Schach in München:Zug um Zug zum Ziel

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Spielerisch auch die Sprachbarrieren überwinden: ein ukrainisches Mädchen in einem Ferienkurs der Münchner Schachstiftung. (Foto: SWM Bildungsstiftung)

Ob in der Schule, im Verein oder individuell als Freiluftspiel: Schach erfreut sich bei Anfängern und Fortgeschrittenen, bei Jung und Alt, großer Beliebtheit - eine Auswahl der besten Ansprechpartner und Adressen in München.

Von Barbara Hordych

Ursprünglich wurde Schach vor rund 1500 Jahren im Norden Indiens erfunden, als Strategietraining für Maharadschas und deren Feldherren. Doch der Siegeszug des Spiels ins abendländische Europa im 12. Jahrhundert offenbarte, dass es viel mehr kann als ein modellhaftes Abbild der damaligen Schlachten vorzustellen: Viele Studien weltweit belegen, dass es ein großartiges "Gehirnjogging" für Jung und Alt darstellt - und bereits Schulkinder in ihrer Entwicklung von einem guten Schachtraining profitieren. Wo sich das Spiel in München ausprobieren und üben lässt, zeigt der folgende Überblick.

Wo die Jüngsten Schach spielen und lernen

Schach schon für Kinder und Jugendliche? "Das ist absolut sinnvoll, denn es fördert das Konzentrationsvermögen und die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren", sagt Stefan Kindermann, Leiter der 2005 gegründeten Münchener Schachakademie. Dazu würden sich die jungen Spieler und Spielerinnen in flexiblem Denken üben, "sie nehmen ständig Perspektivwechsel vor, weil sie sich gedanklich auf beide Seiten des Brettes setzen", erklärt der neunfache Deutsche Mannschaftsmeister. Viele Schulen und Institutionen wüssten bereits über diese Vorzüge, von daher sind die 15 Trainer und Trainerinnen der Münchener Schachakademie ständig unterwegs.

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Rund 1300 Kinder haben Kindermann und seine Trainer und Trainerinnen, oft sind das Lehramtsstudenten und Studentinnen, in diesem Jahr an Münchner Grundschulen unterrichtet. Daneben ist er Mitbegründer und Vorstand der Schach-Stiftung, die besonders benachteiligte Kinder fördert: "Dieses Jahr haben wir auch viele ukrainische Kinder unterrichten können, da haben wir unterstützt von der SWM Bildungsstiftung mit fünf Stadtbibliotheken kooperiert, die gute Kontakte zu den ukrainischen Familien hatten", sagt Kindermann.

In den Räumen der Münchener Schach-Akademie an der Zweibrückenstraße bieten Kindermann und sein Team viertägige Ferien-Schachkurse für Selbstzahler an, darüber hinaus gibt es während der Schulzeit Dienstagabend einen Kurs.

Großmeister Stefan Kindermann, 63, drang in den Neunzigerjahren bis auf Platz 70 der Schach-Weltrangliste vor. Heute leitet er die Münchner Schachakademie - und schult Führungskräfte. (Foto: Stephan Rumpf)

"Die Mädchen holen auf"

Wie sieht es mit der prozentualen Verteilung von Jungen und Mädchen aus? "In den Schulprojekten ist sie natürlich so wie dort in den Klassen vorgegeben. Anders verhält es sich mit den AGs und den Selbstzahler-Kursen: Da dominieren leider immer noch die Jungs mit drei Vierteln gegenüber einem Viertel Mädchen", sagt Kindermann.

Trotzdem kristallisiere sich heraus: "Die Mädchen holen auf!", sagt Kindermann. Er erinnert an die ungarische Großmeisterin Judit Polgár, die 2005 Platz acht der Weltrangliste erreichte. "Ihr Vater war der Meinung, Schach sei Erziehungssache. Dann bekamen er und seine Frau drei Töchter und das Gelächter war groß, als er sie in Schach unterrichtete. Sie müssen sich vorstellen, dass damals unter den ersten 1000 Plätzen der Weltrangliste keine Frau zu finden war", sagt Kindermann. Die jüngste der drei, heute 47, wurde dann die erfolgreichste. "Ich kenne die Schwestern gut, mit Judit Polgár arbeite ich auch zusammen, sie hat in Ungarn eine Schachschule gegründet, dort habe ich auch schon Vorträge gehalten."

Seinen "Königsplan" hat Stefan Kindermann jetzt auch für Kinder in Buchform umgesetzt. (Foto: Münchner Schachakademie)

Kindermann ist überzeugt: "Man kann auf der Grundlage von schachlichem Denken handfeste Methoden entwickeln, die im Alltag anwendbar sind und helfen, auch unter Zeitdruck, Entscheidungen zu treffen." Darauf basiert sein "Königsplan", ein siebenstufiges Modell für Planen und Entscheiden, das er gemeinsam mit Robert von Weizsäcker für Führungskräfte entwickelte. Das Konzept hat er jetzt für Kinder adaptiert, in dem gerade erschienenen Sachbuch "Schachstrategien für Schule und Leben".

Beim Schachtheater kann man sich auch schon mal ein Krönchen aufsetzen: Stefan Kindermann mit Trainerin Victoria Berdin. (Foto: Münchner Schachstiftung/Lionheart Media)

In seiner Schach-Didaktik setzt er nicht zuletzt auf spielerische Vermittlung: Neben Schach-Yoga wird in seinen Kursen eifrig Schach-Theater gespielt, mittels Krone und Zepter können die Kinder selbst zu Figuren werden und Schachzüge nachstellen. "Wenn sie eine von uns gestellte Aufgabe nicht lösen können, heißt es bei uns nie ,setzen 6', sondern die Spieler können das Zepter an jemanden aus der Klasse weiterreichen, um sich Hilfe zu holen." Ein Königsweg eben.

Münchner Schachakademie, Zweibrückenstraße 8, alle Angebote unter www.mucschach.de

Vom Bibliothekar zum Schachvereins-Manager: Richard Holzberger, Gründer der "Münchner Schachfreunde". (Foto: Claus Schunk)

Schachfreunde auf Meisterschaftskurs

"Das Potential an interessierten Kindern und Jugendlichen in und um München ist noch längst nicht ausgeschöpft, die Nachfrage ist größer als das Angebot", sagt Richard Holzberger, 46. Er selbst kam über seinen Sohn, dem er das Schachspiel nahebringen wollte, auf die Idee, einen Verein zu gründen: Seit 2018 ist er Geschäftsführer der "Schachfreunde München", die ursprünglich als Stadtteilverein in Gern angefangen haben.

Heute sind rund zehn Trainer und Trainerinnen an sieben Grundschulen aktiv, jeden Freitag betreuen sie dort Schach-AGs. "Die neueste Entwicklung ist, dass wir externer Partner der Stadt wurden im Kooperativen Ganztagesprojekt; den Anfang machen wir in der Grundschule Strehleranger", sagt Holzberger. Seit er so viel im Verein aktiv ist, hat er seine Wochenstunden als Bibliothekar an der Staatsbibliothek München auf 30 reduziert - "und natürlich ginge das alles gar nicht, ohne dass meine Frau hinter mir steht und mich unterstützt". Immerhin zähle der Verein inzwischen 220 Mitglieder.

Auch im Wettkampfgeschehen haben sich seine Teams inzwischen etabliert. Ende des Jahres werden zwei Mannschaften des Vereins, die U10 und die U14, an den Deutschen Meisterschaften in Magdeburg teilnehmen. Interessenten und Interessentinnen können sich jederzeit beim Verein melden: Immer samstags steht das Schachhaus im ASZ Laim, Kiem-Pauli-Weg 22, ab 10 Uhr offen; die Älteren treffen sich mittwochs von 18 Uhr an zu Spielabenden im AWO-Begegnungszentrum am Reinmarplatz 18 in Gern. Dort ist auch Freiluftschach möglich, "allerdings eher im Sommer, nicht mehr zu dieser Jahreszeit", sagt Holzberger. Kurse gibt es auch im Pelkovenschlössl dienstags um 16 und mittwochs um 15.30 Uhr.

Münchner Schachfreunde, Trainingsstätte im AWO-Begegnungszentrum am Reinmarplatz 18, Anfragen per Mail an richard.holzberger@jugendschachpsv.de

Der ehemalige Richter Ralph Alt ist heute als Schachschiedsrichter aktiv - hier bei der internationalen Bayerischen Schachmeisterschaft Tegernsee im November 2023. (Foto: Sandra Schmidt)

Vereint im Roten Turm

Rund dreißig Schachvereine gibt es in München, schätzt Ralph Alt. Der ehemalige Oberstaatsanwalt und Richter wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. "Durch den Prozess gegen den Doppelmörder von Krailling, den ich als Richter 2012 zu lebenslanger Haft verurteilte", sagt Alt. Einige Monate später ging er in Ruhestand. Heute ist er Bundesrechtsberater und Ehrenmitglied des Bayerischen Schachbunds und als Schachschiedsrichter aktiv. In dieser Woche etwa bei der Internationalen Bayerischen Schach-Meisterschaft auf Gut Kaltenbrunn am Tegernsee, bei der bis Sonntag 518 Teilnehmer und Teilnehmerinnen um die Titel konkurrieren.

Mit Freunden und Kollegen gründete er 1974 den Schachverein "Roter Turm", dessen 70 Mitglieder - drei davon sind weiblich - sich regelmäßig zu Spieleabenden im AWO-Seniorentreff in der Arcisstraße 45 treffen. Wovon man nicht auf das Alter der Spielenden schließen sollte, auch wenn es Mitglieder gibt, die schon seit 30 Jahren dabei sind, erklärt der Vorsitzende. "Wie viele andere Münchner Schachvereine sind wir in den Einrichtungen der AWO Untermieter", sagt Alt. "Der Rote Turm betreibt zwar keine Jugendarbeit, trotzdem sind bei uns viele junge Menschen aktiv. Jeder Verein hat ja so seine eigenen Rekrutierungsmodelle, wir in der Maxvorstadt profitieren durch die Nähe zur LMU und TU, zu uns kommen viele Studenten und Studentinnen", erklärt Alt. Fünf Mannschaften habe der Verein derzeit, eine davon hat im September, kurz vor dem Jubiläum zum 50-Jährigen des Vereins, den Bayerischen Mannschaftspokal gewonnen.

SC Roter Turm, Spieleabend, mittwochs, 19.30 Uhr, AWO-Seniorentreff, Arcisstr. 45

Regelmäßig am Schachplatz an der Münchner Freiheit anzutreffen: Schachplatzbeauftragter Stefan Sandl (rechts) und Eckhart Ludwig. (Foto: Barbara Hordych)

Die Freiluft-Individualisten

Auch wenn sich Stefan Sandl als Schachplatzbeauftragter ehrenamtlich um seinen Lieblings-Freiluft-Schachplatz an der Münchner Freiheit kümmert, ist für ihn der soziale Kontakt noch wichtiger als das Spiel. "Bestimmt seit zwanzig Jahren komme ich etwa einmal in der Woche hierher, am liebsten wie heute mit dem Radl", sagt der Rentner und frühere Elektroinstallateur aus Fürstenried im grünen Hoodie mit Sporthose. Am letzten Sonntag im Oktober leistet ihm bei mildem Herbstwetter Eckhart Ludwig Gesellschaft, der aus Haidhausen seit zehn Jahren hierher kommt. Auch er ist als Justizbeamter, bereits "a.D.", wie er erzählt. Und freut sich, wenn er hier, wie jetzt, mit Bekannten plaudern und die Spieler an den vier Flächen nebenbei im Auge behalten kann.

Ein wenig ramponiert und mitgenommen sehen die schwarz-weißen Figuren schon aus. "Sie sind bereits drei Jahre alt und gehören dringend ausgewechselt", konstatiert Sandl. Wofür er sich auch beim Bezirksausschuss 12 Schwabing-Freimann eingesetzt habe. "Vier neue Sätze wurden uns zugesagt, die erwarte ich täglich", so Sandl. Mit den neuen Figuren sollen auch abschließbare Holzkisten mitgeliefert werden, um zu vermeiden, dass sie gleich wieder beschädigt werden oder verschwinden, wie einmal bei einer weißen Dame geschehen, die schon nach einer Woche wieder verschwunden war. Ansonsten schaue er als Schachplatzbeauftragter eben, "dass der Platz einigermaßen sauber ist". Immerhin sei der etwas ganz Besonderes, "ein offener Begegnungsplatz mitten in Schwabing, ganz ohne Konsumzwang", wie Barbara Epple von Bündnis 90 /Die Grünen in ihrem Eilantrag formulierte, mit dem sie sich für Sandls Anliegen einsetzte.

Erfahrungsgemäß gehe das Interesse am Freiluftschach im Winter stark zurück, "in der Regel, wenn die Buden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut werden", sagt Ludwig. Im Februar und März, sobald es wärmer werde, beginne die Saison wieder. "Dann wird oft bis nach Mitternacht gespielt", erzählt Ludwig und weist auf die beiden Lichtmasten über den Köpfen der Spieler. Frauen seien an den Spielfeldern eher in der Unterzahl, hat Ludwig beobachtet, "aber an einigen Tagen doch immerhin vorhanden". An diesem Nachmittag allerdings nur in Gestalt der schwarzen und weißen Damen.

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