments im Rollstuhl - aber irgendwann kann das kommen. Das Müllentsorgungsproblem beschäftigt daher auch die anderen Parteien. Besonders wundert die Mieter, dass es offenbar einen eigens für die Mülltonnen geschaffenen, aber nicht genutzten Platz im Garten gibt, direkt vorne an der Straße.

HBB-Chef Oliver Radünz ist sich der Mieterbeschwerde bewusst, sagt aber, seinem Unternehmen seien die Hände gebunden. "Wir wollten damals den Platz an der Straße tatsächlich für die Müllcontainer nutzen und haben deswegen mit der Stadt auch später noch einmal Gespräche geführt. Fakt ist: Der Bebauungsplan lässt Müllhäuschen im Vorgarten nicht zu. Das hat der örtliche Gestaltungsbeirat ganz klar ausgeschlossen." Im Planungsreferat bestätigt man Radünz' Auskunft: "Laut Vorgartensatzung ist der vordere Bereich freizuhalten", erklärt Sprecher Thorsten Vogel. Die Vorgabe sei daher gewesen, die "Mülltonnen barrierefrei im Haus unterzubringen". Dem sei der Bauherr nachgekommen. "Nach den Plänen wurde der Müllraum im Keller vom Pflegeheim untergebracht. Und dieser ist über einen Personenaufzug erreichbar." Doch auch diese Route ist für Binamitz "viel zu weit", zumal dabei ebenfalls schwere Türen zu öffnen sind. Abgesehen davon, dass der Durchgang vom betreuten Wohnen zum Pflegeheim nur für Personal gedacht ist - dafür gibt es eine Türschleuse mit Zahlenschloss. Ist das Ganze also eine Fehlplanung?

Mieter wie Katharina Binamitz, meint HBB-Chef Radünz, könnten den vorhandenen Auto-Aufzug in die Tiefgarage nutzen. Zum Öffnen brauche man einen Chip, den die Hausleitung aushändigen könne. Binamitz ist diese Variante neu, erst im Zuge der SZ-Recherchen kam sie auf den Tisch. Inzwischen hat sie es aber versucht und meint: "Ja, es geht, allerdings finde ich es grundsätzlich nicht wirklich eine Lösung auf Dauer." Sie will sich deshalb weiter um eine leichter erreichbare Tonne bemühen.

Offen bleibt, ob im betreuten Wohnen Automatiktüren eingebaut werden. Bislang gibt es solche Türen im Domicil an der Lissi-Kaeser-Straße nicht, Radünz hält sie für ein "Sicherheitsrisiko", weil sie "einem entgegenkommen können". Die Kosten jedenfalls, betont der HBB-Chef, seien nicht der Grund für das Fehlen von Türantrieben. Dennoch will er seinen Projektchef bitten, den Fall "noch mal zu prüfen".

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: