Kulturgeschichte:Rachel Salamander schenkt der Stadt München das Archiv der Literaturhandlung

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Rachel Salamander, Gründerin der "Literaturhandlung", hier im Oktober 2021 in der Gemeindebücherei Unterhaching, wo sie über die Lager für Displaced Persons nach dem Krieg berichtet hat. (Foto: Sebastian Gabriel)

Bürgermeister Dieter Reiter würdigt sie als Pionierin, der "der Wiederaufbau des intellektuellen jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland" zu verdanken sei. Ihr Vorlass geht an die Monacensia. Er dokumentiert auch Tonaufnahmen von mehr als 1000 Veranstaltungen mit Größen wie Henry Kissinger und Grete Weil.

Von Susanne Hermanski

Rachel Salamander erinnert sich genau, wie das war 1982. Sie suchte die gesamte Unigegend ab. "Ich ging von Laden zu Laden, der mir geeignet erschien, und fragte überall: ,Ich hab gehört, Sie ziehen aus, stimmt das?'" In der Fürstenstraße landete sie einen Treffer. Die Vormieterin zog in der folgenden Woche aus. "Sie hatte beim Besitzer vollkommen verbrannte Erde hinterlassen, es gab nicht mal mehr eine Steckdose in der Wand", erzählt Salamander als wär's eine Parabel: "Das war vielleicht sogar ideal für den Neuanfang".

Rachel Salamander, die Tochter zweiter Holocaust-Überlebender, aufgewachsen im Lager für Displaced Persons, gründete in der kleinen Seitenstraße, die "Literaturhandlung". Deren wohlsortiertes Archiv, zu dem neben Büchern und Fotografien unzählige Tondokumente gehören, hat sie nun, exakt 40 Jahre später, der Stadt München geschenkt. Verwahrt und wissenschaftlich aufgearbeitet wird es fortan im städtischen Literaturarchiv Monacensia im Hildebrandhaus, das seinerseits eng mit der jüdischen Geschichte Münchens verwoben ist.

Eine "echte Pionierleistung" nennt Oberbürgermeister Dieter Reiter ihr Lebenswerk

Wie der Name schon andeutet, sollte in Salamanders Buchladen nie nur mit Worten gehandelt werden. Handlungen sollten folgen. Mehr als 1000 Veranstaltungen hat sie auf die Beine gestellt. Die zogen immer größere Kreise - in den Gasteig und ins Prinzregententheater mit bis zu 2200 Menschen im Publikum, weil der Laden dafür bald viel zu klein war - und weit hinein in die Gesellschaft. Eine "echte Pionierleistung" nennt Oberbürgermeister Dieter Reiter ihr Lebenswerk deshalb an diesem Montag in der Monacensia. Sie habe den "Wiederaufbau des intellektuellen jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland" bewirkt. Für ihre "Idee, jüdischer Kultur in Deutschland wieder eine Heimat zu geben", dankt er Rachel Salamander von Herzen.

Sie rekapituliert bei der Übergabe des Archivs noch einmal in Kürze. Von wenig bekannten Dichtern bis zu renommierten Denkern und Staatsmännern, Juden wie Nicht-Juden, sind sie alle ihrer Einladung gefolgt. Grete Weil und Saul Friedländer gehörten ebenso dazu wie Henry Kissinger und Daniel Goldhagen oder Richard von Weizsäcker. Aus der jüngeren Generation jüdischer Autorinnen und Autoren haben viele in der Literaturhandlung erste Auftritte gehabt, Maxim Biller etwa oder Barbara Honigmann. Besonders stolz macht sie dennoch: "Die aus München verjagt wurden, sind wiedergekehrt."

Die Monacensia ist aus ihrer Sicht der ideale Ort: "Dieses Haus ist prädestiniert dafür, diesen Schatz aufzunehmen." Nicht zuletzt gibt es enge familiäre Bande, ihr Mann Stephan Sattler, ist der Urenkel von Adolf von Hildebrand. Wie Recht Salamander habe, betont auch Anke Büttner, die Leiterin der Monacensia. In den nächsten beiden Jahren werde das bereits deutlich werden, in einer überarbeiteten Dauerausstellung und mehr, sagt Büttner: "Denn diese jüdische Literaturgeschichte muss sichtbar sein als selbstverständlicher Teil der Münchner Literaturgeschichte."

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:Ein Brief an Rachel Salamander

Zum Jubiläum der legendären "Literaturhandlung", seit 1982 in München an der Biegung Fürstenstraße.

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