Rechtsstreit um Kita-Betreuung:Der richtige Platz zur falschen Zeit

Lesezeit: 2 min

Zwei Münchner Paare klagen gegen die Stadt, weil sie das Angebot für einen Krippenplatz zu spät bekamen. Schon längst mussten die Eltern improvisieren und selbst nach Alternativen suchen. Nun geht es um Geld und das Verwaltungsgericht muss entscheiden.

Von Melanie Staudinger

In seiner letzten Haushaltsrede geriet Oberbürgermeister Christian Ude fast ins Schwärmen. Die Münchner Stadträte könnten stolz darauf sein, dass es trotz der wachsenden Kinderzahl und des außerordentlich hohen Bedarfs immer noch keine einzige Klage wegen eines fehlenden Krippenplatzes gebe. Alle Eltern, die sich bei der zuständigen Servicestelle U 3 gemeldet hätten, hätten auch ein Angebot bekommen.

Was der OB nicht sagt: Nicht jede Mutter oder jeder Vater ist mit diesem Angebot zufrieden. Manchen Betroffenen sind die Plätze zu weit entfernt von Wohn- oder Arbeitsort. Eine halbe Stunde Fahrzeit, um das Kind mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Kita zu bringen, sei allerdings zumutbar, hat das Münchner Verwaltungsgericht Mitte September entschieden.

Was aber passiert, wenn die Stadt einen Krippenplatz erst zu spät anbieten kann? Diese Frage hat sich Tanja C. in den vergangenen Wochen gestellt. Die junge Mutter will sie nun vom Verwaltungsgericht München beantwortet haben. Tanja C. hatte sich frühzeitig um einen Krippenplatz für ihren Sohn Vincent bemüht. Sieben Monate vor dem errechneten Geburtstermin meldete sie ihn in städtischen Kitas an - und bekam nur Absagen. Auch die Tagesmutterbörse konnte nicht weiterhelfen. Also suchte sie nach einem privaten Platz. Im August musste sie wieder arbeiten gehen. "Ohne den Job wären wir finanziell nicht ausgekommen, da das Elterngeld nach einem Jahr nicht mehr gezahlt wird", sagt sie. Den ersten Monat danach überbrückten Tanja C. und ihr Lebensgefährte noch mit Urlaub und Heimarbeit.

Es geht um 87 Euro

Im September gewöhnten die beiden Vincent in der privaten Krippe ein. Vor zwei Wochen meldete sich die Stadt dann: Von November an könne der Kleine eine günstigere Einrichtung besuchen. "Ich frage mich, wie das gehen soll?", sagt Tanja C. Sie habe weder den Spielraum vom Arbeitgeber noch ausreichend Urlaub, um ihren Sohn erneut zwei bis drei Wochen in einer neuen Kita einzugewöhnen. Nun klagt die junge Mutter vor dem Verwaltungsgericht. Sie will den Differenzbetrag erstattet bekommen, den sie in der privaten Krippe mehr zahlen muss. Dabei geht es um 87 Euro im Monat.

Die Stadt München hingegen sieht sich im Recht. Die Klage sei unbegründet, schreibt die Rechtsabteilung des Referats für Bildung und Sport an das Verwaltungsgericht. Nach Meinung der Stadt ist der Rechtsanspruch bei Vincent bereits erfüllt, da er in einer privaten Krippe untergebracht sei. "Es gibt keinen Anspruch auf einen bestimmten Platz bei einem bestimmten Träger", schreibt das Bildungsreferat. Zudem gebe es keine Regelung, die etwas über die Höhe der Gebühren aussage.

Die Stadt sieht kein Problem

Da der Klägerin andere Plätze angeboten worden seien, habe sie keinen Anspruch auf eine Übernahme des Differenzbetrags. Das Bildungsreferat verweist auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Richter hatten einer Mainzer Mutter die Erstattung der Zusatzkosten zugestanden. Sie hatte allerdings kein Alternativangebot von der Stadt erhalten.

"Tatsächlich gibt es noch kein Gerichtsurteil zur Frage, ob private Kitas wirklich den Rechtsanspruch erfüllen", sagt Rechtsanwältin Ingrid Hannemann-Heiter. Sie vertritt eine weitere Familie, die eine Klage gegen die Stadt erwägt. Der Fall von Melanie B. ist ähnlich wie der von Tanja C. Auch sie kümmerte sich frühzeitig um einen Platz, bekam aber nur Absagen. Seit 1. September arbeitet Melanie B. wieder, ihr Sohn ist in einer privaten Krippe. Sie bezahlt 485 Euro, in einer städtischen Einrichtung wären es 280 Euro im Monat. Diesen Platz hätte sie aber erst im November erhalten. "Ich fühle mich von der Stadt abgekanzelt", sagt sie.

Auch Anwalt Thomas Färbinger geht davon aus, dass Eltern nicht alles zuzumuten sei. Das Argument, dass sie eine weitere Eingewöhnung arbeitstechnisch nicht hinbekommen, müsste aus seiner Sicht eigentlich zählen. Allerdings verweist auch er auf die fehlende Grundsatzentscheidung. 13 Klagen zählte die Stadt seit dem Rechtsanspruch, sechs haben sich bereits erledigt, wie das Bildungsreferat mitteilt. Färbinger vertrat und vertritt fünf Kläger. "Üblicherweise bekommen die Eltern ein mehr oder weniger zufriedenstellendes Angebot, wenn sie klagen", sagt er.

© SZ vom 25.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: