Schulstart: Aufgaben für die Politik:Und noch eine Ehrenrunde...

Willkommen zurück! Wenn am Dienstag die Schule beginnt, endet auch die politische Sommerpause. Vor den Politikern im Großraum München liegen diverse Herausforderungen, die sie bis Juli 2012 zu bewältigen haben. Die SZ hat in die Lehrpläne bereits Einsicht nehmen können und die wichtigsten Aufgaben in den Kernfächern zusammengestellt. In Bildern.

Kassian Stroh

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(Foto: Florian Peljak)

Willkommen zurück! Wenn an diesem Dienstag wieder die Schule beginnt, endet auch die politische Sommerpause. Vor den Politikern im Großraum München liegen diverse Herausforderungen, die sie bis Juli 2012 zu bewältigen haben. Die Süddeutsche Zeitung hat in die Lehrpläne bereits Einsicht nehmen können und die wichtigsten Aufgaben in den Kernfächern zusammengestellt. Mathematik - die zweite Stammstrecke In Mathe gibt es immer eine eindeutige Lösung? Nicht in Polit-Mathe. Da wäre zum Beispiel der etwas vorlaute Oberprimaner Peter Ramsauer. Der behauptet, bei der Berechnung seines Kostenanteils an der zweiten S-Bahn-Stammstrecke auf verwinkelten Rechenwegen herausgefunden zu haben, dass 60 Prozent der auf zwei Milliarden Euro geschätzten Gesamtkosten nur 100 Millionen ergeben. Der Gautinger Mitschüler Martin Zeil hingegen, bislang eher unauffällig in der Obersekunda, glaubt beweisen zu können, dass 100 Millionen vom Bund und 800 Millionen vom Freistaat niemals zwei Milliarden ergäben. Und der Gröbenzeller Martin Runge, der durch penetrantes Nachfragen Lehrer wie Mitschüler gleichermaßen nervt, hält das alles für Unsinn und Dreisatzrechnungen für obsolet, da am Ende eh alles teurer wird. Offenbar rechnet man in Berlin nach anderen Regeln als in Bayern - und durchsichtig sind sie hier wie dort nicht. Zeil hat erst versprochen, 2018 eine Lösung für die Aufgabe zu haben, jetzt sagt er: 2019. Und Ramsauer spricht von 2025. Versteht das einer? Um das überforderte S-Bahn-System zukunftsfähig zu machen, muss dringend und endlich eine Lösung her, spätestens bis zum Jahresende. Mal sehen, ob die Lösung sich weiter auf halbem Weg zwischen Berlin und München versteckt. Dann muss über mögliche Alternativen zur zweiten Stammstrecke gesprochen werden. Aber angesichts des Trauerspiels der vergangenen Jahre ist das unwahrscheinlich. Die Versetzung ist hier bei den Beteiligten schon jetzt akut gefährdet.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Erdkunde - Energiewende Hier sei zunächst ein Rückblick gestattet: Das Schulamt war durchaus überrascht, dass im vergangenen Jahr alle Klassen das Hauptziel des Lehrplans umgesetzt haben: zu erkennen, dass die Energiewende nötig ist. Danach sah es zu Schuljahresbeginn noch nicht ganz so aus, insbesondere die schwarz gekleideten Mitschüler fielen im Unterricht lange durch großes Desinteresse auf, was sich erst im Frühjahr, dann aber recht rasch, änderte. In diesem Schuljahr geht es nun um die konkrete Umsetzung. Bei der Lernzielkontrolle wird besonders auf folgende Fragen geachtet: Wie werden die negativen ökologischen Folgen des Biogas-Booms ("Vermaisung") klein gehalten? Wo bleibt der Durchbruch der Geothermie? Und wie kann der Denkmalschutz davon überzeugt werden, dass Solaranlagen auf Dächern dann nicht stören, wenn man sie nur aus einem Flugzeug heraus oder von einem Kirchturm herunter wahrnehmen kann? In diesem Fach werden die Schüler in kleinere Arbeitsgruppen eingeteilt, je nach ihrer Herkunft. Sie müssen sich Gedanken machen über eine die Gemeinde- und Landkreisgrenzen überschreitende Zusammenarbeit bei der Ausweisung von Flächen für Windräder. Dass die AG Starnberg hier bereits recht weit fortgeschritten ist, möge Beispiel auch für andere sein. Denn Bauanträge von Investoren können nicht auf unbegrenzte Zeit zurückgestellt werden, dann droht Wildwuchs.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Musik - Konzertsaal Dieses Fach ist ein reines Wahlfach; für das Erreichen des Klassenziels ist es nicht von Belang. Unter Anleitung des beliebten Musiklehrers Mariss Jansons erarbeiten die Schüler eine Begründung dafür, warum das Geld gar nicht so knapp sein kann, als dass man in München nicht ein neues Konzertgebäude bräuchte und hinbrächte. In der Folge klappern sie unzählige von Architekten und Liebhabern ins Gespräch gebrachte Standorte ab und prüfen sie auf ihre Tauglichkeit - mit durchweg mauem Ergebnis. Nachdem "Musik - Konzertsaal" im vergangenen Jahr von einer rein freiwilligen Schul-AG zum offiziellen Wahlfach hochgestuft wurde, mussten leider einige renitente Schüler ausgeschlossen werden. Christian Ude beispielsweise, der darauf beharrt, dass ein mittelmaroder, millionenteurer und dank knebelnder Leasingverträge unverzichtbarer Saal mit der Akustik eines Kraillinger Kuhstalls dem Ruf der Musikmetropole München angemessen sei. Er stört den Unterricht nun nicht mehr, Fachbetreuer Wolfgang Heubisch hatte entsprechend bei der Schulleitung interveniert.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wirtschaft und Recht - Wohnen Dieses Fach ist das wichtigste, zugleich wird es von den Schülern gerne vergessen. Politisch gibt es für den Großraum kein drängenderes Problem als die Schaffung von Wohnraum. Im Lehrplan ist es mit "Wirtschaft und Recht" ausgezeichnet: Es handelt sich um eine wirtschaftliche Frage, es geht um die Mechanismen von Angebot und Nachfrage. Zugleich spielen einige rechtliche Aspekte keine unwesentliche Rolle. So wird den Schülern vermittelt, dass in der bayerischen Verfassung geregelt ist: "Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit" (Artikel 158). "Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- und Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen" (Artikel 161). Oder: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung" (Artikel 106). Auch hier wird viel Wert darauf gelegt, dass die gestellten Aufgaben von der Klasse gemeinsam gelöst werden - was bislang zu wenig befolgt worden ist.

