Prozess:Zwei Männer wollen Rentnerin betrügen - und werden selbst ausgetrickst

Lesezeit: 3 min

  • Zwei Männer stehen vor Gericht, weil sie sich als falsche Polizisten ausgegeben haben, um vor allem ältere Leute um ihr Erspartes zu bringen.
  • Dank der Aufgewecktheit einer 79-jährigen Münchnerin konnte die Polizei sie festnehmen.
  • Das Gericht verurteilte beide zu jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe.

Von Susi Wimmer

Die Sozialprognose für das Brüderpaar ist nicht die günstigste: Beide sind vorbestraft, beide sitzen momentan ohnehin schon in Haft wegen ähnlicher Delikte, und Richterin Sonja Birkhofer-Hoffmann ist sich sicher, dass Sonny und Claudio R. auch nach der Haft "die gleiche Schiene fahren werden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten". Die Männer werden sich also als falsche Polizisten oder Bankberater ausgeben, vermutlich unechte Teppiche mit gefälschten Zertifikaten verkaufen und vor allem ältere Leute um ihr Erspartes bringen. Allerdings ist bis dahin noch etwas Zeit. Bis 2018 sitzen beide noch in Haft, dann erst fängt die Verbüßung der Freiheitsstrafe an, die die Richterin am Dienstag gegen sie verhängt hat: Ein Jahr Gefängnis wegen gewerbsmäßig versuchten Betruges. Ohne Bewährung.

Eine äußerst "niedere Gesinnung", schimpfte Staatsanwalt Vetter in seinem Plädoyer vor dem Amtsgericht, ausgerechnet ältere Menschen auszunutzen, die alleinstehend, oft hilflos und unsicher seien. Mit Johanna Rast aber waren der 36-jährige Sonny R. und sein 34 Jahre alter Bruder Claudio im November vergangenen Jahres an die Falsche geraten. Die Münchnerin ist 79 Jahre alt, "aber ich bin Mathematikerin, und ich weiß, was alles passieren kann", sagt die pfiffige alte Dame, die vor Gericht sogar mit der Krimi-Amateurdetektivin "Miss Marple" verglichen wurde.

Eines Nachmittags klingelte das Telefon bei der pensionierten Oberstudienrätin, und ein Mann war dran, "der hat so dumm dahergeredet", sagte sie am Rande des Prozesses. "Sie haben doch ein Konto bei der Sparkasse", fing er an. Die Rentnerin verneinte. Dann riet er alle Banken durch, "da war mir schon klar, dass da etwas nicht stimmte", so die 79-Jährige. Dreimal rief der Fremde an, erklärte, dass auf ihrem Konto Falschgeld liege, sie alles abheben und durch einen Polizisten überprüfen lassen müsse. Als die Masche nicht zog, schwenkte der Anrufer - laut Staatsanwaltschaft war es Sonny R. - auf die Masche um, dass man ihre EC-Karte überprüfen müsse. Sie solle doch Karte samt PIN in ein Kuvert geben, das werde abgeholt an ihrer Haustüre. Zum Schein stimmte die Münchnerin zu.

"Miss Marple" hatte mittlerweile aber längst die Polizei verständigt. Die Beamten vereinbarten mit ihr das Codewort "Weihnachten", damit die 79-Jährige auch wusste, dass echte Polizisten vor ihrer Türe standen. Als Claudio R. wenig später bei ihr klingelte, merkte er wohl, dass etwas nicht ganz stimmte. Also änderte er die Taktik und fragte die Rentnerin, ob denn nicht eine Wohnung zu vermieten sei. Da griff einer der Beamten zu und nahm den 34-Jährigen fest. Ein Blick auf die Straße genügte, und der Beamte erkannte einen schwarzen Geländewagen, der in unmittelbarer Nähe auffällig quer geparkt war und in dem ein Mann saß, Anrufer Sonny R. Er warte auf einen Bekannten, der gerade auf Hausnummer 12 etwas zu tun habe, sagte er dreist zu dem Polizisten. Das wollte ihm der Beamte gerne glauben und nahm ihn fest.

Etwas behäbig wirken die beiden Männer auf der Anklagebank, beide korpulent, fliehendes Kinn, und als ein Polizist im Zeugenstand die Brüder verwechselt, grinsen sie hämisch. Sonny R. hat bereits neun Einträge im Bundeszentralregister, hauptsächlich Betrügereien, Diebstahl und Drogengeschichten. Er sei in München aufgewachsen und arbeite nun in Koblenz als Teppichhändler, erzählt er vor Gericht. Mit seiner Lebensgefährtin habe er drei Kinder und verdiene etwa 1000 Euro netto im Monat. Die Bilanz seines Bruders Claudio, gebürtiger Münchner, ist noch verheerender: Zwölf Einträge im Bundeszentralregister wegen Drogen, Betrugs, Trunkenheit und Diebstahls. Von seinem Hartz-IV-Geld in Höhe von 390 Euro will er seine Lebensgefährtin und vier Kinder ernähren.

Draußen, auf dem Gerichtsgang, sitzt Johanna Rast und wartet auf ihre Zeugenaussage. Ihr gehe es gut, versichert sie, ihr sei nur ein "bissl mau" gewesen, als der Betrüger vor der Tür stand. "Aber ich wusste ja, dass meine Polizei da war." Dass ihr Opfer geistesgegenwärtig gewesen und nicht traumatisiert sei, wirke sich positiv für die Angeklagten aus, meinte Richterin Sonja Birkhofer-Hoffmann in ihrer Urteilsbegründung. Verteidiger, Staatsanwaltschaft und Gericht hatten sich vorab auf einen Strafrahmen von elf Monaten bis zu einem Jahr und drei Monaten geeinigt. Das Gericht verhängte ein Jahr Freiheitsstrafe jeweils für beide. Es seien im Wagen der Brüder etliche Adressen und Blanko-Echtheitszertifikate für Teppiche gefunden worden, sodass die Richterin von einer "bekannten Arbeitsweise", hoher krimineller Energie und Wiederholungsgefahr ausging.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: