Theater für junges Publikum:Teilchen einer Welt

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Nisha (Maya Haddad, li.) und Nik (Michael Schröder) freunden sich langsam an - auch wenn es kompliziert ist. (Foto: Cordula Treml)

Wie ist es, als Geflüchtete in Deutschland anzukommen? An der Schauburg erzählt die Uraufführung von Mike Keenys "Zugvögel" von Rassismus und Freundschaft, klar inszeniert von Andrea Gronemeyer.

Von Yvonne Poppek

Es ist schwierig, ein Bild zusammenzupuzzeln, dessen Gefüge man nicht kennt. Nik versucht es trotzdem. Nachmittags nach der Schule sitzt er bei seiner Oma und ergänzt Teil um Teil. Das Motiv fehlt, so kann er nur mutmaßen, dass so etwas wie eine Weltkarte entstehen soll. Die Parallele ist klar: So wenig, wie er sich bei seinem Puzzle orientieren kann, so wenig gelingt es ihm auch in der Realität. Ins Nachbarhaus sind Geflüchtete aus Syrien eingezogen. Niks Vater lässt nun plötzlich am Tag die Rollläden herunter, seine Oma will nicht verstehen, warum die Familie ausgerechnet nach Deutschland kommt. Und dann gibt es noch die Neonazis aus dem Bus. Dabei findet Nik seine neue Nachbarin Nisha doch ganz nett. Wie lässt sich das nur miteinander verbinden?

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Der mehrfach ausgezeichnete, auf Jugendtheater spezialisierte, britische Autor Mike Kenny hat im Auftrag der Münchner Schauburg das Stück "Zugvögel" geschrieben. Es ist die Fortsetzung seines erfolgreichen Jugenddramas "Der Junge mit dem Koffer", das von Flucht erzählt. Jetzt geht es ums Ankommen in der Fremde und um den alltäglichen Rassismus. Intendantin Andrea Gronemeyer hat diesen wichtigen Stoff in der Schauburg inszeniert, konzentriert, in den Mitteln reduziert und mit dem Gespür dafür, die Schwere mit leichten, witzigen Elementen zu durchziehen.

Auf der Bühne von Mareile Krettek dominiert Schwarz, wenige mobile Elemente, ein paar Projektionen von Vögeln, Federn, Gesichtern - das war's. In dieser abstrakten Landschaft müssen die Darstellenden nun ihre Geschichte behaupten. Das funktioniert über weite Strecken als Erzählung, weniger als lustvolles Spiel. Gronemeyer folgt darin der epischen Anlage von Kennys Stück: Vieles ist Niks Erinnerung, dazwischen sind Dialoge gestreut. Die dramatische Steigerung lässt sich oft nur mittelbar nachvollziehen. Man soll nicht abtauchen in die Geschichte, soll sie vielmehr begreifen. Kenny hat ein anspruchsvolles Stück geschrieben, arbeitet mit Metaphern, Bildern und märchenhaften Elementen, was nach Bühnenklarheit verlangt. Gronemeyer kommt dem nach.

Gut besetzt: Michael Schröder als Nik

Dabei hat sie mit Michael Schröder den richtigen Protagonisten auf der Bühne. Er zeichnet seinen Nik als einen jener freundlichen, aber unauffälligen Bürgersöhnchen, die noch nie Haltung einnehmen mussten. Dann tritt die entschiedene, starke Nisha von Maya Haddad in sein Leben und das Verstecken vor Verantwortung funktioniert nicht mehr. Simone Oswald, David Benito Garcia und David Campling flankieren die beiden als Oma, Vater, Mitschüler und herrlich schrägen Fundbüromitarbeiter. Je besser sich Nik und Nisha kennenlernen, desto größer wird die Akzeptanz in Niks Familie und auch der Mut, für Nisha einzustehen.

Ganz am Ende ist Nik mit dem Zusammenpuzzeln fertig - sowohl mit der Weltkarte, als auch der Realität. Grenzen verschieben sich, vieles ändert sich, so seine Erkenntnis. Dass dies so gar nichts Belehrendes hat, ist eine starke Leistung dieser Inszenierung.

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