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(Foto: Robert Haas)

Heimat- und Sachunterricht - dritte Startbahn Um einen differenzierten Unterricht zu gewährleisten, wird die Klasse zweigeteilt: in die Gruppe der Befürworter und die der Umlandbewohner. Ersteren stellt sich für den Fall, dass die Baugenehmigung der dritten Startbahn vor Gericht Bestand hat, folgende Aufgabe: Wie wird das Eine-Milliarde-Euro-Vorhaben finanziert? Und wie macht man den Wählern klar, dass es bei der Finanzierung in keinem Fall um öffentliches Geld geht, auch nicht bei einer Firma, die zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand ist? Die Gruppe Umland wiederum muss ihre Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss einreichen und adäquat begründen. Auch wenn es sich um Heimat- und Sachunterricht handelt, muss darauf hingewiesen werden, dass das Argument, durch eine dritte Startbahn werde Heimat zerstört, juristisch nicht ausreichend ist. Eine Spezialaufgabe bekommt die Freisinger CSU, im dortigen Stadtrat nur mehr fünftstärkste Kraft: Sie sollte sich dringend überlegen, wie sie sicherstellt, dass sie nicht wegen stark nachlassender Leistungen von der Schule fliegt.

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(Foto: Robert Haas)

Sozialkunde - Kinderbetreuung Zugegeben, die Aufgabenstellung ist gemein: Da ziehen immer mehr Leute her, und die bekommen dann auch noch Kinder. Und die wollen dann alle betreut werden, manche dreisterweise sogar ganztags im Kleinkindalter! Und zu allem Überfluss kommt dann auch noch der Bund daher und räumt allen Eltern das Recht auf einen Krippenplatz ein - im Jahr 2013 schon. Aber dass die in Berlin anders rechnen als wir hier, das hatten wir ja schon. Die Frage ist ja nicht nur, wer all die Krippen bezahlen soll. Sondern auch, woher all die Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen kommen sollen? Schon zeichnet sich zwischen den Kommunalpolitikern des Großraums ein scharfer Wettbewerb um die Köpfe ab, die Klassengemeinschaft wird hier auf eine harte Probe gestellt. Zumal über der Krippenthematik die drängenden Fragen der Hortbetreuung oder Ganztagsschulen gerne aus den Augen gelassen werden. Hier wie dort ist mit Nachhilfe und Unterstützung von Bund oder Freistaat nicht zu rechnen. Aus all diesen Gründen ist eines zu prophezeien: Der Raum München wird am Ende dieses Polit-Schuljahres weit davon entfernt sein, dass 2013 jeder, der will, einen Platz in Krippe, Hort oder Ganztagsschule bekommt. Die Versetzung ist auch hier akut gefährdet.

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(Foto: Robert Haas)

Sport - Olympia 2022 Wollte München noch einmal eine Bewerbung für Olympische Winterspiele, muss diese zwar erst im Jahre 2013 angemeldet werden. Doch bereits dieses Schuljahr muss die Klasse prüfen, ob sie sich das wirklich noch einmal antun will. Sich diesem undurchsichtigen Vergabeverfahren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) auszusetzen? Nach der im Juli krachend verlorenen IOC-Abstimmung hatte Klassensprecher Ude in der Schülerzeitung in einem wütenden Artikel geschrieben, dass das IOC sich nur für "viel Geld und viel Beton" entscheide, für Retortenstädte mit potenten Investoren. Daran wird sich vermutlich wenig ändern. Wie auch an der Tatsache, dass derlei Bewerbungen öffentliches Zuschussgeschäft sind - schließlich hat es die Olympia-2018-Bewerbung entgegen allen Versprechungen nicht geschafft, 33 Millionen Euro bei Sponsoren einzutreiben. Dies alles sollte in Besinnungsaufsätzen erörtert und Anfang 2013 dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden.

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(Foto: dapd)

Die Klassensprecherwahl Zu guter Letzt darf eines nicht vergessen werden: die anstehenden Klassensprecherwahlen. Da in München der amtierende Ude nicht mehr antreten darf, werden bis zum Sommer 2012 die roten und die grünen Schüler öffentliche Gladiatorenkämpfe veranstalten, um herauszufinden, wer der stärkste Nachfolgekandidat wäre. In vielen Landkreisen gilt ähnliches - von Bundestags- und Landtagskandidaten bei den Wahlen 2013 ganz zu schweigen. Und in Schwabhausen, Ebersberg, Poing und Freising werden in diesem Schuljahr bereits die neuen Sprecher bestimmt. Am interessantesten wird das in Freising, wo sich vermutlich ein halbes Dutzend Kandidaten in ein offenes Rennen begeben und wo sich die CSU in zwei Lager gespalten hat. Und Christian Ude wird nicht mehr ganz so oft in München sein wie einst. Er muss jetzt nach Cham und Kronach, nach Kulmbach und Krailling. Selber schuld, wenn man's nicht lassen kann und Landesschülersprecher werden will.

© SZ vom 13.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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