Prozess:Zu bunt für Chagall

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Kunstliebhaber soll versucht haben, gefälschte Werke des Expressionismus zu verkaufen

Von Andreas Salch

Wann hat es das schon einmal am Amtsgericht München gegeben? Auf dem schmucklosen Richtertisch von Saal A 127 stehen am Mittwochmorgen gleich drei Meisterwerke des Expressionismus. Von Marc Chagall und dem Österreicher Egon Schiele. Mehrere Hunderttausend Euro soll jedes der Werke wert sein. Doch nach Ansicht von Experten handelt es sich bei den zwei Aquarellen und der Bleistiftzeichnung nicht um Originale. Die Bilder gehören Simon F. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den 70-Jährigen Anklage wegen versuchten Betrugs erhoben. Er soll die angeblichen Meisterwerke dem Münchner Auktionshaus Ketterer Kunst zum Verkauf angeboten haben. Und das, obwohl er gewusst habe, dass sein Chagall und die zwei Schieles schnöde Fälschungen sind.

Wegen der Bilder hatte Simon F. vor mehr als zehn Jahren schon einmal Probleme mit der Justiz. Er wollte damals mehrere Werke aus seiner umfangreichen Sammlung - mit Werken von Picasso, Gaugin, Dali und eben Schiele und Chagall - privat verkaufen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen kam Simon F. vor Gericht und wurde wegen versuchten Betrugs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Namhafte Kenner hatten seine Bilder unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Die Bilder sind Fälschungen. Unter ihnen befanden sich auch die drei, wegen der sich Simon F. jetzt vor dem Amtsgericht München verantworten muss. In dem Verfahren im Jahr 2005 war herausgekommen, dass er erwartete, das "Portrait eines schönen nackten Mädchens", das von Schiele stammen soll, für 4,7 Millionen Euro verkaufen zu können.

Damit die Aquarelle und die Zeichnung eines Tages nicht doch noch in den Handel gelangen, hatte die Staatsanwaltschaft Traunstein damals auf der Rückseite Stempel anbringen lassen mit dem Hinweis: "Kunstwerk ist zweifelhafter Herkunft."

Dass die Bilder seiner Sammlung Fälschungen sind, will Simon F. nicht wahrhaben. Nachdem die Verhandlung begonnen hat, hält er der Vorsitzenden Richterin, den beiden Schöffen sowie der Vertreterin der Staatsanwaltschaft einen Vortrag darüber, wie man Originale erkennt. Der 70-jährige Autodidakt redet ohne Punkt und Komma. Er doziert über "stilkritische Vergleiche", Malstile, über naturwissenschaftliche Gutachten zur Überprüfung der Echtheit eines Werkes und redet immer schneller. Statt Schiele sagt Simon F. dann Schily, und als von der Provenienz der Werke die Rede ist, sagt er Prominenz. Eine ausgewiesene Expertin für die Werke von Marc Chagall bezeichnet er als "Hausfrau", die über keinerlei Fachkenntnisse verfüge. Nach etwa einer Stunde sagt der 70-Jährige: "Jetzt hab' ich a bissel zu viel geredet." Die Zeugen sind an der Reihe.

Unter ihnen sind zwei Kunsthistorikerinnen aus dem Auktionshaus Ketterer Kunst. Sie haben die drei Werke am 3. Februar vergangenen Jahres entgegengenommen. Der Angeklagte habe seine Bilder regelrecht angepriesen, so die Zeuginnen. Von den Stempeln der Staatsanwaltschaft Traunstein auf der Rückseite habe er allerdings kein Wort gesagt. Die Stempel seien überklebt gewesen und ihnen erst später aufgefallen. Welchen Eindruck sie von den Bildern hatte, fragt die Richterin eine der Kunsthistorikerinnen. "Es schaut nicht ganz so gut aus", lautet die Antwort. Der Chagall etwa sei "zu bunt" gewesen." Das Auktionshaus hatte daraufhin das Landeskriminalamt verständigt. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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